Kaum begraben, fangen häufig die Probleme der Hinterbliebenen an. Auch Pflichtanteilsberechtigte müssen kämpfen.

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Lebensversicherungen mit (häufig namentlichem) Bezugsrecht fallen nicht in die Verlassenschaft und gingen bisher auch an den Pflichtanteilsberechtigten vorbei, sagen Juristen. Ein Beispiel: Der Verstorbene hinterlässt Schulden, hat aber eine Lebensversicherung mit Bezugsrecht abgeschlossen. Der Begünstigte des Bezugsrechts kann mit der Sterbeurkunde und der Polizze bei der Versicherung vorstellig werden und bekommt die volle Versicherungssumme ausbezahlt – abseits von Gläubigern und Erben. Anderes Beispiel: Ein Verstorbener möchte ganz bewusst an den Erben vorbei jemanden finanziell bedenken, ohne dass es irgendwer erfährt. Für die Versicherungen sei dies ein gutes Verkaufsargument, sagt ein Notar.

Seit dem Erbrechtsänderungsgesetz, das mit Jahresbeginn 2017 in Kraft trat, werden diese Lebensversicherungen mit Bezugsrecht – vereinfacht formuliert – als Schenkung betrachtet und sind beim Pflichtanteil zu berücksichtigen. Gläubiger oder sonstige nicht Pflichtanteilsberechtigte Erben schauen zwar weiterhin durch die Finger. Aber: "Alles, was wirtschaftlich betrachtet einer unentgeltlichen Zuwendung gleichkommt, ist eine Schenkung und somit für die Berechnung des Pflichtteils dem Nachlass hinzuzurechnen", erläutert der auf Erbrecht spezialisierte Wiener Rechtsanwalt Alexander Hofmann. (Anm.: § 781. (1) Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte oder auch ein Dritter vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten oder auf den Todesfall erhalten hat, sind der Verlassenschaft nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen hinzuzurechnen und auf einen allfälligen Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen.)

Jetzt kommt aber das nächste Problem: Wie komme ich zu der Information, wer der Begünstigte ist? Die Versicherung gibt den Namen nicht preis; sie tut das in der Regel nur vor Gericht, also im Zeugenstand, da es in Österreich kein gesetzlich geschütztes Versicherungsgeheimnis gibt, so Hofmann.

Begründung erforderlich

Manfred Rapf, Sprecher des Versicherungsverbandes in Sachen Lebensversicherungen, betont hingegen, es gebe "keine Möglichkeit, den Pflichtanteil zu schädigen". "Wenn es eine Versicherung mit namentlichem Bezugsrecht in einer Verlassenschaft gibt und der Notar berechtigtes Interesse daran hat, den Namen von der Versicherung zu erfahren, dann bekommt der Notar diesen auch", betonte Rapf. Der Notar müsse der Versicherung aber explizit eine Begründung geben, warum er den Namen wissen wolle. Gründe seien etwa Pflichtanteilsberechtigte, Gläubiger oder Minderjährige. Sollte der Notar hingegen nur eine Standardanfrage stellen, also ohne Begründung, dann dürfe die Assekuranz aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben.

"Wenn der Notar ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, dann erhält er sehr wohl die Information über den Bezugsberechtigten und die Höhe der Versicherungsleistung", sagt Rapf und nimmt hier die Notare in die Pflicht. Gleichzeitig weist Rapf darauf hin, dass ihm kein Fall bekannt sei, wo ein Pflichtanteilsberechtigter hätte klagen müssen. Die Nachweispflicht über ein berechtigtes Interesse liege eindeutig beim Notar. Die Notare könnten auch bei Gericht eine Anordnung oder einen Beschluss erwirken und so von den Versicherungen den Namen des Bezugsberechtigten erfahren. "Wir brauchen lediglich ein berechtigtes Interesse", so Rapf.

Selbst aktiv werden

Gesetzt den Fall, der Notar wird bei der Versicherung nicht entsprechend aktiv – weil er dafür, salopp formuliert, auch kein Geld bekommt – und die Versicherung darf den Namen nicht ohne Weiteres preisgeben, muss jeder Pflichtanteilsberechtigte selbst aktiv werden, sagen Praktiker. Bloß, wen soll man als Pflichtanteilsberechtigter klagen, wenn niemand den Begünstigten kennt?

Anwalt Hofmann zufolge reicht ein "begründeter Verdacht", um den vermutlichen Begünstigten nach dem neuen Erbrechtsänderungsgesetz auf Auskunft zu klagen. Aus einer Kontoöffnung, die der Pflichtteilsberechtigte im Verlassenschaftsverfahren erlangen kann, werden sich unter Umständen Hinweise auf Prämienzahlungen erschließen. Der Begünstigte wird im Regelfall jene Person sein, die dem Verstorbenen zuletzt am nächsten gestanden ist.

"Größeres Thema" Kleinsparbücher

Für Notar Christoph Mondel aus Klosterneuburg sind in der Verlassenschaft neben den Lebensversicherungen Kleinsparbüchern unter 15.000 Euro, die vor dem Ableben verschenkt werden, aber das "viel größere Thema". Diese Sparbücher können problemlos bei der Bank eingelöst werden – wieder abseits aller Erbberechtigten oder Gläubiger.

Beliebt ist mittlerweile auch folgender Fall: Es liegt eine Begräbniskostenversicherung etwa über 10.000 Euro vor. Das Begräbnis wird vom Inhaber der Polizze (das kann jeder sein; es gibt auch Fälle, wo die Kinder des Verstorbenen davon nicht informiert werden) eher bescheiden gehalten und die Differenz von Begräbniskosten und Versicherungssumme behält der Überbringer der Sterbeversicherung.

Fest steht: Wer in der glücklichen Lage ist, ein namentliches Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung zu haben, dem wird schnell geholfen: "Wir zahlen schneller aus als der Nachlass, längstens nach einer Woche ist das Geld auf dem Konto", so Rapf. (Claudia Ruff, 19.7.2018)