Mehr als 10.000 ausländische Staatsbürger, darunter mehrheitlich Pensionisten aus 95 verschiedenen Nationen, haben sich in den letzten Jahren in Portugal niedergelassen.

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Es ist verlockend: Zehn Jahre keine Einkommensteuer auf seine Pensionsbezüge zu bezahlen, während man von seinem Haus an der portugiesischen Algarve auf den Atlantik blickt, und an einem Gläschen Vinho Verde nippt. Dazu können Pensionisten für zehn Jahre Zuverdienste stark steuervermindert tätigen.

Denn selbst als ausländische "Schlüsselkraft" in Spitzenlohnberufen – als Architekt, Anwalt oder Arzt etwa – muss man nur 20 Prozent an den Fiskus abliefern, anstelle des in Portugal üblichen Spitzensteuersatzes in Höhe von 50 Prozent. Voraussetzung ist es, die letzten fünf Jahre nicht in Portugal gemeldet gewesen zu sein. Und man muss ein Eigenheim oder eine Mietwohnung haben sowie 183 Tage im Jahr in Portugal fest wohnhaft sein.

Viele Neuzuwanderer

Die Lockwirkung ließ nicht lange auf sich warten. Für Mittel- und Nordeuropa niedrige Lebenshaltungskosten und attraktiveres (Winter-)Wetter haben eben ihren Reiz. In den letzten Jahren haben sich gemäß der Wirtschaftszeitung "Jornal de Negócios" mehr als 10.000 ausländische Staatsbürger, darunter mehrheitlich Pensionisten, aus 95 verschiedenen Nationen in Portugal niedergelassen – mit einer Zuwachsrate von etwa sechs bis sieben Prozent jährlich in den Jahren 2016 und 2017. Vergangenes Jahr waren von über 61.000 Neuzuwanderern neun Prozent über 65 Jahre alt.

Zu den Vermögenden, die es nach Portugal zieht, zählen auch Stars wie Popikone Madonna. Seit 2017 genießt sie den Status eines "Residente não habitual" ("nicht gewöhnlich ansässig", RNH) in ihrem Haus in Lissabon. Denn auch gemäß Pricewaterhouse Coopers sind Urheberrechtseinkünfte steuerfrei. Die betuchte Enkelin von Spaniens Ex-Diktator Francisco Franco, Carmen Martínez Bordiú, kaufte sich, nachdem sie ein millionenschweres Erbe nach der einzigen Tochter des "Generalissimo" angetreten hatte, ein Anwesen in Portugal.

Franzosen ziehen westwärts

Vor allem die Franzosen zieht es zuletzt nach Portugal, 1.500 waren es 2017. Aber auch 1.000 Spanier und mehr als 500 Finnen fanden Gefallen an dem westeuropäischen Land. Diese Entwicklung veranlasste die finnische Regierung Ende April 2018 zur Drohung an Lissabon, "die bilateralen Steuerabkommen zu überdenken". Ein neues Abkommen, das es der finnischen Finanz erlaubt, Pensionsbezüge nach Portugal zu besteuern, ist unterfertigt. In Kraft getreten ist es noch nicht. Schweden drohte selbiges an. Neidig ist auch Nachbar Spanien, wo man einen "unlauteren Wettbewerb" um Pensionisten anprangert.

Der Eurogruppen-Chef und Portugals Ex-Finanzminister Mário Centeno (PS) sieht sich "punktuell mit Kritik konfrontiert" und stellte eine "Reform bis Juni dieses Jahres" in Aussicht. Passiert ist noch nichts. Die Sonderregelung würde, entgegen der Kritik von EU-Staaten, "keinesfalls das gemeinschaftliche Steuerrecht der EU brechen", betont auch der mit der Schaffung des gesetzlichen Rahmens 2009 beauftrage Ex-Staatssekretär für Finanzen Carlos Baptista Lobo.

Attraktive Aufenthaltsbewilligung

Es war einst José Sócrates, der sozialistische Ex-Premier, der die Weichenstellung vorgenommen hatte und diese für Ausländer attraktive Form der Aufenthaltsbewilligung gesetzlich verankern ließ. Aktuell steht er nach neun Monaten U-Haft wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht.

Für die Staatskasse läuft es scheinbar gut, der amtierende Regierungschef António Costa (PS) will nichts ändern. Zwar entgingen der Staatskasse, wie das Finanzministerium errechnete, 2017 rund 433 Millionen Euro an Lohnsteuereinnahmen. Doch die Abgaben des Kollektivs würden die Vermögenssteuern auf Immobilien wettmachen. Diese Aussage bezieht er vor allem auf die Mehrwertsteuer – Konsum würde die Wirtschaft ankurbeln. Konkrete Zahlen nennt man aber keine. Costa, der aus der Minderheit, gestützt von Kommunisten (PCP), dem antikapitalistischen Bloco de Esquerda und der Tierschutz-Partei PAN, regiert, muss sich im Oktober 2019 der Wiederwahl stellen. Insbesondere seitens des Bloco will man den RNH-Status schon sehr bald fallen sehen. (Jan Marot aus Lissabon, 10.8.2018)