Die Burschenschaften sollen von der Historikerkommission der FPÖ auch durchleuchtet, aber ja nicht verärgert werden.


Foto: Christian Fischer

Wien – Angst. In der FPÖ geht irgendwie die Angst um. Die Schotten werden dichtgemacht, da und dort taucht das "Gespenst von Knittelfeld" auf, das historische Trauma der FPÖ. 2002 hatte es die Partei, als sie mit der ÖVP unter Kanzler Wolfgang Schüssel koalierte, zerrissen. Jetzt macht sich Nervosität breit, dass sich die Partei in der Regierung wieder aufreiben könnte.

Auch einer der intimsten Kenner der Partei, das FPÖ-Urgestein Andreas Mölzer, sieht das Problem. Natürlich bestehe die Gefahr, dass die FPÖ in der Regierung eingehen könnte.

Die FPÖ müsse den Spagat zwischen der "Partei des kleinen Mannes" und dem wirtschaftsliberalen Anspruch schaffen. "Das ist nicht leicht", sagt Mölzer. Die härtere Sozialpolitik könne der Partei natürlich durchaus Stimmen kosten – bis zu einem Drittel. "Das haben wir auch schon in der Zeit der Koalition mit Schüssel gesehen. Noch aber sind wir in den Umfragen sehr stabil, die Gefahr ist nicht akut", sagt Mölzer.

Alles unter Verschluss

Der ehemalige EU-Abgeordnete ist Leiter der blauen "Referenzgruppe", die einer Historikerkommission zur Aufarbeitung der FPÖ-Geschichte zur Seite gestellt wurde. Auslöser dafür war ein Liederbuch der Burschenschaft des Niederösterreich-Spitzenkandidaten Udo Landbauer. "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: 'Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million'", hieß da eine Liedzeile. Der FPÖler trat zurück, die Kommission kam – aber als eine geheime Kommandoaktion. Denn wie schon bei den Studien der Sozialministerin über die Auswirkungen der Streichung der Aktion 20.000 für ältere Arbeitslose: Alles soll unter Verschluss bleiben.

Keines der Kommissionsmitglieder darf namentlich genannt werden. "Sie werden erst bei der Präsentation des ersten Zwischenergebnisses im Herbst ihre Identität preisgeben", sagt Mölzer.

Ob, wie von der FPÖ angekündigt, auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) mitarbeiten wird? "Ich glaube, Kommissionsleiter Wilhelm Brauneder hatte einmal einen Kontakt. Wir werden nach Vorliegen der ersten Ergebnisse aber auch mit den Kritikern diskutieren", sagt Mölzer.

Auch Brauneder will keine Namen nennen, solange die Ergebnisse nicht vorliegen. Er sagt nur, dass unter den Forschern "nicht nur Österreicher sind".

Liedergut im Blick

Vor circa 14 Tagen habe er die Kommissionsmitglieder gebeten, "zeitnahe ihre Dispositionen" abzugeben. Auf zwei Seiten solle eine Art Kurzfassung geschrieben werden. "Damit habe ich dann zumindest punktuell ein Bild, wie der Bericht aussehen wird", sagt Brauneder.

Rund sechs Themen werden laut dem emeritierten Rechtsprofessor behandelt. Welche das sind? Brauneder bleibt zurückhaltend. Eines behandle "die Restitution nach 1945", ein anderes das Liedergut der Verbindungen. Bei Letzterem soll es aber nicht nur um die schlagenden Burschenschaften gehen, auch der katholischen Cartellverband werde einbezogen, denn: "Hier gibt es Überschneidungen." Ende August wird wieder getagt.

Dass es zu einem Konflikt zwischen der FPÖ-Führungsetage, die die Historikergruppe engagiert hat, und den nun in der Partei mächtig vertretenen Burschenschaftern kommen könnte, glaubt Mölzer nicht. Diese seien jetzt ohnehin auf allen politischen Ebenen gut vertreten.

"FPÖ ist verwundbar"

Anders als Mölzer wähnt Politikberater Thomas Hofer die FPÖ durchaus auch in der Frage der Burschenschaften auf einer gefährlichen Gratwanderung. Strache werde von dort ja vorgeworfen, zu weich zu agieren. "Das ist eine ständige Baustelle, auch Jörg Haider ging es nicht anders mit den Burschenschaftern, aber jetzt ist diese Gruppe für die Partei als Kader noch viel wichtiger geworden", sagt Hofer und ergänzt: "Die Angst der Partei ist durchaus gerechtfertigt. Sie ist auch in der Sozialpolitik sehr verwundbar."

Die FPÖ laufe sicher Gefahr, einen Teil ihrer Protestwähler zu verlieren. Hofer: "Die Erwartungshaltung war einfach zu groß. Jahrelang wurde getrommelt: Wir sind die Partei gegen die da oben – und jetzt sind sie selbst dort oben. Das ist schwer aufzulösen." (Peter Mayr, Walter Müller, 10.8.2018)