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Zuletzt ist es bei Fiat Chrysler bergauf gegangen – nicht zuletzt dank der Marke Jeep, deren bisheriger Chef Mike Manley (im Bild) nun vorzeitig die Nachfolge des erkrankten Konzernchefs Sergio Marchionne antritt.

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Überraschend früh ist bei Fiat Chrysler eine Epoche zu Ende gegangen. Sergio Marchionne, langjähriger Chef des US-italienischen Autoerzeugers, muss aus gesundheitlichen Gründen sein Amt vorzeitig übergeben. Der Zustand des 66-Jährigen habe sich deutlich verschlechtert, teilte Fiat mit. Weitere Details zur Erkrankung gab das Unternehmen nicht bekannt, Marchionne soll sich seit drei Wochen im irreversiblen Koma in einer Zürcher Klinik befinden, einige Medien spekulierten über einen angeblichen Lungentumor.

Sergio Marchionne soll sich in kritischem Zustand befinden.
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Nun muss Mike Manley, bisher Chef der US-Marke Jeep, frühzeitig das Steuer des gesamten Konzerns übernehmen, plangemäß hätte Marchionne erst im April 2019 die Leitung von Fiat Chrysler Automobile (FCA) übergeben sollen. Manley muss sich zahlreichen Herausforderungen stellen, zumal sich aller Dementis zum Trotz Verkaufsgerüchte um den Autokonzern ranken. Seit Monaten treiben entsprechende Spekulationen den Aktienkurs nach oben, es stehen Kursgewinne von mehr als 50 Prozent innerhalb eines Jahres zu Buche.

Interesse von Hyundai

Angeblich will der koreanische Hyundai-Konzern die Gruppe übernehmen. Paul Singer, Chef des Hedgefonds Elliott, der bei Hyundai engagiert ist, soll Interesse haben. Kürzlich hat sich Elliott in Italien auch bei Telecom Italia und beim AC Mailand eingekauft. Die Komponententochter Magneti Marelli soll wie zuvor Ferrari und der Baumaschinenkonzern CNH abgespaltet und separat an der Börse notiert werden.

Fiat-Großaktionär Exor, die Holding der Eigentümerfamilien Agnelli und Elkann, soll bereit sein, Anteile abzugeben. "Nach meiner Ansicht wollen sie verkaufen, aber womöglich eine kleinere Beteiligung behalten. Exor ist nicht bereit, die notwendigen Investitionen zu finanzieren", meint Giuseppe Berta, FCA-Experte und Professor an der Mailänder Eliteuniversität Bocconi. Der Autoerzeuger brauche einen Partner, um technische Herausforderungen wie Elektroantriebe oder autonomes Fahren zu meistern.

Erschwerte Partnersuche

Die starke US-Basis des Konzerns mit den Marken Jeep und Ram erschwert jedoch die Partnersuche. Denn US-Präsident Donald Trump dürfte weder eine Übernahme durch ein koreanisches oder gar durch ein chinesisches Unternehmen gutheißen.

Der Anfang Juni beim Capital Markets Day präsentierte Mehrjahresplan von Fiat gilt als wenig realistisch. Neben hohen Absatz- und Gewinnsteigerungen sollen bis 2022 etwa 45 Milliarden Euro in neue Modelle investiert werden. Mit Alfa Romeo / Maserati sowie Jeep/Ram sollen zwei globale Premiumanbieter aufgebaut werden, Fiat und Chrysler zu lokalen Herstellern schrumpfen.

Premiumautos aus Italien

In Italien sollen künftig nur noch Premiumfahrzeuge gebaut werden. Dieser Strategie droht allerdings das Scheitern: Denn Hoffnungsträger Alfa Giulia läuft kurz nach Produktionsbeginn nicht besonders. Die Ziele, die Maserati-Verkaufszahlen bis 2022 auf 100.000 Stück zu verdoppeln und jene von Alfa um 135 Prozent auf 400.000 zu steigern, erscheinen Berta unrealistisch. Er befürchtet, dass die Fertigung in Italien – nicht zuletzt wegen des Protektionismus in den USA – sinken werde. "Die Gruppe bleibt deutlich unter den Zielwerten", meint Berta. "Bei FCA zählt die Marke Fiat nicht mehr. In der aktuellen Gestalt sehe ich keine Zukunft."

Kritik an Marchionne ist jedoch nicht angebracht, schließlich hatte er Fiat Mitte 2004 am Rande der Insolvenz übernommen und nach etlichen Verlustjahren in die Gewinnzone zurückgeführt – im Vorjahr wies der Konzern 3,5 Milliarden Euro Überschuss aus. 2009 stieg Fiat groß bei Chrysler ein, im Jänner 2014 wurden beide Unternehmen zu Fiat Chrysler zusammengeführt. Im Oktober debütierte die FAC-Aktie an der Wall Street, im Herbst 2015 folgte die ausgegliederte Tochter Ferrari. "Marchionne war der beste Chef, den man sich wünschen konnte", streut ihm Fiat-Präsident John Elkann zum Abgang Rosen. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, Alexander Hahn, 22.7.2018)