Die Barsche im "Jugendbecken" schwimmen noch einige Monate im Kreis, bevor sie mit einem Körpergewicht von 500 Gramm am Teller landen.

Foto: Laufer

Seit rund zwei Jahren rauscht und blubbert es in der Wiener Donaustadt. Es ist aber nicht der Badeteich der Seestadt Aspern, der die Meeresgeräusche erzeugt, sondern eine große Halle, etwa zwei Kilometer weiter im Osten. Hier, zwischen Kornfeldern, Einfamilien- und Glashäusern, ist der Aquaponikbetrieb Blün angesiedelt.

Der Name – eine Kombination aus Blau und Grün – verrät auch schon das Geschäftsfeld des landwirtschaftlichen Start-ups: Bei Aquaponik wird Grünes mit Blauem verbunden, also Fisch- mit Pflanzenzucht kombiniert. Dabei dienen Fisch-Exkremente als Dünger für Obst und Gemüse. "Es ist eine gute Möglichkeit, Fischzucht in der Stadt umzusetzen", sagt Bernhard Zehetbauer, einer der vier Geschäftsführer von Blün. Aquaponik-Anlagen benötigen kaum Platz und nur wenig Wasser.

Die Idee für die Anlage hatte das Quartett, das sich aus Landwirten und Gärtnern zusammensetzt, vor rund zwei Jahren. Die Gründer hatten zuvor in einem Zeitungsartikel von Aquaponik gelesen. "Wir wollten nachhaltige und lokale Lebensmittel in der Stadt produzieren", erzählt der Gärtner Gregor Hoffmann. "Und zwar in Wien und für Wien."

Verkauf nur in Wien

Die Produkte werden daher – mit der Ausnahme eines Greißlers im Raum Gänserndorf – nur nach Wien geliefert. Ein Drittel landet dabei in der Gastronomie, ein weiteres Drittel wird in Delikatessenmärkten vertrieben. Den Rest verkaufen die Unternehmer direkt ab Hof in der Donaustadt.

Rund 12.000 Barsche und Welse leben bei Blün in den Becken. Während sich die Barsche für neun Monate in hellen, großen Becken tummeln, sind Welse, die dunkle und ruhige Gewässer bevorzugen, bereits nach sieben Monaten schlachtreif.

Bevor Zehetbauer den Fischraum betritt, desinfiziert er sich die Hände. Die Zucht ist ein sensibles Ökosystem, erklärt der gelernte Rasenfachmann und Betriebswirt. Das Wasser, das "Badewannen-qualität" habe, werde daher 24 Stunden am Tag mittels Sensoren überwacht.

Zutrauliche Barsche

Zehetbauer bleibt vor dem "Jugendbecken" stehen, in dem hunderte noch recht kleine Barsche im Kreis schwimmen. Erst als er seinen Finger ins Wasser hält, unterbrechen die Tiere die Schwimmrichtung und bewegen sich auf den Eindringling zu. "Barsche sind sehr zutraulich", erklärt Zehetbauer das Verhalten der Fische. "Sie denken, sie werden gefüttert."

Die Tomatenpflanzen tragen von Ende März bis November Früchte.
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Ortswechsel in den Nebenraum. Das Blubbern ist nicht mehr zu hören, auch der leichte Fischgeruch hat sich verflüchtigt. Dafür ist es schwül und warm. Auf 400 Quadratmetern reihen sich Gemüsepflanzen, die mehrere Meter in die Höhe ragen: Tomaten, Paprikas, Chilis, Gurken und Melanzani.

Anders als in heimischen Gärten tragen die meisten Pflanzen in dem Glashaus von März bis November Früchte. Ein Grund dafür ist die Nahrung, mit der das Gemüse gedüngt wird: Das Fischwasser im Nebenraum wird stündlich gefiltert, die Exkremente landen dabei als Dünger bei den Pflanzen.

Kein Pflanzenschutzmittel notwendig

"Wir ernten ungefähr zehn Tonnen Gemüse pro Jahr", sagt Zehetbauer, pflückt eine Cherry-Tomate und steckt sie in den Mund. Die Züchter kommen ohne Pflanzenschutzmittel aus, das Gemüse kann direkt von der Pflanze gegessen werden. Auch bei der Befruchtung hat sich Blün für eine natürliche Methode entschieden: Zwischen den Gemüsepflanzen tummeln sich hunderte Hummeln, die die Blüten befruchten. "Hummeln sind viel treuer als Bienen", erklärt Zehetbauer. Bienen würden das Glashaus sofort verlassen, wenn es in der Nähe eine Blumenwiese gäbe.

Auf 400 Quadratmetern baut Blün Gemüse an.
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Noch sehen die Unternehmer die Aquaponik-Anlage als "großes Pilotprojekt". Derzeit landen rund zwölf Tonnen Fisch pro Jahr in dem sterilen, weißen Schlachtcontainer: "Man sagt, ab hundert Tonnen wird es wirtschaftlich", sagt Gärtner Hoffmann. Auch daher gehen die vier Unternehmer nach wie vor ihren ursprünglichen Jobs nach.

Selbstversorgungsgrad liegt bei sechs Prozent

Die Neo-Fischzüchter hoffen dennoch auf ein großes Potenzial ihres Unternehmens: "Es gibt noch kaum heimischen Fisch", meint Hoffmann. Tatsächlich liegt der Selbstversorgungsgrad bei Fisch laut Statistik Austria bei sechs Prozent, 73.000 Tonnen Fisch werde jährlich nach Österreich importiert.

Ein guter Grund für Blün, die Fischzucht in den kommenden Jahren auszubauen. Auch weitere Fischsorten wären möglich, sagt Zehetbauer. Andere Pläne, wie den Anbau von Kräutern, haben die Gründer bereits in der Pilotphase verworfen: "Kräuter brauchen viel zu viel Fürsorge für wenig Ertrag." (Nora Laufer, 21.7.2018)