"Österreich" berichtet, dass die Regierung (= die Strategieabteilung von Sebastian Kurz) nun einen partiellen Themenwechsel plane. Es soll nicht mehr alles auf "Asyl", "Asylmissbrauch", "Asyltourismus" etc. fokussiert werden. Sondern auf "Wirtschaft".

Das ist irgendwie logisch, denn erstens sagen etliche Umfragen, dass die Österreicher das Flüchtlingsthema nicht mehr als so prioritär betrachten, und zweitens kommen praktisch keine Flüchtlinge/Migranten mehr. Drittens scheint es vor allem in der Umgebung von Kanzler Kurz Überlegungen zu geben, dass man langsam eigentlich etwas für die Leute tun soll, die einen gewählt haben: die Mittelschicht.

Was haben zum Beispiel Türkis-Wähler bisher von der türkis-blauen Koalition rein materiell gehabt?

Eine leicht polemische Antwort wäre, dass die engere Klientel von Türkis, also "die Wirtschaft", vor allem die Industrie, eh etwas von Türkis-Blau gehabt hat. Nämlich den Zwölfstundentag unter gleichzeitiger Aushebelung des Betriebsrates in dieser Frage, dann die Reduzierung der allein von den Arbeitgebern getragenen Sozialversicherungsbeiträge bei der Unfallversicherung und das Versprechen einer Körperschaftsteuersenkung. Immobilienkonzerne sollen sich die Grunderwerbsteuer ersparen können. Weiters ein Standortsicherungsgesetz, mit dem Großprojekte leichter gegen Umweltbedenken durchgesetzt werden sollen.

Die Grunderwerbsteuer fällt beim Mittelschichtbürger, der eine Eigentumswohnung kaufen will, weiter an. Womit wir schon bei der Frage sind, was die mehr oder weniger bürgerliche Mittelschicht, aus der sich die Wähler von Türkis überwiegend rekrutieren, eigentlich bisher von der Regierung gehabt haben – außer das für manche gute Gefühl, dass jetzt "Durchschummler" bei Sozialleistungen, Flüchtlinge und feministische Vereine weniger kriegen.

Die Mittelschicht hat zunächst einmal dadurch profitiert, dass etwas nicht passiert ist: Es gibt keine Vermögens-, keine Erbschafts- und Schenkungssteuer, wie sie die SPÖ immer wieder gefordert hat.

Positive Maßnahmen

An positiven Maßnahmen gibt es eine Steuererleichterung für Familien mit Kindern, die hauptsächlich etwas besser Verdienenden zugutekommt. Das ist nicht nichts. Aber es ist schon fast alles. Eines der größten Probleme für Mittelschichtfamilien sind die rasant steigenden Wohnungskosten, sowohl Miete wie Eigentum. Junge Familien können sich das in Ballungsräumen kaum mehr leisten. Ein neues Mietrecht wird diskutiert, es wird aber eher den Vermietern helfen, marktkonforme Mieten in derzeit mietengedeckelten Altbauten nach einer Generalsanierung, kürzere Befristung der Mietverträge, Lagezuschläge in Gründerzeitvierteln sollen erlaubt werden. Möglich, dass dadurch das Angebot auf dem Wohnungsmarkt größer wird, sicher ist es nicht.

Entbürokratisierung für kleine Selbstständige, Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, da hört man wenig. Zugegeben, das sind schwierige Materien, aber generell ist für die Wähler von Türkis materiell noch Luft nach oben. (Hans Rauscher, 7.8.2018)