Helfer loben die Professionalität von Kongos Medizinern. Anders als im Juni (Bild) ist es diesmal aber schwer, Kranke zu erreichen.

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Die Wut trifft vor allem die Krankenschwestern. "Die gehören ins Gefängnis", schimpft der Bewohner der Stadt Beni über das medizinische Personal. Nur 30 Kilometer entfernt, im Dorf Mangina im Osten der Demokratischen Republik Kongo, ist Ebola ausgebrochen, wie vergangene Woche bekannt wurde, mittlerweile hat die Seuche auch Beni erreicht. "Und da streiken die", schäumt der junge Mann.

Der Kongo erlebt die zehnte Ebola-Epidemie seit 1976. Bisher haben die Regierungen die Seuche immer in den Griff bekommen. Die Weltgesundheitsorganisation und internationale Helfer lobten stets die Zusammenarbeit und die Professionalität der kongolesischen Ärzte. Dieses Mal wird der Kampf gegen Ebola für den Ostkongo aber eine besonders harte Probe – denn der Ausbruch findet in einer Konfliktregion statt, der Zugang für Helfer ist schwierig.

Auch Helferin unter den Toten

33 Menschen sollen bereits an Ebola gestorben sein, insgesamt 76 Verdachtsfälle melden die Behörden in Nord-Kivu und der Nachbarprovinz Ituri. Die Regierung hat Ärzte, Laboranten und Psychologen in die Region geschickt. Die Bevölkerung solle Vertrauen haben, fordert Gesundheitsminister Oly Ilunga Kalenga. Doch genau das ist schon vor langem zerbrochen. Im Ostkongo massakrieren seit Jahrzehnten dutzende Banden die Bevölkerung. Sie plündern, vergewaltigen und morden. Eine Million Menschen sind ständig auf der Flucht, das ist jeder sechste Einwohner.

Die Regierung im 2000 Kilometer entfernten Kinshasa scheint das wenig zu kümmern. Die Armee und die weltgrößte Friedensmission der Uno stehen bei Gewalttaten meist machtlos daneben. Manche im Ostkongo sind überzeugt, dass Offiziere mit den Milizen gemeinsame Sache machen, um des Geschäftes willen. Der Kongo beherbergt fast alle Bodenschätze, die Firmen weltweit brauchen. Dazu zählt zum Beispiel Kobalt. Es steckt in den Batterien von Elektroautos, der Zukunftshoffnung der westlichen Autoindustrie.

Das führt dazu, dass viele Menschen sich daran gewöhnt haben, jedes Gerücht zu glauben, sie geraten leicht in Panik. Das zeigt etwa die Reaktion des jungen Mannes aus Beni. Sicher, das Pflegepersonal in Nord-Kivu streikt tatsächlich, weil die Regierung seit Monaten keine Löhne bezahlt. Aber Helferinnen und Helfer in den Sanitätsstationen behandeln Schwerkranke natürlich trotzdem – unter den Ebola-Toten ist auch eine medizinische Angestellte.

Doch die Medizinerinnen und Mediziner riskieren noch mehr als bei einem "normalen" Ebola-Ausbruch. In der Region, wo die Krankheit nun ausgebrochen ist, wüten die Allied Democratic Forces (ADF). Die Miliz sickerte einst aus Uganda ein und schlachtet nun die Bevölkerung im Kongo mit Macheten ab. Aus diesem Grund zögern internationale Experten, in Beni zu helfen. Das war bei den vorherigen Epidemien anders. Als etwa im Mai das Fieber in der Provinz Équateur ausbrach, reisten sofort Ärzte mit Medizin und einem neuen Impfstoff an. Der Nordwesten des Kongo ist relativ friedlich. Vor einer Woche erklärte Minister Kalenga den Ausbruch dort für beendet.

Epidemie am Drehkreuz

Um die Gewalt im Ostkongo und das gestörte Verhältnis zu Kinshasa zu begreifen, muss man auf die Geschichte der Region blicken. Im Zeitraffer geht sie so: 1960 entlässt Belgien den Kongo unvorbereitet aus der Kolonialherrschaft. Nach Unruhen ergreift Mobutu Sese Seko die Macht. Gegen Ende seiner 32 Jahre langen Diktatur verüben im benachbarten Ruanda Fanatiker der Hutu-Ethnie 1994 einen Völkermord an den Tutsi. Danach fliehen viele Hutu in den Ostkongo. Darunter auch Milizen, die Ruanda erobern wollen. Die dortige Regierung, mittlerweile Tutsi-dominiert, marschiert in den Kongo ein, schmiedet ein Bündnis mit dem kongolesischen Rebellenchef Laurent-Désiré Kabila und stürzt Mobutu. Weil nun viele Nachbarstaaten die Chance wittern, Rohstoffe im Ostkongo für sich zu sichern, folgen dort fünf Jahre Krieg. Laurent Kabila wird 2001 ermordet. Sein Sohn Joseph folgt ihm und ist seither Präsident, Ende des Jahres muss er sich Wahlen stellen.

Gewalt und Chaos sind dem Ostkongo seither geblieben. Vom Rohstoffreichtum profitieren korrupte Politiker, Offiziere und zwielichtige Geschäftsleute. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt im Elend. Diese Armut trägt auch dazu bei, dass Ebola immer wieder zurückkehrt. Weil proteinreiches Essen teuer ist, jagen die Kongolesen Wildtiere im Tropenwald. Diese können das Virus übertragen. Das Fieber ist bisher meistens in abgelegenen Dörfern aufgetreten. Doch Beni, wo diesmal der Fokus liegt, hat 96.000 Einwohner und ist ein Drehkreuz für Geschäftsleute, Marktfrauen und Entwicklungshelfer. Eine Straße führt bis Uganda. (Judith Raupp aus Goma, 6.8.2018)