Einteilung von Menschen nach Rassen aus dem 19. Jahrhundert nach dem deutschen Naturforscher Karl Ernst von Baer. Die moderne Biologie hat sich längst von solchen Kategorisierungen verabschiedet – sie entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage.

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"Wir können nicht alle Immigranten aufnehmen, die kommen, wir müssen entscheiden, ob unsere Ethnie, unsere weiße Rasse, unsere Gesellschaft fortbestehen oder ausradiert werden sollen." Diesen Satz äußerte Attilio Fontana, Politiker der italienischen Lega Nord, im Wahlkampf um die Regionalpräsidentschaft für die Lombardei im Jänner 2018. Abgesehen von der offensichtlichen Menschenverachtung in dieser Aussage ist vor allem die Verwendung des Ausdrucks "weiße Rasse" bemerkenswert.

Fontana bedient sich hier eines Konzepts, das in der Biologie schon seit Jahrzehnten obsolet ist. Als wissenschaftlicher Begriff tauchte die Bezeichnung "Rasse" in Bezug auf Menschen das erste Mal 1749 in einem Werk des französischen Biologen Georges-Louis Leclerc de Buffon auf. Er benutzte ihn, um die Menschheit in verschiedene Gruppen einzuteilen.

Wertung inbegriffen

Seinem Beispiel folgten andere, im Allgemeinen Europäer, die bei ihrer Einteilung der Menschen in Rassen – wenig überraschend – jedes Mal feststellten, dass ihre eigene, also die "weiße Rasse", allen anderen überlegen sei. Bei der Verwendung des Rassenbegriffs ging es nämlich so gut wie nie um eine reine Beschreibung, sondern vor allem um eine Reihung, wie in diesem Zitat von Immanuel Kant (1775) deutlich wird: "In den heißen Ländern reift der Mensch in allen Stücken früher, erreicht aber nicht die Vollkommenheit der temperierten Zonen. Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der 'race' der Weißen. Die gelben Inder haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind tiefer, und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften."

Es war für die Biologen des 18. und 19. Jahrhunderts offensichtlich, das es "bessere" und "schlechtere" Menschenrassen gab, und ebenso offensichtlich standen die Europäer über allen anderen. Als äußeres Kennzeichen der Rasse verwendete man die Hautfarbe und andere rein körperliche Merkmale. Kant selbst distanzierte sich später zumindest teilweise von seinen Aussagen über die Einteilung der Menschen. Aber die neue "Rassentheorie" schritt voran. Immer mehr Menschenrassen wurden von den Biologen identifiziert, immer feiner wurde die Einteilung.

Widerspruch aus der Genetik

In Meyers Konversations-Lexikon aus dem Jahr 1908 kann man unter der Überschrift "Übersicht der Menschenrassen und Völkerschaften" detaillierte Beschreibungen lesen. Die "Westeuropäer oder Cevennenrasse" werden dort etwa so charakterisiert: "Mittlere Körpergröße (1,63–1,64 Meter). Hautfarbe weiß. Kopfform rund. Haar hellbraun oder schwarz, Augen hell- oder dunkelbraun. Gesicht rundlich." Zu unterscheiden sind davon die "Osteuropäer: Hautfarbe rosigweiß. Kopfform mäßig rund. Haar straff, blond, gelb oder flachsfarben. Augen blau oder grau. Nase häufig aufgerichtet. Reinste Vertreter: die Weißrussen." Für Europa kennt das Lexikon noch die Rassen der "Nordeuropäer" und der "Adriatiker" und führt global 29 Menschenrassen mit diversen Untergruppen auf.

In den nächsten Jahrzehnten (und vor allem durch die menschenverachtenden Auswüchse, die aus den Rassentheorien des Nationalsozialismus erwachsen sind) regte sich aber langsam Kritik am Begriff der "Rasse". Der britisch-amerikanische Ethnologe Ashley Montagu veröffentlichte 1942 sein Werk "Man's Most Dangerous Myth: The Fallacy of Race" und argumentierte darin, dass es keine genetische Grundlage für den Rassenbegriff gebe.

1950 folgte eine Erklärung der Unesco zur Rassenproblematik, in der ein Komitee von Anthropologen und Soziologen erklärte, dass es keine Belege für irgendwelche Unterschiede in Sachen Intelligenz, Charakter oder andere Eigenschaften bei den verschiedenen Menschengruppen gebe und ebenso wenig Belege dafür, dass eine "Rassenvermischung" irgendwelche negativen Auswirkungen hätte.

Unwissenschaftliche Kategorien

Mittlerweile ist in der Biologie längst klar, dass all die äußerlichen Unterschiede wie Haut- oder Haarfarben nur Anpassungen an unterschiedliche Klima- und Ernährungsbedingungen an unterschiedlichen Orten der Erde sind, aber keine irgendwie geartete fundamentale genetische Trennung zwischen Menschengruppen darstellen. Innerhalb konkreter menschlicher Populationsgruppen – zum Beispiel der Einwohner eines Landes – ist die genetische Variation um ein Vielfaches größer als beim Vergleich von Menschen, die nach ihrer Hautfarbe in unterschiedliche "Rassen" klassifiziert werden.

In der Biologie wird das Wort "Rasse" heute im Allgemeinen nur noch bei der Einteilung von gezüchteten Haus- und Nutztieren verwendet. Die moderne Genetik hat gezeigt, dass der Begriff der "Menschenrasse" keine naturwissenschaftliche Basis hat. Mit diesem wissenschaftlichen Irrtum ist genau das passiert, was im Idealfall mit allen Irrtümern dieser Art passieren sollte: Er wurde erkannt und korrigiert.

Und wer heute immer noch von "Menschenrassen" spricht, von "reinem Blut", das geschützt werden müsse, oder vor der "Vermischung von Rassen" warnt, der demonstriert damit nicht nur absolute Unwissenheit, was den aktuellen der Stand der Biologie angeht. Wer sich dieser Konzepte bedient, zeigt vor allem das, was immer schon hinter der Rassentheorie stand: Menschenverachtung und ein kaum verschleierter Rassismus. Und Attilio Fontana? Der hat die Wahl zum Regionalpräsidenten mit 20 Prozent Vorsprung gewonnen. (Florian Freistetter, 7.8.2018)