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"Da reicht die Präsenz, dass der Wirbelwind angezuckert daherbraust."

Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

Heftig wird der Niedergang der deutschen Sprache in unseren Schulen beklagt, der teils durch die Klassenzusammensetzung, teils durch das ständige SMS-Stakkato zu einem bedenklichen Verfall der Ausdrucksfähigkeit führt. Schön, dass der ORF hier seinen Bildungsauftrag ernst nimmt und etwa das Finale der Fußball-WM dazu nutzt, den Kids unaufdringlich vorzuführen, was Sprache vermag – besonder wenn man einen Stilweltmeister wie Thomas König ans Mikrofon lässt. Dieser wartet mit Perlen auf wie folgender: "Der Frankfurter ist so einer, der auch eine Soloexplosion sportlich vorne haben kann."

Frankfurter und Torwürmer

Eine Formulierung, bei der Bilder im Kopf entstehen! Der sittlich gefestigte Mittfünfziger, der diese Zeilen tippt, nimmt die Bilder in seinem Kopf übrigens zum Anlass für den Vorsatz, sich langsam von der Pubertät zu verabschieden – ein Vorsatz, an den er sich später wieder erinnern wird, wenn "der Elferkiller wieder einen auspacken" muss.

Sympathien darf man dem objektiven Kommentator natürlich nicht anmerken. Dennoch, die Muse küsste ihn weit leidenschaftlicher, wenn er die Kroaten beschrieb: "Mentalitätshexer" – auch wenn sich "kein Kopfballungeheuer" in ihren Reihen befand –, die "irgendwo einen Torwurm gefunden haben oder die perfekte Regeneration seit Mittwoch", dem oder der sie den Ausgleichstreffer verdankten.

Weitere Erläuterungen zum Torwurm wurden leider nicht geliefert – dafür gab es hilfreiche Erklärungen wie: "Es ist kein Vorteil, im Spiel 0:1 hinten zu liegen gegen Frankreich." Überraschend diese Definition: "Eigentor ist es, wenn man rasch ein zweites Mal in Führung geht." Noch überraschender die Feststellung: "Da reicht die Präsenz, dass der Wirbelwind angezuckert daherbraust." Ein Bild von so verstörender Zartheit wie den angezuckert daherbrausenden Wirbelwind wird man in der deutschen Lyrik vor Thomas König vergeblich suchen! Verstörend aber auch das Bild des unglücklichen Handspiels, "wo die Hand schon drauf und dran war, sich zu neutralisieren", und besorgniserregend für das Wohl der Spieler die Forderung: "Jetzt muss physische und psychische Reserve perfekt zusammengeschmirgelt werden."

Glanzpunkte

Grammatikalisch weniger inspirierend als die Kroaten – "das ist hier nicht nur rassig, das ist absolut hochwertigst" – die Gegenmannschaft: "Große Glanzpunkte setzen ist derzeit nicht bei den Franzosen." Große Punkte – ein Konzept, das die Geometrie revolutionieren wird, ebenso wie dem Kommentator geradezu spielerisch der Brückenschlag von der Wahrscheinlichkeitstheorie zur Wärmelehre gelingt: "Die Wahrscheinlichkeit liegt irgendwo beim Gefrierpunkt." So bringt man den Kids die statistische Thermodynamik näher!

Es bleibt zu hoffen, dass die heranwachsende Jugend die Botschaft von der Wichtigkeit des sorgsamen Umgangs mit der Sprache auch versteht und die angebotenen Vorbilder annimmt! (Christoph Krall, 20.7.2018)