Rekonstruktion vom Homo erectus.
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Beim Interpretieren von Funden möglicherweise leicht übers Ziel hinausgeschossen ist der Archäologe Ceri Shipton von der Australian National University: Er attestierte dem Homo erectus, dem Urahn von unter anderem Homo sapiens und Neandertaler, "Faulheit". Und die könnte mit ein Grund für dessen Aussterben gewesen sein.

Die buchstäblichen Steine des Anstoßes fand Shipton auf der Arabischen Halbinsel in der Ausgrabungsstätte von Saffaqah. Im Zentrum Saudiarabiens, 500 Kilometer von jeder Küste entfernt, befand sich während der frühen Altsteinzeit ein heute nicht mehr existierendes Flusssystem, an dessen Ufern auch der Homo erectus lebte.

"Wozu der Aufwand?"

Die Urmenschen verwendeten bereits Steinwerkzeuge – waren laut Shipton aber nicht sonderlich bemüht darum, an ihrer Technologie zu feilen. Der Forscher fand zahlreiche bearbeitete Steine, diese seien aber von minderer Qualität gewesen. Die damaligen Werkzeugbauer hätten einfach das verwendet, was in der Nähe ihrer Lager herumlag.

Auf einem nahegelegenen Hügel hätten sie Steine von wesentlich besserer Qualität abbauen können. Von Neandertalern und steinzeitlichen Vertretern des Homo sapiens weiß man, dass sie auf Berge kletterten, um das beste Rohmaterial zu gewinnen – nicht jedoch die Urmenschen von Saffaqah. "Sie scheinen sich gedacht zu haben: Wozu der Aufwand?", sagt Shipton. Auf dem Hügel wurden keinerlei Spuren eines gezielten Abbaus entdeckt.

Ceri Shipton auf der Fundstätte.
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Die Sedimentschichten der Fundstätte zeigten überdies, dass das damalige Ökosystem immer trockener wurde – die dortige Homo-erectus-Population habe aber nichts hinterlassen, was darauf hinweist, dass sie sich auf die Veränderungen einstellen konnte oder wollte: "Sie waren nicht nur faul, sondern auch sehr konservativ", so Shipton. Es habe keinen Fortschritt gegeben, und irgendwann sei die Region für Bewohner einfach nicht mehr tragbar gewesen.

Hinter dem Horizont

"Ich habe nicht den Eindruck, dass sie Entdecker waren, die über den Horizont hinaus blickten", sagt Shipton. Allerdings war die bloße Anwesenheit der Urmenschen in Arabien bereits das Ergebnis einer Entdeckungsreise: Entstanden in Afrika, war der Homo erectus die erste Menschenart, die sich vom Heimatkontinent aus über weite Teile der Welt ausgebreitet und von Europa bis Ostasien Nachfahren in Form verschiedener Spezies hinterlassen hatte.

Manche davon wie der Neandertaler vermischten sich später mit dem Homo sapiens, einem weiteren Nachfahren des Homo erectus, als dieser wie zuvor sein Urahn von Afrika in die Welt hinauszog. Eine Sackgasse der menschlichen Evolution war der Homo erectus also eigentlich nicht, er hat sich einfach weiterentwickelt. (jdo, 13.8.2018)