Daniel Kampa wurde 1970 in Luxemburg als Kind polnischer Eltern geboren. Im Herbst erscheinen die ersten Bücher des von ihm gegründeten Kampa-Verlags.

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Früher, sagte Daniel Kampa unlängst in einem Interview, sei es schwierig gewesen, mit guten Büchern Geld zu verdienen. Heute, so der 47-Jährige, sei es sogar mit schlechten nicht leicht. Der in Deutschland, Luxemburg und Frankreich aufgewachsene Kampa muss es wissen. Schon im Alter von 16 schrieb er dem Diogenes-Verlag einen entrüsteten Brief, in dem er die Covergestaltung der Bücher kritisierte. Statt der Tomi-Ungerer-Zeichnungen, die Kampa liebte, setzte man bei Diogenes plötzlich auf jene vierfarbigen Abbildungen von Gemälden, die bis heute die Cover des Zürcher Verlages zieren.

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Verlage riskieren immer weniger, der Mainstream dominiert die Programme, findet der Verleger Daniel Kampa.
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Diogenes schickte dem entrüsteten Jungleser ein Bücherpaket und eine Einladung in die Schweiz, wo Kampa anschließend 20 Jahre bei Diogenes arbeitete – zuletzt als Mitglied der Geschäftsführung. 2013 wechselte der Mann mit luxemburgischen Pass und polnischer Muttersprache als Verleger zum Hamburger Verlag Hoffmann und Campe, der unter seiner Leitung 2014 einen Rekordumsatz verbuchte und 2016 mit acht Top-Ten-Bestsellern eines der erfolgreichsten Jahre seiner Geschichte feierte.

Als 2017 ruchbar wurde, dass Kampa einen eigenen Verlag gründet, folgte der nächste Paukenschlag. Dies auch, weil der nunmehrige Verlagsbesitzer die Edition des Gesamtwerkes des früheren Diogenes-Autors Georges Simenon ankündigte. Dass der Kampa-Verlag mehr als nur eine Simenon-Plattform sein will, zeigt das nun vorliegende erste Verlagsprogramm mit drei Literaturtiteln sowie den Reihen "Kampa Salon" (Gespräche u. a. mit Susan Sontag, Jorge Luis Borges) und "Der kleine Gatsby" (mit schmaleren Büchern, etwa Simenons Brief an meine Mutter oder Ferdinand von Saars Novelle Leutnant Burda).

STANDARD: Zuerst das E-Book, dann Amazon, jetzt Leserschwund, der Buchmarkt scheint sich in einer Dauerkrise zu befinden?

Kampa: Dem Patienten Buch ging es immer schon schlecht, mit wechselnden Wehwehchen. Heute starren alle in ihr Smartphone oder sind Netflix-süchtig, statt zu lesen. Als sich vor hundert Jahren Léon Bloy bei seinem Verleger über den geringen Absatz seiner Bücher beschwerte, antwortete dieser: "Was wollen Sie, seit sich die Leute für das Fahrrad begeistern, haben sie keine Zeit mehr zum Lesen." Samuel Fischer formulierte 1926, dass das Buch zu den entbehrlichsten Gegenständen des täglichen Lebens gehöre, weil man jetzt Sport treibe, tanze, ins Kino gehe – aber eben nicht mehr lese. 1949 gab es in der Zeit eine Serie "Warum Bücherkrise?", als ob Deutschland nach dem Krieg keine anderen Probleme gehabt hätte. Es stimmt, dass die Absatzzahlen heute nicht schön sind und der Leserschwund bedenklich. Aber das totgesagte Buch wird – wie immer – überleben.

STANDARD: Überlebt es als Ware oder als Kulturgut?

Kampa: Ich bringe im Herbst einen Gesprächsband mit Peter Bichsel heraus, in dem er viel über das Schreiben und Lesen nachdenkt. Auf die Frage, ob heute weniger gelesen werde, antwortet Bichsel: "Nicht die Leser sind aus dem Buchmarkt ausgestiegen, sondern die Nichtleser. Die Bücher, die heute nicht mehr gekauft werden, sind die Bücher, die früher ungelesen in den Regalen herumstanden." Fakt ist, dass das Buch heute kein Statussymbol mehr ist, dafür gibt es jetzt die Oper oder das Golfspiel. Für Bichsel zählten Leser zu einer Minorität. Die größte Konkurrenz des Buches sind aber nicht andere Medien, sondern die fehlende Zeit. Und der Mangel an Stille, die man zum Lesen braucht.

STANDARD: Und der Buchhandel? Er steht ebenfalls unter Druck.

Kampa: Eine Buchhandlung ist und bleibt die beste Werbefläche für ein Buch. Auch die kommerziellste Buchhandlung ist immer noch eine Kulturinstitution. Das Buchhandelssterben in den letzten Jahren ist alarmierend. Jede Fläche, die verschwindet, ist ein gewaltiger Verlust. Wenn eine Buchhandlung schließt, ist es nicht so, dass die verbleibenden Buchhandlungen in der Stadt mehr Bücher verkaufen. Nein, der Umsatz fällt weg. Deshalb ist jede Initiative wichtig, die den Buchhandel fördert und unterstützt. Leseförderung bedeutet zwingend Buchhandelsförderung.

STANDARD: Mitten in die Krise hinein gründen Sie einen neuen Verlag. Das ist ein starkes Statement.

Kampa: Das soll auch nicht als literarischer Kamikaze verstanden werden. Ich mache den Verlag für mich – und weil ich nichts anderes kann als Bücher machen. Natürlich birgt so eine Gründung Risiken, wir müssen ja auch Bücher verkaufen und davon leben. Ich bin optimistisch. Ich will kleine Strukturen haben, damit wir uns auch Bücher erlauben können, die sich am Anfang vielleicht nur 1000 oder 2000 Mal, dafür aber längerfristig verkaufen. Longseller sind besser als Bestseller. Wobei auch wir Bestseller brauchen, um weniger erfolgreiche Bücher querzufinanzieren. Heute redet keiner mehr von 50.000 oder 100.000 Exemplaren, über 10.000 verkaufte Exemplare sind ein Erfolg. Die Auflagenzahlen gehen zurück, die Umsätze können nur durch Preiserhöhungen gehalten werden. Die Strukturen vieler Verlage werden sich in den nächsten Jahren verändern.

STANDARD: Liegt die Zukunft der Literatur also bei kleinen Verlagen?

Kampa: Große Verlagshäuser, die gewisse Apparate unterhalten müssen, Renditevorgaben haben und – ganz platt gesagt – auch die Geschäftsleitung und Firmenwagen finanzieren müssen, solche Verlage wagen immer weniger. Sie riskieren immer seltener, einen unbekannten Autor zu verlegen – oder etwas Spezielles, das nicht Mainstream ist. Viele Verlage gehen auf Nummer sicher und gehen zudem schlecht mit ihrem Fundus um, indem sie Autoren schnell fallenlassen, wenn sie sich nicht rentieren. Man merkt, dass sich immer mehr kleine Verlage um große, in Vergessenheit geratene Autoren kümmern.

Standard: Ihr Verlag hat einen starken Simenon-Schwerpunkt. Können Verlage ohne den Quotenbringer Krimi überleben?

Kampa: Ich glaube schon. Es gibt Verlage, die erfolgreich sind, obwohl sie keine Krimis machen. Schauen Sie sich den Mare-Verlag an, der wunderschöne Bücher macht. Oder Kein und Aber – die sind auch erfolgreich, ohne Krimis. Sie haben aber insofern recht, als dass man, wenn man einen Verlag nach bestimmten wirtschaftlichen Zielen aufzubauen gedenkt, um Krimis nicht herumkommt. Wichtig aber ist, dass man nicht gegen sich selbst arbeiten kann. Ich zum Beispiel lese gerne Krimis. Ich glaube nicht, dass ein Verleger, der Krimis nicht schätzt, damit erfolgreich sein kann. Man muss ein Händchen dafür haben – und eine Leidenschaft.

STANDARD: Sehen Sie Self-Publishing als Gefahr für Verlage?

Kampa: Überhaupt nicht. Es ist eine gute Lösung für diejenigen, die unbedingt ein Buch veröffentlichen wollen und es nicht bei einem Verlag unterbringen können. Es gibt auch Autoren, deren selbstveröffentlichte Bücher später in einem "richtigen" Verlag publiziert wurden. Viele Autoren, die im Self-Publishing veröffentlichen, träumen davon. Und es geht ihnen meistens nicht nur darum, ein gedrucktes Buch in den Händen zu halten. "To the happy few" war einigen Romanen von Stendhal als Motto vorangestellt. Dagegen hat Goethe gesagt, wer nicht eine Million Leser erreichen möchte, brauche erst gar nicht mit dem Schreiben anzufangen. Ich glaube, auch der literarischste Autor möchte, dass seine Bücher gelesen werden. Er möchte nicht nur schreiben, er möchte auch Leser haben, erst sie erwecken das Buch zum Leben. Ohne Leser ist ein Buch nur bedrucktes Papier. (Stefan Gmünder, 29.7.2018)