Zürich – In Zellen, die zu Tumorzellen entarten, finden sich zahlreiche Veränderungen. "Man könnte sagen, dass in Krebszellen sehr viel Sand im Getriebe ist", sagt André Kahles von der ETH Zürich. Diesen Sand im Getriebe zu charakterisieren hilft dabei, neue und bessere Ansatzpunkte für Therapien zu entwickelt.

Die meisten Analysen konzentrieren sich auf die DNA von Krebszellen, also auf die "Stammversion" der genetischen Information. Dabei wird untersucht, ob die Gene tumorspezifische Mutationen enthalten – und ob sie tumorspezifisch besonders aktiv oder inaktiv sind.

Die ETH-Wissenschafter gingen nun einen Schritt weiter und nahmen die RNA-Moleküle genauer unter die Lupe. Diese Moleküle sind eine Art Abschrift der DNA und dienen in der Zelle vor allem als Bauanleitung für Proteine. Bevor die RNA jedoch als Anleitung dient, wird sie verarbeitet: Dazu schneiden Enzyme bestimmte Abschnitte aus der RNA heraus und fügen die übrigen zusammen – ein Vorgang den Fachleute als "Spleißen" bezeichnen. Dabei können – je nach Abschnitten, die entfernt werden – unterschiedliche Versionen entstehen, auch "alternatives Spleißen" genannt.

Neue Andockstellen für die Immuntherapie

Kahles und Kollegen berichten nun im Fachblatt "Cancer Cell", dass bei vielen Krebsarten das alternative Spleißen im Tumor deutlich stärker auftritt als in den Zellen des gesunden Gewebes. Bei Lungen-Adenokarzinomen beträgt der Unterschied ganze 30 Prozent.

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschafter Daten zu den RNA-Molekülen von 8.700 Krebspatienten aus dem bisher größten genetischen Datensatz zur Krebsmedizin, dem "Cancer Genome Atlas". Dabei entdeckten sie auch mehrere zehntausend bisher nicht bekannte Varianten von alternativem Spleißen, die bei Krebspatienten immer wieder auftauchten.

Weil diese krebstypischen Varianten der RNA-Moleküle auch zu abgewandelten Bauanleitungen für Proteine führen, weisen diese Ergebnisse den Weg zu neuen Angriffspunkten für die Krebstherapie. Wollen Mediziner einem Tumor zum Beispiel durch eine gezielte Krebsimmuntherapie bekämpfen, aber das gesunde Gewebe unbehelligt lassen, braucht es eindeutige Erkennungsmerkmale für die entarteten Zellen. Dank der Studie seien nun deutlich mehr solcher möglicher Erkennungsmerkmale bekannt, betont die ETH. (APA, sda, red, 7.8.2018)