Wien – Die Opposition will in den kommenden Tagen entscheiden, ob sie im Zusammenhang mit der BVT-Affäre den Verfassungsgerichtshof anruft. SPÖ, Neos und Liste Pilz werfen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vor, dem Parlament Unterlagen über das Vorgehen seines Ressorts gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) vorzuenthalten. Die Entscheidung müsste "tunlichst binnen vier Wochen" fallen. Das Innenministerium hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Die Opposition kritisiert, dass das Innenministerium kaum Unterlagen über Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung der Hausdurchsuchung im BVT und an Privatadressen mehrerer Beamter am 28. Februar übermittelt habe. Akten des Ministerkabinetts liegen demnach ebenfalls nur "bruchstückhaft" vor, Korrespondenzen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Belastungszeugen an die Korruptionsstaatsanwaltschaft gar nicht. Ausständig seien auch die Protokolle der Disziplinarkommissionen über die (teilweise wieder aufgehobenen) Suspendierungen in der Affäre.

SPÖ, Neos und Liste Pilz, die den Ausschuss gemeinsam eingesetzt haben, prüfen nun den Gang zum Verfassungsgerichtshof. Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper bestätigt einen Bericht der Tageszeitung "Österreich", wonach "wir uns alle rechtlichen Möglichkeiten anschauen". Eine Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen.

Ihr Ausschuss-Kollege Peter Pilz (Liste Pilz) hält auch eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs für möglich, sollte der U-Ausschuss in seinem Recht auf vollständigen Aktenvorlage geschädigt werden. Als Beispiel nennt er Unterlagen über die Vorbereitung der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) auf die Hausdurchsuchung im BVT. "Beamte aus der EGS haben mir bestätigt, dass es diese Akten gibt", sagt Pilz. Daher bestehe der konkrete Verdacht auf Amtsmissbrauch, wenn diese nicht vorgelegt werden.

Fehlende Unterlagen

Eine Schwierigkeit besteht laut SP-Fraktionschef Kai Jan Krainer darin, dass der Verfassungsgerichtshof nicht selbst ermittelt, welche Akten im Innenministerium vorliegen. Vielmehr müssen die Abgeordneten in ihrer Beschwerde nachweisen, welche konkreten Unterlagen dem Parlament vorenthalten wurden. "Unsere Aufgabe ist es jetzt, ganz konkret aufzuzeigen: Diese Unterlage gibt es, aber sie fehlt", erklärt Krainer. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet dann, ob die Unterlagen vorzulegen sind.

Allerdings gehen die Vertreter der Oppositionsparteien davon aus, dass sie diesen Nachweis in mehreren Fällen führen können. Informell wird diesbezüglich etwa auf dem Ausschuss vorliegende E-Mails verwiesen, in denen von Datei-Anhängen die Rede ist, die dem Parlament aber nicht vorgelegt wurden. Oder auf per Mail erteilte Aufforderungen, einen Akt anzulegen, der wiederum nicht an den Ausschuss geliefert wurde.

Laut VfGH würde eine Entscheidung "auf jeden Fall fristgemäß" getroffen. Für die Beschwerde ist ein Viertel der Abgeordneten nötig. Erstmals waren die Verfassungsrichter im Zusammenhang mit dem Hypo-Untersuchungsausschuss 2015 mit einem Konflikt über Aktenlieferungen befasst. Damals entschieden sie, dass das Finanzministerium seine Akten nicht unter Berufung auf Amtsgeheimnis und Datenschutz schwärzen darf.

Ministerium lässt Aktenvollständigkeit prüfen

Das Innenministerium hält die Vorwürfe für unbegründet: "Das BMI hat auf die nochmalige Aufforderung der Opposition reagiert und nochmals alle Organisationseinheiten um Überprüfung der Vollständigkeit der gelieferten Akten ersucht", hieß es am Dienstag auf APA-Anfrage. Disziplinarakten sollen nachgeliefert werden.

Kritik an fehlenden Unterlagen über die Vorbereitung von Belastungszeugen weist das Ministerium zurück. Die Zeugen hätten sich aus eigenem Antrieb im Kabinett gemeldet, und ihnen sei geraten worden, sich an die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu wenden. Daher gebe es auch keine "Vorbereitung zur Vermittlung von Zeugen".

Außerdem stehe den Abgeordneten für Rückfragen der mit der Koordination beauftragte Sektionschef Mathias Vogl zur Verfügung. Vogl habe am 5. August bereits ein Gespräch mit der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper geführt, und in weiterer Folge habe das Ministerium die Disziplinarkommission gebeten, ihre Besprechungsprotokolle an das Parlament zu schicken. Deren Fehlen hatte die Opposition zuvor kritisiert. Aus Sicht des Ministeriums handelt es sich bei den Disziplinarkommissionen aber um unabhängige Einrichtungen, die vom ursprünglichen Beweisbeschluss des Ausschusses nicht erfasst gewesen seien. (APA, 7.8.2018)