Viel Verschwommenes aus der Vergangenheit muss aufgeklärt werden: Peter Hochegger (im Vordergrund) und Karl-Heinz Grasser beim Buwog-Prozess in Wien. Das Verfahren wird auch von der "Tickeria" protokolliert.

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Am 45. Tag des Buwog-Prozesses war sie plötzlich wieder da, die Diskussion um die Rolle der Medien. Im Zentrum der Anwaltskritik steht aktuell die Berichterstattung aus dem Gerichtssaal – die Liveticker. Diese Diskussion ist notwendig und überfällig, denn seit einigen Jahren hält die "Tickeria" Einzug in die Gerichtssäle, alle großen Medien berichten mehr oder weniger häufig in Echtzeit, teilweise sind die Ticker angereichert um Dateien und Bildmaterial. Aus rechtlicher Sicht ist die Abgrenzung zwischen "Volksöffentlichkeit" und "Massenöffentlichkeit" das Thema, wie dies Anwalt Oliver Plöckinger kürzlich öffentlich erörterte.

Vordigitales Zeitalter

Wie ist aus Medienperspektive mit dem Phänomen der Ticker umzugehen? Grundsätzlich ist (Medien-)Öffentlichkeit für ein Verfahren wünschenswert, denn zweifellos können Medien ihrem Informationsauftrag damit gerecht werden. Wichtig sind dabei Objektivität und die Wahrung von Rechten der Angeklagten. So begründet sich schließlich das existierende Verbot von Bild- und Tonaufnahmen aus dem vordigitalen Zeitalter.

Problematisch werden Ticker, wenn sie zu einem "Wortprotokoll" der Verhandlung verkommen, dann höhlen sie das Gesetz aus, und gelegentlich geschieht das leider. Auch wenn sie inhaltliche Fehler aufweisen (das kommt aufgrund der Unmittelbarkeit zwangsläufig häufiger vor als in der Nachberichterstattung) oder wenn sie den Eventcharakter von Prozessen befeuern (sind Pausenreime wirklich nötig?), darf man die Ticker als Tool kritisch hinterfragen. In solch einem Fall würden viele Angeklagte ohne zu zögern Bild- und Tonaufnahmen gern in Kauf nehmen, könnten sie die Ticker dadurch verhindern.

Sitzungspolizei

Die Ticker hängen durch die – in diesem Punkt überholte – Strafprozessordnung im luftleeren Raum, daher steuern viele Richter im Rahmen ihrer Vorsitzführung beziehungsweise der "Sitzungspolizei" den Umgang damit. So geschehen etwa beim Identitären-Prozess, wo ein Störsender die Signale von Mobiltelefonen kappt. Die Frage der Berichterstattung von Prozessen ist von demokratiepolitischem Interesse, daher gehört sie auch sachlich auf nationaler Ebene diskutiert und sollte nicht im Einzelfall entschieden werden.

Sind Ticker ein geeignetes Instrument der Prozessberichterstattung und wollen wir sie in unseren Gerichtssälen haben? Es spricht einiges dafür, aber der Umgang damit sollte geklärt werden. Das könnte auch die Diskussion eröffnen, ob ein Verbot von Bild- und Tonaufnahmen überhaupt noch zeitgemäß ist. (Martin Jenewein, 23.7.2018)