Wien – Die Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HVB) will Psychotherapie auf Krankenschein bis Ende 2019 ausweiten. Die seit Jahren geforderte Maßnahme steht aber unter dem Damoklesschwert der im Parlament von den Koalitionspartnern beschlossenen "Ausgabenbremse". HVB-Chef Alexander Biach ist relativ optimistisch. VP-Gesundheitssprecherin Gabriela Schwarz verweigerte dazu am Dienstag eine Aussage.

"Jeder zweite Mensch in Österreich ist in seinem Leben zumindest einmal mit einer psychischen Störung konfrontiert. Etwa 250.000 Menschen benötigen pro Jahr eine entsprechende Behandlung", sagte Biach bei einer Pressekonferenz in Wien. In Zukunft sollten deshalb deutlich mehr Menschen Psychotherapie auf Kassenkosten erhalten. "Derzeit erhalten rund 70.000 Menschen Psychotherapie im Rahmen des Sachleistungsprinzips (volle Bezahlung durch die Krankenkassen; Anm.). Wir wollen diese Zahl bis Ende 2019 auf rund 80.000 steigern."

Zusätzlich soll mit September dieses Jahres der Kostenzuschuss für Therapiestunden erstmals seit 27 Jahren von den derzeit 21,80 Euro auf 28 Euro angehoben werden. Bei Kosten von in Wien zwischen 60 und 70 Euro an der unteren Grenze und von 100 bis 120 Euro am oberen Ende der Bandbreite (in den westlichen Bundesländern werden höhere Honorare gefordert) pro Therapieeinheit könne man – so Biach – bis an die 50 Prozent der Gesamtkosten herankommen. Mit schließlich rund 80.000 Patienten in Psychotherapie bei vollständigem Kostenersatz, rund 65.000 unter Therapie mit Zuschussregelung sowie 90.000 Betroffenen in Kurzversorgung (Ambulanzen, stationär) wolle man "bis 2020" den Bedarf von 250.000 Patienten schließlich deutlich besser abdecken.

Doch die Neuregelung fällt in die von den Abgeordneten der ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung im Parlament beschlossenen Krankenkassen-"Ausgabenbremse". Sie könnte den Plan möglicherweise vereiteln. Biach ist relativ optimistisch: "Das ist eine gute Frage. Es gibt den Grundsatzbeschluss durch die Trägerkonferenz. Jetzt muss jeder einzelne Träger in seinem Bereich entscheiden." Da werde sich die Frage der Kostenbremse dann bei den Sozialversicherungen bezüglich der Psychotherapie stellen. "Ich bin da optimistisch. (...) Es sind keine Arzthonorare und keine Bauvorhaben", betonte Biach.

ÖVP-Nationalratsabgeordnete und Gesundheitssprecherin Gabriela Schwarz machte trotz mehrfacher Journalistenfragen zum Thema "Ausgabenbremse" und deren Auswirkungen auf die Pläne des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger keine Angaben. Unter dem Dictum "Dazu ist alles gesagt" blieb eine Antwort von ihr ausständig. Auch die Angriffe der FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch vom Montag, wonach Biach "keine Gelegenheit" auslasse, "notwendige Reformvorhaben der Regierung zu torpedieren" wollte die VP-Politikerin nicht kommentieren. Als ehemalige Journalistin mit 37 Jahren Berufserfahrung werde sie einem "Koalitionspartner nichts über die Medien" ausrichten.

Die Pläne des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wurden mit dem Bundesverband für Psychotherapie ausverhandelt. Der Präsident des Verbandes, Peter Stippl sagte: "Wir begrüßen den Schritt der Erhöhung der Zuzahlung." Aber auch die Erhöhung auf 28 Euro könne nur ein erster Schritt nach 27 Jahren sein. Gemeinsam mit dem Hauptverband wolle man auch an einheitlichen und optimierten Regelungen für den Zugang der Hilfe suchenden Patienten zu Psychotherapeuten arbeiten. Die VP-Gesundheitssprecherin sprach sich für ein eigenes "Psychotherapiegesetz" aus, die Ausbildung sollte akademisiert werden. HVB-Chef Biach wiederum betonte die Notwendigkeit weiterer Reformmaßnahmen für die Sozialversicherten: "Mir geht es um die Sacharbeit (...). Die Menschen wollen Antworten haben." (APA, 7.8.2018)