Graz/Klagenfurt/Wien – Es ist unübersehbar: In der ÖVP beginnt hier und dort die türkise Farbe abzublättern und bringt wieder alte schwarze Strukturen zum Vorschein. In den westlichen ÖVP-Bundesländern formiert sich eine Abwehr gegen die türkis-blaue Bundesregierung, Tirols Landeschef Günther Platter spricht bereits von einer "übermütigen" Politik. Aber vor allem im ÖAAB geht es rund.

Karl Kapplmüller, Chef der ÖVP-Gewerkschafter (FCG) bei den Metallern, kündigt bereits seinen Austritt aus dem ÖAAB an, der Tiroler Arbeiterkammer-Präsident und ÖAAB-Fraktionschef Erwin Zangerl warnt gar, Österreich stehe "vor der mutwilligen Zerstörung unserer Gesellschaft, unseres Familien-, Vereins- und Soziallebens".

Steirer und Kärnter loyal, Westen nicht

Im Gegensatz zur ÖVP-Riege in den westlichen Bundesländern stehen die Steirer und Kärntner loyal zur Bundesregierung. Der Kärntner ÖVP-Chef und Landesrat Martin Gruber hat "überhaupt kein Verständnis" für die kritischen Äußerungen seiner Parteikollegen aus dem Westen: "Das ist für mich ein Verfall in alte Denkmuster und Verhaltensweisen."

Als Fan der Bundesregierung outet sich auch der steirische Landesrat und ÖAAB-Landeschef Christopher Drexler, der Parteidenker der Steirer-ÖVP.

Wallner kritisiert Strache

"Die Bundesregierung hat eine sehr beherzte und ehrgeizige Reformagenda auf den Weg geschickt, ich bin sehr froh darüber, aber es ist klar, dass es in der Umsetzung immer wieder Widerstand gibt. Das ist halt der übliche Reflex in Österreich. Da melden sich die notorischen Wichtigtuer", sagt Drexler im STANDARD-Gespräch. Eine tatsächliche Unruhe in seiner Partei kann Drexler nicht wahrnehmen: "In der Regierung herrscht ein durchaus konstruktives Klima, man versteht sich, eigentlich läuft die Sache rund."

Ungeachtet Drexlers Befund legt Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in seiner Kritik an der Regierung in "News" jetzt nach und missbilligt Vizekanzler Heinz-Christian Straches (FPÖ) Vorstoß für ein Kopftuchverbot im Kindergarten. Für Wallner nur "ein beliebtes Sommerthema des Vizekanzlers".

Wallner fragt Strache, warum er dieses Thema an die Länder delegiere, statt ein Verbot an den Bundesschulen umzusetzen. Wallners Vermutung: Strache wisse nicht, "wie er das regeln soll".0

FPÖ-Retourkutsche mit ÖVP-Unterstützung

Kaum gesagt, folgte postwendend die Retourkutsche aus der FPÖ. Deren Generalsekretär Christian Hafenecker zeigte sich über den "mittlerweile täglichen Ausritt von Landeshauptmann Wallner" gegen die Freiheitlichen empört. Man werde sich nicht von "erwartbaren Widerständen der altschwarzen Blockierer beirren lassen". Die FPÖ sei eine "stabile, geschlossene und verlässliche Regierungspartei".

Und auch die ÖVP verteidigte Strache gegen Angriffe aus ihren eigenen Reihen. Man arbeite in Sachen Kopftuch im Kindergarten an einer "praktikablen Lösung, die selbstverständlich verfassungskonform sein wird", verteidigte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer den "Weg der Bundesregierung". Die Regierung erwarte sich von den Bundesländern die Zustimmung zum Kopftuchverbot, "denn alle Kinder sollten dieselben Chancen haben", ließ Nehammer seine Parteifreunde im Westen wissen. (Walter Müller, 19.7.2018)