Monatshygieneartikel sind nicht überall auf der Welt eine Selbstverständlichkeit. Vier von fünf Frauen in Indien haben Schätzungen zufolge keinen Zugang zu Tampons und Binden.

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Neu-Delhi – Ein Jahr nach Einführung beschließt die indische Regierung nun die Besteuerung von Monatshygieneartikeln in der Höhe von zwölf Prozent wieder aufzuheben. Tausende Aktivisten und Aktivistinnen hatten sich monatelang gegen die "Tamponsteuer" starkgemacht und verzeichnen deren Abschaffung nun als großen Erfolg. Vor allem soll es armutsgefährdeten Mädchen und jungen Frauen erleichtern ihre Ausbildung reibungslos fortzusetzen.

In vielen Teilen der westlichen Welt mag es kaum vorstellbar sein, doch Tampons und Binden zählen nicht für jede Frau zur selbstverständlichen Grundausstattung. Schätzungen legen nahe, dass vier von fünf Frauen in Indien keinen Zugang zu besagten Hygieneprodukten hätten. Ein Produkt des täglichen Gebrauchs unter diesen Umständen mit einer verhältnismäßig hohen Steuer zu belasten sorgte demnach für großen Aufruhr in Teilen der indischen Bevölkerung. Zum Vergleich: Der Standardsatz der Güter- und Dienstleistungssteuer liegt in Indien zwischen 28 und 18 Prozent. Wichtige Produkte des täglichen Bedarfs werden mit fünf Prozent Steuer versehen.

Die Regierung reagierte nun auf die Proteste der AktivistInnen. Piyush Goyal, der amtierende Finanzminister Indiens, äußerte sich ebenfalls zu der Steuerbefreiung, wie der "Independent" kürzlich berichtete. Er wäre sich sicher, dass die Freude aller indischen Frauen über die Streichung groß ist. Trotzdem ist das Problem der sogenannten Period Poverty mit dem Steuererlass nicht aus der Welt geschaffen.

Denn: Obgleich Damenhygieneartikel durch den Steuererlass nun wieder als Produkte des täglichen Bedarfs anerkannt werden, bleibt doch ein gewisser finanzieller Aufwand. Und für viele Inderinnen stellt das die Ursache eines weitreichenden Problems dar.

Menstruation kann Armut begünstigen

Von Period Poverty ist dann die Rede, wenn der alleinige Umstand der monatlichen Menstruation Stigmatisierung hervorruft sowie ein Gesundheitsrisiko und eine Existenzbedrohung darstellt. Mädchen und Frauen, denen der Zugang zur Monatshygiene verwehrt bleibt, leben meist in Armut. Denn sie ist auch ein Grund, warum es schwierig ist, sich aus dieser Armut zu befreien: Wenn Mädchen keinen Zugang zu Hygieneartikel haben, bleiben sie Bildungseinrichtungen während der Periode oft fern.

Tatsächlich scheint die monatliche Blutung einer der Hauptgründe zu sein, warum junge Inderinnen nicht am Unterricht teilnehmen und ihre Ausbildung abbrechen. Ein zusätzliches Hindernis, während der Periode die Schule zu besuchen, kann der Mangel an Toilettenanlagen und fließendem Wasser in manchen Bildungseinrichtungen des Landes sein. In den ländlichen Gegenden Indiens ist die Situation der Mädchen oft weiter zugespitzt, wo der Zugang zu Tampons und Binden meist noch stärker eingeschränkt ist. Viele Frauen würden daher auf ungeeignete bis gesundheitsgefährdende Alternativen zurückgreifen. Das reiche von Lappen über Blätter bis hin zu Sägemehl und Asche.

Ein weitreichendes Problem betrifft uns alle

Doch Indien ist weltweit nicht das einzige Land, in dem die Monatshygiene keine Selbstverständlichkeit ist. Period Poverty erstreckt sich weit über ganz Südasien, wo mehr als ein Drittel der Schülerinnen während ihrer Periode eine Lehranstalt meiden, berichten die Organisationen Water Aid und Unicef.

Auch Staaten wie Großbritannien sind nicht ausgenommen. Mehrere junge Frauen schilderten dem BBC UK ihre Situation: Aus finanziellen Gründen hätte sie sich eine von ihnen jeden Monat während ihrer Periode mit einer Rolle Toilettenpapier ausgeholfen, um ohne Tampons oder andere Hygieneartikel auszukommen. Sie verpasste deshalb regelmäßig ein paar Tage Unterricht.

Wie Untersuchungen des Children Charity Plan International UK zeigen, sind immerhin zehn Prozent der jugendlichen Britinnen aus Niedrigverdienerhaushalten betroffen. Vor Jahren fanden bereits Proteste gegen die "Tamponsteuer" statt. Drei Parteien – die Labour Party, die Liberal Democrats und die Green Party – haben sich daraufhin im Juli 2017 dem Plan verschrieben, der Period Poverty ein Ende zu setzen, und sollen in diversen Aktionen tausende Binden und Tampons an bedürftige Britinnen verteilt haben (DER STANDARD berichtete). Im Moment beläuft sich diese Steuer auf fünf Prozent.

Steueroase Europa?

Frankreich senkte die "Tamponsteuer" im Dezember 2015 von 20 auf 5,5 Prozent. Im Vergleich dazu zählt Österreich zu den Spitzensteuerländern für Monatshygiene: Die Österreicherinnen bezahlen bisher noch 20 Prozent Aufschlag auf den alltäglichen Gesundheitsartikel. Damit fallen sowohl Tampons und Binden sowie Menstruationstassen unter dieselbe Umsatzsteuer wie Kleidung und Schuhe. Lebensmittel, notwendige Arzneimittel als auch homöopathische Mittel und Bücher werden in Österreich hingegen mit einer Steuer von zehn Prozent versehen.

Diskutiert hat man auch schon hierzulande über eine Senkung. Anfang 2016 ging ein Entschließungsantrag der damaligen Grünen Abgeordneten Aygül Berîvan Aslan im Nationalrat ein, der eine Steuerermäßigung für Monatshygieneartikel von zehn Prozent forderte. Begründung: "Die derzeitige Umsatzsteuerlogik führt zu einer Ungleichbehandlung: Zum einen sind Hygieneartikel im Alltag von Frauen genauso unverzichtbar wie andere steuerlich begünstigte Produkte. Zum anderen belastet naturgemäß die eingehobene Steuer ausschließlich Frauen", so die Argumentation im Antrag.

Bereits 2016 startete die Plattform "Erdbeerwoche" eine Unterschriftenaktion zur Senkung der Steuer.

Gebt ihnen ihre Würde zurück

"Wenn du kein Geld für Essen hast, hast du auch kein Geld zum Erhalt deiner Gesundheit", folgert Tina Leslie, die in Großbritannien im öffentlichen Gesundheitsbereich tätig ist. Vor zwei Jahren gründete sie die Organisation Freedom4Girls, die junge Kenianerinnen in Armutsverhältnissen bei der Monatshygiene unterstützen sollte. Mittlerweile erstreckt sich ihr Fokus allerdings auf die ganze Welt. Leslie erkannte das globale Ausmaß des Problems und begann schließlich auch mit betroffenen Frauen in Teilen Englands, Großbritannien, zu arbeiten. "Es sind die armen Arbeiterinnen, auf die wir abzielen", so Leslie in einem Gespräch mit der BBC.

Also startete sie die Verteilung von Menstruationstassen und wiederverwendbaren Einlagen auch in West Yorkshire. Damit will sie Period Poverty weltweit auf nachhaltige Weise bekämpfen. (Roxane Seckauer, 31.7.2018)