Wer bis vor kurzem neudeutsch von "Quality-TV" sprach, meinte für gewöhnlich Serienware angloamerikanischen oder skandinavischen Ursprungs von The Sopranos bis Breaking Bad, von Sherlock bis Peaky Blinders, von Die Brücke bis Borgen. Gegenwärtig vergrößert sich allerdings dieser Kosmos. Neuerdings schickt sich Deutschland an, den Markt zu erschließen.

Erfolge am internationalen Markt beflügeln

Ursache für den Höhenflug sind Erfolge, die deutsche Serien am internationalen Markt erzielen konnten. So verkaufte RTL die Rechte an Deutschland 83 in mehr als hundert Länder. Bad Banks von ZDF und Arte ist beim US-Streamingportal Hulu abrufbar. Sky und ARD setzten mit Babylon Berlin neue Maßstäbe in der deutschen Serienproduktion.

Qualität hat ihren Preis

Bisher galten finanzielle Aspekte als Hindernisgrund für hochwerte Produktionen. In den USA buttern Kabelsender seit Beginn des "goldenen Fernsehzeitalters" in Produktionen. Summen sind da seit jeher im Umlauf, von denen man in Übersee nur träumt. Eine Folge von Six Feet Under ließ sich HBO vor 17 Jahren drei Millionen Dollar kosten – und das war erst der Anfang. Eine Folge von Martin Scorseses Vinyl verschlang 8,7 Millionen Dollar, 13 Millionen Dollar war Netflix eine Folge von The Crown wert.

Nicht, dass es keine Qualitätsserien aus Deutschland geben würde. Kir Royal, Der große Bellheim, Die Manns, oder Im Angesicht des Verbrechens weisen auf eine große Tradition, waren allerdings mehrheitlich Eintagsfliegen neben Massenware im Stil von Alarm für Cobra 11 und Forsthaus Falkenau. Den Schritt über mehr als vier Folgen eine Geschichte horizontal zu erzählen, wagen neuerdings mehr. Schon spricht man von der "neuen deutschen Serie". Serien mit internationaler Ausrichtung im Werden sind:

Labaule & Erben
Nach einer Idee von Harald Schmidt lieben, necken und intrigieren die Mitglieder einer stinkreichen Verlegerfamilie, allen voran Uwe Ochsenknecht. Wirkt wie eine Mischung aus Altes Geld und Das Erbe der Guldenburgs. Richard Kropf, Bob Konrad und Hanno Hackfort (4 Blocks) sind für die Bücher verantwortlich.

Dogs of Berlin
Felix Kramer und Fahri Yardim suchen im Auftrag von Netflix den Mörder eines deutsch-türkischen Fußball-Nationalspielers. Zu sehen ab Dezember, Christian Alvart inszeniert.

Foto: SWR

Parfum
In Anlehnung an Patrick Süßkinds Roman entwickelt ZDF Neo eine olfaktorische Krimiserie im Hier und Heute über brutale Morde zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Eva Kranenburg schrieb das Buch, Philipp Kadelbach inszeniert den Sechsteiler, In Hauptrollen spielen Friederike Becht, Wotan Wilke Möhring, August Diehl und Ken Duken. Ab Herbst auf ZDF Neo.

Die Protokollantin
Iris Berben spielt die Mutter eines Kindes, das vor elf Jahren verschwunden ist. Das ZDF produzierte, neben Berben spielen nach einer Idee von Friedrich Ani, dem Drehbuch von Nina Grosse, die gleichzeitig mit Samira Radsi auch Regie führte, Moritz Bleibtreu und Julia Beer.

Servus Baby
Stadtweiber in München, denen das Single-Dasein mehr oder weniger lieb ist. Natalie Spinell inszenierte mit Lüthje Schneider Hörl, dem Team von Lerchenberg. Da geriet schon das Comeback von Sascha Hehn schön schräg. Ab 11. September.

Foto: BR

Unterleuten
Juli Zeh schrieb knapp dreißig Jahre nach dem Mauerfall einen Wenderoman. Das gesellschaftlich immer noch geteilte Deutschland verkörpern für das ZDF unter anderem Bjarne Mädel, Dagmar Manzel, Ulih Noethen, Miriam Stein und Charly Hübner.

Die Welle
Netflix macht Ernst und legt das fragwürdige Sozialexperiment als Originalserie auf.

Österreich ist – abgesehen von der Inspiration zu Labaule & Erben am Rande und doch wesentlich beteiligt:

Das Boot
Unter der Regie von Andreas Prochaska geht das U-Boot im Zweiten Weltkrieg noch einmal unter. Die Serie hat mit dem Buch von Lothar-Günther Buchheim nur noch die Idee gemein. Es spielen Tom Wlaschiha, Rick Okon, August Wittgenstein und Lizzy Caplan.

The Net
In großen Dimensionen rechnen Red Bull Media House und Jan Mojtos Beta Films bei einem Serienprojekt über internationalen Profifußball: Fünf mal acht Folgen sind veranschlagt.

Foto: Nik Konietzny/Bavaria Fiction GmbH/Sky

M – Eine Stadt sucht einen Mörder
folgt David Schalko (Bild Mitte) auf den Spuren des Klassikers von Fritz Lang. RTL, ORF und Superfilm koproduzieren. Mit Lars Eidinger (links), Moritz Bleibtreu, Verena Altenberger und Bela B.

Foto: APA/HANS PUNZ

Brecht Adele Neuhauser (Tatort) spielt in Heinrich Breloers Zweiteiler für die ARD Helene Weigel, die Ehefrau des Literaten.

Dazu gibt es mehr von Bestehendem: Neue Staffeln von Babylon Berlin, 4 Blocks und Dark sind angesagt. (Doris Priesching, 15.8.2018)