Einigermaßen überraschend hat der österreichische Netzbetreiber A1 mitten im Sommer ein Smartphone mit eigenem Branding angekündigt. Das A1 Smart N9 soll das Geräteportfolio am unteren Ende erweitern. Man lockt mit "kostenloser" Beigabe, auch zu den kleineren Vertragstarifen und einem Einzelverkaufspreis von rund 130 Euro.

Ein Preisbereich, in dem es mittlerweile einige Konkurrenz geht. Dort scharen sich Produkte verschiedener kleiner Hersteller aus China, Geräte von Wiko, Alcatel, Gigaset, Nokia oder auch aus Xiaomis Redmi-Reihe. Der WebStandard hat den Neuling unter die Lupe genommen.

Markenfertigung von TCL

Einleitend muss gesagt werden, dass A1 das Handy natürlich nicht selbst gebaut hat. Es kommt aus den Werken von TCL, das etwa auch Anfertigungen unter den Marken Blackberry und Alcatel produziert. Der deutsche Provider Vodafone hat bereits im Juni ein Vodafone Smart N9 eingeführt, das abseits von der Farbgebung identisch mit dem A1-Smartphone ist. Dennoch heißt es von A1, dass eigene Experten an der Entwicklung beteiligt waren.

Foto: derStandard.at/Pichler

Tut wie Alu, ist aber keins

Die exakte Genese des Telefons ist freilich nebensächlicher Natur. Es zählt, was man für seine Gegenleistung in Form von Vertragsentgelt oder eben 130 Euro erhält. Und das ist ein Handy, dessen Hardware komplett in Kunststoff gehüllt ist. Rückseite und Rahmen mögen auf den offiziellen Renderings wie Aluminium aussehen, sind es aber nicht. Verglast ist freilich die Vorderseite.

Sowohl Front als auch Rückseite zeigen sich recht anfällig für Fingerabdrücke. Dank glatter Oberfläche und Beschichtung glänzt das Handy hinten fast, als wäre auch dort Glas angebracht. Die Idee ist offensichtlich, so etwas wie "Premiumlook" zu erzeugen. Das gelingt aufgrund der schnellen Verschmutzung nicht all zu gut. Zudem ist das Plastik anfällig für Kratzer. Womit sich auch die beiliegende Silikonhülle erklären lässt.

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Brauchbares Display

Davon abgesehen ist die Verarbeitung gut. Die Tasten des Handys "wobbeln" leicht, was sich in dieser Preisklasse aber verschmerzen lässt. Es gibt keine problematischen Spaltmaße. Die Vorderseite gefällt designtechnisch. Die Ränder fallen relativ schmal aus, und das Telefon lässt sich zumindest auf den ersten Blick mit deutlich teureren Modellen verwechseln. In der Hand liegt das Smart N9 gut. Die Maße von 147,1 x 68,8 x 8,7 Millimeter sind einigermaßen kompakt, das Gewicht liegt bei 145 Gramm.

Dem Bildschirm wird eine Diagonale von 5,5 Zoll ausgewiesen. Gehalten ist er im fast schon zum Standard gewordenen 18:9-Formfaktor. Die Auflösung fällt mit 1.440 x 720 Pixel eher mau aus. Der Unterschied zu 1080p, die oft auch in günstigeren Handys gegeben sind, ist mit freiem Auge zu erkennen. Farbe und Kontrast liefert das LC-Display in ordentlicher Qualität. Die Helligkeit ist für ein billiges Gerät sehr okay, kann aber freilich mit Konkurrenten aus der oberen Mittelklasse oder gar dem Highend-Segment nicht mithalten.

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Unter der Haube steckt ein Prozessor von Mediatek, genauer gesagt der MT6739, den der taiwanische Konzern vergangenen September vorgestellt hat. Es handelt sich um eine CPU mit vier Cortex-A53-Kernen, die in der gegebenen Ausführung maximal auf 1,3 GHz takten können. Zwei GB Arbeitsspeicher wurden dem Handy spendiert. Der Onboardspeicher kommt auf 16 GB, via microSD-Karte lassen sich weitere 32 GB ergänzen.

Kaum Leistungsreserven

Gleich vorweg: Dieses Handy ist in keiner Weise für irgendjemanden gedacht, der vorhat, darauf aufwendige Games zu spielen oder Apps mit anspruchsvoller Grafik auszuführen. Nicht nur der Preis, auch die Hardwareausstattung sollte das klarmachen. Und die durchgeführten Benchmarks (Antutu, 3DMark) belegen es klar. Alle dabei dargestellten 3D-Szenen liefen ab wie eine Diashow.

Die Grenze des Machbaren ist ungefähr bei "Pokémon Go" erreicht. Das Game ruckelt gelegentlich, läuft aber noch flüssig genug, um vernünftig gespielt zu werden. Der Augmented-Reality-Modus des Spiels, bei dem die Monster über das Kamerabild gelegt werden, verweigerte sich übrigens, obwohl jedenfalls am Spezifikationszettel alle notwendigen Sensoren vorhanden sind. Die GPS-Ortung während des Spielens klappte gut.

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Die geringen Leistungsreserven werden auch an anderer Stelle klar. Bei der Einblendungen mancher Werbungen oder anderer komplexerer Elemente im Browser kommt es ebenso zu Hängern wie bei intensiverem Multitasking. Mikroruckler sind auch bei der Navigation immer wieder zu merken.

Android 8.1, Update unklar

Vorinstalliert ist übrigens Android in der derzeit noch aktuellsten Fassung 8.1 "Oreo". Wie angekündigt gibt es kaum Anpassungen. Vorinstalliert ist eine Selfservice-App von A1. Eine wohl von Mediatek kreierte Eigenlösung ist zudem die Kamera-App. Puristen dürften ihre Freude haben.

Unklar ist allerdings die Zukunft des Smart N9 hinsichtlich künftiger Updates. Zur Einführung erklärte A1, dass man ein Update auf Android "Pie" liefern wolle, aber noch nicht sagen könne, ob das überhaupt möglich ist. Gewissheit solle der (zum Testzeitpunkt noch nicht verfügbare) finale Code.

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"Vorn dabei" will man auch bei Sicherheitsupdates sein, aber auch hier wollte man kein konkretes Versprechen abgeben. Das seit 23. Juli bei A1 erhältliche Smartphone läuft aktuell mit dem Sicherheitspatchlevel von Anfang Juni.

Mit NFC, ohne ac-WLAN

Entsperren lässt sich das Handy via Code oder Fingerabdruck, auf einen Gesichtserkennungsmechanismus über die Frontkamera hat man verzichtet. Der Fingerprintscanner arbeitet zuverlässig, allerdings etwas behäbig.

Bei der weiteren Grundausstattung zeigt sich das Handy nicht ganz zeitgemäß. WLAN nach 802.11n wird unterstützt, der ac-Standard jedoch nicht. Der Bluetooth-Support reicht nur bis zur Version 4.0. NFC und FM-Radioempfang sind dabei. Verkabelte Datenübertragung und das Aufladen des Akkus werden über einen microUSB-Port (USB 2.0) erledigt.

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Solide Kamera

Der Sparstift angesetzt wurde auch bei der Kamera. Auf der Rückseite sitzt ein 13-MP-Sensor mit einfachem Autofokus und LED-Blitz. Eine Dualkamera gibt es nicht, wobei im Zweifel ein gutes Fotomodul besser ist als eine Kombination aus zwei schlechten.

Die gelieferte Fotoqualität ist, einmal mehr gemessen am Preis, ganz passabel. Farben werden im Sonnenlicht kräftig abgebildet, verbleichen aber unter Kunstlicht spürbar. Die Fokussierung dauert oft einen kurzen Moment, aber nicht so lange, dass es frustrierend wird. Scharfe Fotos von schneller bewegten Motiven zu machen ist allerdings unmöglich. Erstaunlich gut zeigt sich die Kamera bei Nahaufnahmen.

Wie praktisch alle Kameras von Budget-Smartphones hat sie allerdings keine besonders große dynamische Bandbreite, was man etwa gut an einem "ausgeweißten" Himmel im Hintergrund dunkler Motive erkennt. Hier kann man mit dem HDR-Modus nachhelfen, der sich aber nur manuell einschalten lässt und eine deutliche Verzögerung zwischen Druck auf den Aufnahmebutton und der Erzeugung des Fotos bewirkt.

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Übliche Defizite, grottige Videos

Sieht man die Bilder auf einem kleineren Display an, könnte man von den Ergebnissen für ein Billighandy fast beeindruckt sein. Bei näherer Ansicht werden die Schwächen aber deutlich. Kleinere Details – etwa Blätter im Hintergrund oder die raue Textur von Mauern – werden nur sehr unzureichend erfasst. In den äußeren Bereichen der Aufnahmen ist eine deutliche Tendenz zur Unschärfe zu erkennen. Das gilt auch für die Frontkamera, die immerhin einen eigenen Blitz als Extra mitbringt.

Bei abendlichen Bedingungen und in der Nacht sind die Grenzen des Fotochips offensichtlich. Der Fokus wird spürbar träger und Bilder tendenziell unscharf. Dass das Bildrauschen relativ gering ausfällt, liegt vor allem daran, dass es das Post-Processing radikal entfernt. Gleichzeitig verschwinden allerdings auch noch viel mehr Bilddetails.

Die Videoqualitäten des Handys (maximal 1080p bei 30 Bildern pro Sekunde) fallen ausgesprochen bescheiden aus. Bewegtbildaufnahmen geraten standardmäßig zu einem bröseligen Desaster. Der nervöse Autofokus vergrößert das Elend. Aufgenommener Sound klingt blechern und undeutlich.

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Mieser Lautsprecher, ordentliche Sprachqualität

Die akustische Misere setzt auch der Lautsprecher des Smart N9 fort. Die Maximallautstärke ist zwar ausreichend, doch schon vorher weiß man, dass man Musik lieber über einen eigenen Lautsprecher abspielen sollte. Die Wiedergabe über den 3,5-mm-Klinkenstecker klingt gut, wenn man eigene Kopfhörer verwendet. Jene im Lieferumfang entsprechen in allen Belangen ungefähr den Gratisohrhörern, die auf Langstreckenflügen oft ausgeteilt werden.

Positives gibt es über die Sprachqualität zu berichten. Das Gegenüber kommt am Smart N9 in guter Lautstärke, wenn auch leicht schwammig an. Die Verständlichkeit bleibt gewahrt. Man selbst ist klar und deutlich zu hören.

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Gute Akkulaufzeit

Ordentlich präsentiert sich das Smart N9 in Belangen der Akkulaufzeit. Die Nennkapazität beträgt 2.900 mAh, was für diese Größe durchschnittlich ist. Allerdings kommen der sparsame Prozessor und die niedrige Bildschirmauflösung der Laufzeit zugute. Auch wenn man das Handy ausgiebiger verwendet, kommt man zumindest mit ein paar Reserven über den Arbeitstag.

Schnellaufladung wird allerdings nicht unterstützt, dementsprechend liefert das beigelegte Ladegerät auch nur eine Stromstärke von einem Ampere. Das Handy von 50 auf 100 Prozent zu laden dauerte im Test etwa zwei Stunden.

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Fazit

Das Smart N9 von A1 richtet sich an Nutzer, die ihr Handy vor allem für "Basisaufgaben" wie Webbrowsen und Messenger benötigen und dafür auch nur wenig Geld ausgeben wollen. Wer seinem Handy etwas mehr zumuten will, ohne sich mit dem niedrigen Leistungslimit der Hardware ärgern zu müssen, sollte bereit sein, 50 bis 70 Euro mehr zu investieren.

Den grundlegenden Aufgaben der digitalen Kommunikation ist das Smart N9 gewachsen und bringt dabei auch eine für Schnappschüsse brauchbare Kamera mit. Allerdings gibt es in diesem Preisbereich Alternativen, an die man angesichts der unklaren Update-Politik von A1 denken kann, wenn man das Handy nicht gerade als Beigabe zum Vertrag erhält. Zu erwähnen wären etwa das Nokia 3 (2018), das Nokia 5 aus dem Vorjahr oder das Xiaomi Redmi 5, die beide in der gleichen Preisregion liegen. (Georg Pichler, 08.08.2018)

Update, 19:20 Uhr: A1 hat darauf hingewiesen, dass der Bluetooth-Lautsprecher "Rockbox" nur Presse-Samples des Geräts beiliegt, nicht aber den Geräten, die als Vertragsgeräte oder im Shopverkauf erworben werden. Der Text wurde entsprechend angepasst.

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Gemischte Lichtsituation
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