Die vier Fields-Laureaten 2018 (von links nach rechts): Caucher Birkar, Alessio Figalli, Peter Scholze und Akshay Venkatesh.
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Rio de Janeiro – Was dieser Tage in der akademischen Mathematik beforscht wird, gleicht in unserer vom Schulunterricht geprägen Vorstellung meist einem exotischen Zahlenland, in dem sich vermutlich nur die wenigsten von uns zurechtfinden würden.

Diese vier Wissenschafter fühlen sich dagegen in den mathematischen Pionierregionen mehr als zu Hause: Der Brite Caucher Birkar (Cambridge University), ursprünglich aus dem Iran, der Italiener Alessio Figalli (ETH Zürich), der Deutsche Peter Scholze (Universität Bonn) und Akshay Venkatesh (Stanford University), ein Australier mit indischen Wurzeln. Sie wurden am Mittwoch für ihre Leistungen in ihren jeweiligen mathematischen Fachgebieten mit der Fields-Medaille ausgezeichnet.

Fachgebiete

Peter Scholzes Forschungsschwerpunkt etwa ist die arithmetische Geometrie, die das Wechselspiel von Zahlentheorie und Geometrie untersucht. Zu seinen besonders gewürdigten Leistungen gehört die Erfindung der "perfektoiden Räume", mit denen Teilbarkeitseigenschaften von Zahlen in eine geometrische Sprache übersetzt werden.

Alessio Figalli wiederum wurde für seine Beiträge zur Theorie des optimalen Transports und deren Anwendung auf spezielle partielle Differentialgleichungen, metrische Geometrie und Wahrscheinlichkeit ausgezeichnet. Er hat unter anderem ein über 20 Jahre lang bestehendes Problem gelöst, das die sogenannte Monge-Ampère-Gleichung betrifft. Diese Differentialgleichung aus dem 19. Jahrhundert findet heute Anwendung in so unterschiedlichen Gebieten wie Stadtplanung, Bildgebung oder Meteorologie.

Caucher Birkar ist Kurde aus dem Westiran und beantragte 2001 in Großbritannien Asyl, wo er drei Jahre später an der University of Nottingham promovierte. Sein Spezialgebiet ist die birationale Äquivalenz, ein Teilgebiet der Algebraischen Geometrie. Akshay Venkatesh schließlich beschäftigt sich vor allem mit Zahlen- und Darstellungstheorie.

Kurzes Glück

Bei Birkar währte die Freude leider nur kurz: Der 40-Jährige wurde kurz nach der Preisverleihung offenbar Opfer eines Diebstahls – seine Medaille aus 14-karätigem Gold fehlt, wie die Organisatoren des Mathematikkongresses bestätigten.

Gesucht: Eine solche Goldmedaille ist nach der Zeremonie in Rekordzeit gestohlen worden.
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Dem brasilianischen Fernsehsender TV Globo zufolge hatte Birkar die Auszeichnung zusammen mit seiner Geldbörse und seinem Handy in eine Tasche gesteckt und diese im Tagungszentrum unbeaufsichtigt abgestellt. Die Tasche wurde demnach gestohlen und später zwar wiedergefunden, aber ohne die Medaille und die Geldbörse.

Anerkennung und Ansporn

Die alle vier Jahre von der Internationalen Mathematischen Union (IMU) verliehene "Medaille für herausragende Entdeckungen in der Mathematik" gilt weithin als inoffizieller "Nobelpreis für Mathematik". Traditionell wird die Entscheidung über die Preisträger zu Beginn des Weltkongresses der IMU verkündet, der heuer am 1. August in Rio de Janeiro begann und bis zum 9. August dauern wird.

Der Preis geht auf den kanadischen Mathematiker John Charles Fields zurück und wurde 1936 erstmals verliehen. Fields hielt vor seinem Tod im Jahr 1932 fest, dass die zwei bis vier Preisträger höchsten 40 Jahre alt sein dürften. Ansonsten ließ er dem jeweiligen Komitee weitgehend freie Hand. Wichtig war ihm als einziges Kriterium, dass die Ausgezeichneten sowohl für ihre bereits geleistete Arbeit als auch als Ansporn für zukünftige Entwicklungen geehrt werden.

Im Länderranking führen die USA und Frankreich, gefolgt von Russland und Großbritannien. In der über 80-jährigen Geschichte der Fields-Medaille ist mit der Iranerin Maryam Mirzakhani 2014 erst eine Frau ausgezeichnet worden. (tberg, 1.8.2018)