Verspielt feminin ist die textile Handschrift von Modedesignerin Sabinna Rachimova, wie ihre Kreation vom Coverfoto zeigt.

Foto: Masha Mel

Sabinna Rachimova sitzt an einem Kaffeetisch in Wien-Mitte vor einem Soda Zitron. Die zierliche Designerin trägt einen blauen Jeansoverall über einem weißen T-Shirt, rollt den rechten Ärmel hoch, winkelt den Arm wie zur Bodybuilding-Pose an, der schmale Oberarm wird zum strammen Muskel. "Fitnessstudio, ich habe zu viel Energie mitbekommen", grinst die Endzwanzigerin.

Das nimmt man Rachimova ohne weiteres ab. Eine knappe Stunde hat die Österreicherin mit Wurzeln in Russland und Hauptwohnsitz London geredet wie ein Wasserfall. Über ihr Modelabel Sabinna und darüber, wie man sich heute als kleines Unternehmen zwischen Fast und High Fashion behauptet.

Sabinna Rachimova gründete 2014 ihr eigenes Label.
Foto: Tamás Kiss

Doch warum ausgerechnet London, dieser unleistbare Millionenmoloch? "In London habe ich mit 19 bei null begonnen, in Wien wäre ich bequem geworden, da hätte ich Familie und ein Auffangnetz gehabt", erklärt die Modedesignerin.

Rachimova, Absolventin der Mode-Kaderschmiede Central Saint Martins, setzt nicht auf verkopfte Konzeptmode, sie macht Kleidung, die getragen werden will: feminine Kleider oder Strickpullover mit verspielten Details.

Das war nicht von Anfang an klar. "Nach dem Abschluss denkt man: Super, ich habe Saint Martins überlebt, jetzt bin ich ein Designer." Also tat Rachimova erst einmal, was man nach dem Modestudium macht, wenn man nicht bei einem Luxusunternehmen einsteigt.

Sie gründete 2014 ihr eigenes Label und taufte es Sabinna. "Möglichst bilderbuchmäßig" sei sie vorgegangen, habe gemäß den Regeln der Modeindustrie alles richtig machen wollen. Rachimova entwarf zwei Kollektionen im Jahr, mithilfe einer Förderung durch die Wiener Wirtschaftskammer konnte sich das Label Sabinna zum ersten Mal auf der London Fashion Week präsentieren.

Häkel- und Strickstücke

Das Alleinstellungsmerkmal des Labels stand hingegen von Anbeginn an fest. Die gehäkelten Blüten und außergewöhnlichen Strickstücke, die sich durch die Kollektionen ziehen, sind eine Reminiszenz an Sabinna Rachimovas Kindheit in Russland, genauer an ihre Großmutter.

Die Mathematik- und Physiklehrerin, "zur einen Hälfte Russin, zur anderen Hälfte Tatarin", hat ihrer Enkeltochter schon als Kind das Häkeln beigebracht. Rachimovas Eltern, zwei Profisportler, zogen dann irgendwann nach Wien, Sabinna Rachimova wurde mit sechs in Wien eingeschult und wuchs im 18. Bezirk auf.

Foto: Marija Vainilaviciute

An den Handarbeiten – eine Art postsowjetisches Erbe – hält die Modedesignerin bis heute fest. Dass ihr Label heute breiter aufgestellt ist, machen ein paar Klicks durch ihren Onlineshop klar. Dort hängen neben den Kollektionsstücken bedruckte T-Shirts und Sweater mit Sabinna-Schriftzug.

Neuerdings bietet die Designerin auch handgefertigte, gestreifte Schalen, Vasen, Häferln an, die in Kooperation mit der Londoner Keramikerin Ana Kerin entstanden sind. Sabinna soll in Zukunft nicht nur für Mode stehen, sondern auch ein Lifestyle-Brand werden.

Neues ausprobieren

Diese Entwicklung ist nicht dem Zufall geschuldet. Die 29-Jährige, die ihr Label mit ihrem Mann David betreibt, arbeitet leidenschaftlich gerne Business-Strategien aus. Der Österreicherin kommt zugute, dass sie sich um Kategorien wie "kommerziell" und "nichtkommerziell" nicht schert. "Warum sollen meine Strickstücke nicht verkäuflicher werden?", fragt die Endzwanzigerin schulterzuckend. Sie wolle für ihr Label langfristige Perspektiven erarbeiten, nicht nur an die nächsten zwei Saisonen denken.

Das klappt bei vielen jungen Designern nicht. Die meisten hielten nicht mehr als drei Saisonen durch, dann sei Schluss, erklärt Rachimova. Verwunderlich ist das nicht, der Druck der Modeindustrie ist so groß wie nie, kleine Labels müssen mit Zara und Co, die im Wochentakt neue Produkte in den Filialen hängen haben, konkurrieren.

Rachimova, die ihr Atelier auf der Brick Lane in London hat, ist trotzdem schon seit über acht Saisonen im Geschäft. 14 Personen arbeiten heute regelmäßig für sie. Ihr Erfolgsgeheimnis? Das gebe es so nicht, stellt die Designerin klar, ist aber um ein paar Tipps nicht verlegen: Sie scheue sich nicht, wiederholt erfahrene Branchenkollegen um Rat zu fragen, probiere kontinuierlich neue Dinge aus und stelle so viele Fragen wie möglich: "Das machen die Leute in der Mode nicht."

Foto: Masha Mel

Mode, die tragbar ist

Lange sei sie unsicher gewesen, wie sie ihre Mode positionieren solle. Seit rund einem Jahr ist diese Unsicherheit weg, erklärt Rachimova. Sie mache tragbare Mode, innovativ sei, dass sie Virtual Reality verwende, digitale Catwalks mache. Außerdem sind die zwei Damenkollektionen, die die Designerin im Frühjahr und im Herbst während der London Fashion Week zeigt, gleich nach ihrer Präsentation online erhältlich – Sabinna setzt (wie zum Beispiel auch das Traditionsunternehmen Burberry) auf das Prinzip "See now, buy now".

Zwischen den Saisonen werden leichter verkäufliche Stücke gelauncht, über das Jahr verteilt ist das Modelabel zumindest in London mit Pop-ups präsent. Die Stoffe kommen aus Italien, Spanien, Österreich und England, produziert wird derzeit alles in England, demnächst auch in Moldawien. Zu dem ehemaligen sowjetischen Land hat Rachimova einen Bezug, weil sie russisch spricht, die Fabriken hat sie sich vor Ort angeschaut.

So verwundert nicht, dass sich Sabinna nicht nur in England, sondern auch dort gut verkauft, wo die Designerin geboren wurde: in Russland. Dort sind Frauen mittlerweile bereit, ihr Geld nicht nur für große Luxusmarken wie Chanel oder Dior auszugeben, sondern auf Individualität und neue Namen zu setzen.

Von dieser Neugier profitiert nicht nur Sabinna, sondern eine ganze Welle an Designern: "Man kommt um die junge Garde an russischen Modedesignern wie Gosha Rubchinskiy oder Vika Gazinskaya nicht herum. Diese Vielfalt ist das Spannende am russischen Markt."

Neuerdings bietet Sabinna auch handgefertigte Keramik an, die in Kooperation mit der Londoner Keramikerin Ana Kerin entstanden ist.
Foto: Sarah Victoria Bates

Häkelblumen auf Instagram

Dann wäre da noch das Internet. Der heitere, mädchenhafte Modestil des Labels Sabinna mit Blumenmotiven, applizierten Häkelblumen und femininen Overalls funktioniert gut auf Instagram, da habe sie zwar "nur" 10.000 Abonnenten, die stünden allerdings in regem Austausch mit dem Label. Über die Social-Media-Plattform landen die Kundinnen im Webshop des Labels.

"Ich beantworte auf Instagram viele Fragen persönlich", erklärt die Designerin, die gerne ihre eigenen Entwürfe trägt, auch mal ein T-Shirt mit dem Slogan "The future is female" überzieht und mittlerweile als Identifikationsfigur für ihre Kundinnen funktioniert. Als sie im letzten Jahr geheiratet hat, trudelten sie gleich ein, die Anfragen zu ihrem cremefarbenen Kleid mit den Trompetenärmeln: Wie, du machst jetzt auch Brautkleider? Ja macht sie.

Was sie als Modedesignerin von den unzähligen Female-Empowerment-Beteuerungen der Modeindustrie hält? Da fällt Rachimovas Lächeln doch ein wenig säuerlich aus. Man könne ja beobachten, was es für eine große Sache sei, dass bei Dior jetzt erstmals eine Frau an der Designspitze des Modehauses stehe. Gut, dass darüber gesprochen werde, Tatsache sei aber, dass in dieser von weiblichen Arbeitskräften dominierten Industrie viel zu wenige Frauen in leitenden Funktionen tätig sind.

Das war's dann aber auch. Sabinna Rachimova lässt sich von solchen Fragen nicht aufhalten. Sie macht einfach. Und Pläne hat sie auch: "Wachsen, Cashflow aufbauen und die Seele nicht an den Teufel verkaufen". (Anne Feldkamp, RONDO, 10.8.2018)

So sieht das aus, wenn eine Österreicherin mit russischen Wurzeln in London Mode macht.
Foto: Masha Mel
Foto: Marija Vainilaviciute

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