Bitterrezeptoren befinden sich nicht nur auf der Zunge , sondern auch auf Herzzellen und Zellen der Atemwege. Neben den Geschmacksstoffen aktivieren auch zahlreiche Arzneistoffe unsere Bittersensoren. Eine neue internationale Studie unter Führung von Maik Behrens vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München gibt nun einen detaillierten Einblick in die Zusammenhänge zwischen der Molekülstruktur und Funktion des Bitterrezeptors TAS2R14. Ihre Ergebnisse könnten in der Arzneimittelforschung wichtig sein.

Menschen nehmen Bitterstoffe mit Hilfe von 25 verschiedenen Rezeptortypen wahr, die sich auf Zunge und Mundschleimhaut befinden. Einige von ihnen erkennen nur eine kleine Auswahl von bitteren Substanzen. Andere sind dagegen in der Lage, ein breites Spektrum unterschiedlichster Bitterstoffe zu detektieren. Zu dieser Gruppe gehört auch der untersuchte Bitterrezeptor TAS2R14.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Bitterrezeptoren im Mundraum dazu dienen, vor dem Verzehr giftiger Substanzen zu warnen. Welche Funktion sie auf den Zellen anderer Organe haben, ist noch nicht hinreichend erforscht. Dennoch zeigen jüngste Befunde, dass Bitterstoffe glatte Muskelzellen der Atemwege entspannen und lassen annehmen, dass Bitterrezeptoren eine Rolle bei der Immunabwehr spielen. Darüber hinaus erkennen diese Sensormoleküle zahlreiche medizinische Wirkstoffe, die eigentlich auf andere Zielproteine zugeschnitten sind. Das legt den Verdacht nahe, dass sie als sogenannte Off-Targets auch für Nebenwirkungen von Medikamenten verantwortlich sein könnten.

Auch in der chinesischen Medizin bekannt

Aus Voruntersuchungen der Wissenschaftler und Studien anderer Arbeitsgruppen sind etwa 80 Substanzen bekannt, die den Bitterrezeptor TAS2R14 aktivieren. Hierzu zählen unter anderem Wirkstoffe der traditionellen Chinesischen Medizin, aber auch Schmerzmittel der westlichen Welt wie Diclofenac oder Nifluminsäure.

Um die Frage zu beantworten, warum so viele unterschiedliche Substanzen den Rezeptor aktivieren, untersuchte die Forschergruppe um Behrens die Wechselwirkungen zwischen der molekularen Innenarchitektur (Bindungstasche) des Rezeptors und unterschiedlichen Wirkstoffarten (Agonisten), die den Rezeptor aktivieren.

"Die Bindungstasche des Rezeptors ist relativ ausladend. Wie wir zeigen, sind ihre Kontaktstellen für Wirkstoffe so ausgelegt, dass sie möglichst viele verschiedene Substanzklassen erkennen. Vielleicht kann man sich die Bindungstasche des TAS2R14 wie ein einfaches Türschloss vorstellen, in das eine ganze Vielzahl von Schlüsseln passt und das auch von einem Dietrich aufgeschlossen werden kann", erklärt Behrens.

Geschmacksnervern als Detektoren

Wenn die Forscher die Innenarchitektur des Rezeptors durch gezielte Punktmutationen veränderten, erhöhte sich in vielen Fällen die Spezifität des Rezeptors für einen bestimmten Wirkstofftyp. Sie gehen daher davon aus, dass der von ihnen untersuchte Bitterrezeptor eine gute Basis bildet, um Wirkstoffsensoren zu generieren, die gezielt in biologischen Arzneimitteltests verwendet werden könnten.

Der TAS2R14 ist zudem im menschlichen Körper auch außerhalb des Geschmacksorgans weit verbreitet und verschiedene Arzneistoffe aktivieren ihn. Daher käme er laut Aussage der Wissenschaftler auch als Off-Target für neue und alte Medikamente in Frage und sollte künftig als mögliche Ursache für Nebenwirkungen in Betracht gezogen werden. "Nicht zuletzt lassen sich unsere neuen Erkenntnisse nutzen, um Bitterblocker zu entwickeln, die den Geschmack von Medikamenten verbessern", sagt Studienleiter Behrens. "Stellen Sie sich einen chronisch kranken Menschen vor, der gezwungen ist, täglich eine ganze Reihe bitterer Pillen zu schlucken. Einen Erwachsenen kann man vielleicht noch von der Notwendigkeit überzeugen. Bei einem Kleinkind ist das schon schwerer."

Zusammen mit seinen Kollegen am Leibniz-Institut und internationalen Partnern will Biologe Behrens zukünftig über die Geschmacksforschung hinaus den systembiologischen Ansatz seiner Forschung weiter verfolgen. "Es reicht heute nicht mehr aus, auf Einzeleffekte von Wirkstoffen zu schauen, zu denen auch Bitterstoffe oder andere Lebensmittel-Inhaltsstoffe zählen. Wir müssen schauen, wie die Substanzen auf den gesamten Organismus wirken und welche molekularen Mechanismen dafür eine Rolle spielen", so Behrens. (red, 21.7.2018)