Der Tänzer Darlane Litaay aus Papua-Neuguinea mit Penishülle als Avatar-Patient der "Dance Clinic".

Foto: Brandon Tay

Ein seltenes Talent besitzt der Berliner Künstler aus Singapur, Choy Ka Fai. Ihm gelingt es, in seinen Stücken etliches aufs Glatteis zu führen, was Gutes verspricht, aber das Gegenteil davon produziert. Choy ist bei Impulstanz mit zwei Performances, Dance Clinic und UnBearable Darkness, sowie einer kleinen Ausstellung – alle im Odeon – vertreten.

Dance Clinic hatte am Mittwoch Österreichpremiere. Darin tritt Choy Ka Fai als Chef einer futuristischen Arztpraxis auf, in der künstlerische Krankheiten zwischen "Präsenzschwäche" und "Performance-Krebs" diagnostiziert werden. Mit diabolischem Vergnügen macht er sich über den Glauben an die Wunder lustig, die von künstlicher Intelligenz (KI) erwartet werden. Seine – natürlich gefälschte – Diagnose-KI heißt Ember Jello. "Sie macht ihren Job so gut, dass sie bald meinen Platz einnehmen kann", freut sich der Tanzdoktor.

Aufs Korn nimmt dieser zugleich all jene schwindligen Privatkliniken, die unter anderem aus dem Wunsch ihrer Patienten Kapital schlagen, anders auszusehen. Dabei schwingt auch Spott über eine auch unter zeitgenössischen Tänzern grassierende Hypochondrie mit, die in diversen "Heilungs"-Workshops ihre Bestätigung findet.

Selbstgerechter Westen

Ebenso hart fällt in der "Dance Clinic" der Missbrauch postkolonialen Denkens durch selbstgerechte Bewohner des Westens, die aus ihrem Bauchladen-Moralismus akademischen Gewinn zu schlagen versuchen. Den schlimmsten Bauchfleck aber macht die in großer Vielfalt auftretende Überzeugung, dass Kunst unbedingt "nützlich" sein oder gar Lösungen für gesellschaftliche Probleme liefern sollte.

Diese beachtliche Anzahl von Eseln auf dem Eis führt Choy Ka Fai in einer kulturübergreifenden Auffassung von absurder Performance vor. Die Spaßmaschine Ember Jello, das nach Betrug riechende Design der projizierten Grafiken, das Geschwätz des Doktors – alles Fake. Aber einer, dessen Darstellung so weit ins Realistische reicht, dass reichlich Verunsicherung blühen kann.

Dabei penetriert Florentina Holzinger den Tänzer Jereh Leung simulativ mit einem gewaltigen Gummidildo – ein Ausschnitt aus ihrem und Vincent Riebeeks Stück Schönheitsabend, in dem Michel Fokines exotizistisches Ballett Scheherazade verarscht wird.

Und der Tänzer Darlane Litaay aus Papua-Neuguinea tanzt zur Steigerung seines Bewusstseins mit einer Jesus-Maske, worauf Ember Jello von so hohen Werten überschwemmt wird, dass die künstliche Intelligenz ausflippt und sich "aufhängt". Schöner kann eine Performancesatire nicht sein, und Choy Ka Fai zeigt sich hier als Meister dieses Fachs. (Helmut Ploebst, 20.7.2018)