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Eine durchdachte Vorauswahl, Überblick über tausende Neuerscheinungen und Service sind nur einige der Stärken, die der stationäre Buchhandel zu bieten hat.

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Petra Hartlieb betreibt mit ihrem Mann zwei Buchhandlungen in Wien und schreibt Bücher, etwa den Roman "Meine wundervolle Buchhandlung" (2014).

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Seit einiger Zeit kämpft der stationäre Buchhandel nicht nur gegen Amazon, E-Books, hohe Mieten, Lohnnebenkosten, steigende Transportkosten und zu niedrige Buchpreise – daran wären wir inzwischen gewöhnt, und es würde uns nicht beunruhigen. Unser Problem – und mit "uns" meine ich insbesondere die inhabergeführten Buchhandlungen – ist es, dass wir ständig totgeredet werden.

Keine Woche vergeht, in der nicht eine Zeitung vom Buchhändlersterben berichtet. Im Fernsehen kommt "Buch" nur mehr in Form von Kamerafahrten vor, die menschenleere Buchhandlungen abfilmen, dazu berichtet uns ein ernst blickender Moderator, dass wir alle auf einem sinkenden Schiff tanzen.

Wenn du vor ein paar Jahren auf einer Party erzählt hast, du seist Buchhändlerin, fanden dich alle interessant. Man wurde ausgefragt über den neuen Paul Auster und ob der Kehlmann wirklich so gut sei, wie die Zeitungen schrieben. Das ist längst Geschichte. Über Bücher spricht keiner mehr, und ein Outing als Buchhändlerin erntet Erstaunen bis Mitleid: Wie? Buchhändlerin? Gibt es das überhaupt noch? Haben die es nicht total schwer? Werden die überleben?

Viele Herausforderungen

Was ist da passiert? Wann ist das passiert? Natürlich stehen wir vor anderen Herausforderungen als noch vor zehn Jahren, aber tut das nicht jede Branche? Außerdem bedeutet nicht jede geschlossene Buchhandlung den Untergang des Abendlandes oder dass alle anderen in den Abgrund mitgezogen werden. Schließungen haben verschiedenste Gründe: Tod des Inhabers, Auslaufen des alten Mietvertrags und Verzehnfachung der Miete, kein Nachfolger ...

Die meisten Kolleginnen und Kollegen machen weiter ihren Job – so, wie sie ihn schon immer gemacht haben: mit Herzblut und Engagement, einer sorgfältigen Auswahl der Bücher, die sie anbieten, und mit einer unglaublichen Kundenbindung. Das ist auch der einzige Weg: Wir müssen uns auf jene konzentrieren, die nach wie vor lesen, und auf die, die vielleicht mal ein bisschen weniger lesen, weil gerade eine neue Serie auf Netflix angelaufen ist, die aber prinzipiell mit dem Medium Buch vertraut sind.

Zudem müssen wir die Kinder ernst nehmen – sie sind nicht die Störfaktoren, die unsere Kinderbuchabteilungen in Unordnung bringen, sondern die Leserinnen und Leser von morgen. Wir müssen uns mit den Deutschlehrern und -lehrerinnen anfreunden und ihnen subtil beibringen, ihre Leselisten zu entstauben – es gibt so coole Jugendbücher, und wir kennen sie. Wir müssen unsere Branche wieder sexy machen und weg vom Loserimage.

Durchdachte Vorauswahl

Und Kundinnen und Kunden, die uns erzählen, sie kaufen nur bei uns ein, weil sie uns unterstützen wollen, würde ich am liebsten laut entgegenrufen: Sie kaufen bei uns ein, weil wir gut sind! Weil wir Ihnen durch eine durchdachte Vorauswahl helfen, einen Überblick über tausende Neuerscheinungen zu bekommen! Weil unser Service unschlagbar ist! Weil wir freundlich und oft auch lustig sind! Weil Bücher überall das Gleiche kosten ... und vieles mehr.

Ist also alles in bester Ordnung? Nein, aber es ist nicht viel schlimmer, als es eh schon immer war. Wir haben diesen Job, weil wir Bücher verkaufen wollen, nichts anderes. Natürlich müssen wir Geld verdienen, natürlich muss auch unser Umsatz jedes Jahr zunehmen, denn auch wir sind von steigenden Kosten nicht ausgenommen. Aber wir haben nicht den Druck, am Ende des Jahres eine Gewinnausschüttung an die Aktionäre auszuzahlen. Wenn alles bezahlt ist, freuen wir uns, wenn sich eine kleine Prämie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgeht. Und wenn wir dann noch ein paar Tage in den Urlaub fahren können, sind wir zufrieden.

Zusammenarbeit muss sein

Wie wir verloren gegangene Leserinnen und Leser wieder in die Buchhandlungen zurücklocken? Dazu ist das große Jammern der falsche Weg. Solange die Branche – damit meine ich Buchhandlungen und Verlage – nicht in irgendeiner Form zusammenarbeitet, wird es schwierig mit der Imageaufbesserung.

Ein Problem sind etwa die großen Verlage, die sich gegenseitig in die Höhe bieten, Autorinnen um horrende Vorschüsse einkaufen, um dann von einem Negativergebnis zu sprechen, weil von einem Titel nicht eine Million, sondern nur 500.000 Exemplare verkauft werden. Diese Konzentration auf Spitzentitel führt dazu, dass andere Programmbereiche zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, ja letztendlich sogar gestrichen werden.

Ein Problem ist es auch, wenn Marketingabteilungen Cover gestalten, die gar nichts mit den Inhalten zu tun haben, nur weil sie sich von einem Motto treiben lassen, das lautet: "Kunden, die das gekauft haben, interessieren sich auch für ...".

Erfolgreich ohne große Werbebudgets

Dabei gibt es viele gelungene Gegenbeispiele der letzten Jahre für erfolgreiche Bücher ohne große Werbebudgets. Jo Lendle, der Chef von Hanser, hat etwa Ein wenig Leben für wenig Geld eingekauft. "Fast 1000 Seiten einer unbekannten Autorin mit unaussprechlichem Namen", erzählt er. "Ein trauriges, verstörendes Buch. Und dann haben es immer mehr KollegInnen im Verlag und im Buchhandel gelesen, und alle wollten darüber reden." Die Rechnung ist aufgegangen, obwohl es nie wirklich eine Rechnung war: "130.000 verkaufte Exemplare eines schwierigen Buches sind ein großer Erfolg."

Oder Mariana Leky, die seit 17 Jahren bei DuMont publiziert. Obwohl der Verlag von Lekys Büchern nie mehr als ein paar tausend Stück verkauft hatte, stand es nie zur Debatte, die Autorin loszuwerden. Und plötzlich erscheint ein neues Buch – genauso versponnen wie die vorigen -, und siehe da: Seit seinem Erscheinen ist es auf den Bestsellerlisten, fast 200.000 Stück wurden bisher verkauft. Ein riesiger Anteil ging über die Ladentische echter Buchhandlungen.

Solche Bücher kannst du nur verkaufen, wenn du eine Geschichte erzählen kannst. Und das ist es, was wir wollten, als wir beschlossen, Buchhändlerinnen oder -händler zu werden. Wir wollen Geschichten weitertragen und Leute begeistern. Dazu müssen wir aufhören, das Buch und unsere Branche für tot zu erklären. Lasst uns endlich wieder Geschichten erzählen! (Petra Hartlieb, 19.7.2018)