Auf der Tagesordnung war das Stichwort nicht zu finden, und auch das Abschlusskommuniqué erwähnte den Brexit mit keinem Wort. Und doch stand Großbritanniens geplanter EU-Austritt am Mittwoch im Mittelpunkt der britisch-irischen Konsultationen in London. Der von der britischen Regierung neuerdings ins Spiel gebrachte "Chaos-Brexit" hätte "grundlegende negative Folgen für Irland und das Vereinigte Königreich", mahnte der irische Außenminister Simon Coveney. Alle Beteiligten seien in der Pflicht, eine Lösung zu finden.

Das Treffen Coveneys sowie seines Ministerkollegen Charles Flanagan (Inneres) mit der Nordirland-Ministerin Karen Bradley und Vizepremier David Lidington war hauptsächlich anstehenden bilateralen Problemen sowie der Regionalregierung Nordirlands gewidmet. Solche Konsultationen waren im heuer 20 Jahre alten Karfreitagsabkommen vorgesehen – sie fanden aber schon seit 2007 nicht mehr statt.

Damals, vor elf Jahren, formierte sich erstmals eine dauerhafte Allparteienregierung für die britische Provinz, in der die größte protestantische Unionistenpartei DUP und die größte katholische Republikanerbewegung Sinn Féin (SF) kooperierten. Vor eineinhalb Jahren aber verließ SF die Belfaster Regionalregierung wegen eines Subventionsskandals, in den die damalige Ministerpräsidentin Arlene Foster verwickelt ist. Seither gibt es kein funktionierendes Parlament und keine Exekutive in Belfast; die wichtigsten Entscheidungen werden in London getroffen.

Einflussreiche Unionisten

Das scheint Fosters DUP kaum zu stören, im Gegenteil. Denn anders als die irischen Nationalisten genießt die DUP im Unterhaus gewaltigen Einfluss. Während die sieben SF-Abgeordneten traditionell das Londoner Parlament boykottieren, stützen die neun DUP-Abgeordneten Mays Minderheitsregierung bei wichtigen Abstimmungen.

Dazu gehört auch der Brexit, den die DUP als einzige größere Partei Nordirlands befürwortete. Beim Referendum 2016 entschieden sich die Nordiren mit 56 zu 44 Prozent für den Verbleib. Die Interessen dieser Bevölkerungsmehrheit werden nun in Belfast überhaupt nicht und im Unterhaus lediglich durch die unabhängige Unionistin Sylvia Hermon vertreten.

Ihre Quasi-Monopolstellung scheint die DUP dazu nutzen zu wollen, Nordirland wieder enger an London zu binden. Politisch fühlen sich die Vertreter der tiefkonservativen Protestanten in der Gesellschaft der nationalistischen Tory-Rechten am wohlsten, befürworten also den "harten" Brexit. Weil das eine wesentliche Errungenschaft des Friedensprozesses, nämlich die praktisch offene Grenze zwischen Nordirland und der Republik, zunichtemachen würde, haben London, Dublin und Brüssel die Fortführung der bisherigen Politik versprochen.

Dem trägt auch Mays Weißbuch Rechnung, indem es den Verbleib Großbritanniens in einer Freihandelszone für Güter unter EU-Regeln vorschlägt. Das würde das Problem Nordirland entschärfen. Allerdings zweifelt Brüssel daran, dass sich Güter und Dienstleistungen sinnvoll voneinander trennen lassen; den Tory-Hardlinern gehen schon die bisherigen Zugeständnisse viel zu weit.

Unionisten raten Irland zu EU-Austritt

Die Briten hätten ja bisher "vor allem mit sich selbst verhandelt", kritisierte Coveney, der in der Regierung von Premier Leo Varadkar als Großbritannien-kritisch gilt. Das Königreich könne sich "einen Chaos-Brexit nicht leisten", sagte der Außenminister – ohne auszuführen, ob er das im finanziellen oder politischen Sinn meinte. Sein Land sei bereit, notfalls den Austrittstermin von Ende März zu verschieben, "wenn das zu einer vernünftigen Vereinbarung beiträgt".

Irland droht ein schwerer wirtschaftlicher Einbruch, wenn die Briten tatsächlich einen Chaos-Brexit ohne Anschlussvereinbarung durchsetzen. Weite Teile des Handels der Insel mit dem Kontinent wird bisher über britische Häfen abgewickelt. Unionisten-Hardliner wie der Belfaster Ex-Premier David Trimble raten deshalb Dublin dazu, doch gemeinsam mit dem einstigen Kolonialherrn aus der EU auszutreten. (Sebastian Borger aus London, 25.7.2018)