Unter dem Titel "Böse Zinshaie gegen fiesen Mietadel?" appellierte Karin Hiltgartner an "Solidarität", und sie will ihren Kommentar als "Aufruf zu einer nachhaltigen Gesetzgebung mit dem Ziel leistbares Wohnen" verstanden wissen; "wir brauchen ein faires Mietrecht". Die Schlagwörter kann ich auch unterschreiben, jedoch finden sich in Hiltgartners weiteren Ausführungen dazu keine konkreten Vorschläge. Sie wendet sich u.a. vielmehr gegen die derzeitigen Renditebeschränkungen im Mietrecht durch das Richtwertsystem, was aber dem Ziel "leistbares Wohnen" gerade zuwiderläuft.

Wohnen ist ein lebensnotwendiges Gut, das nicht ersetzbar ist. Man muss kein Auto haben, kann stattdessen mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren oder Fahrgemeinschaften bilden. Die Menschen müssen aber wohnen. Eine gesetzliche Mietenbegrenzung ist keine Enteignung. Sie ist eine Beschränkung des – noch immer vorhandenen – Profits und lässt keine uferlose Geschäftemacherei mit einem Grundbedürfnis der Menschen zu.

Eine Mietenregulierung als Beitrag der gewerblichen und privaten Vermieter zum Gemeinwohl ist schon mit ihrer indirekten Förderung durch die öffentliche Hand und damit letztlich durch die Steuerzahler argumentierbar. Der Wert von Immobilien und ihre Wertsteigerungen resultieren auch aus den Investitionen und Entscheidungen der Allgemeinheit: Wohnungen können nur dort lukrativ vermietet werden, wo die öffentliche Hand für die Infrastruktur, für die Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen und den sozialen Frieden sorgt.

Es ist auch gerechtfertigt, dass die Gemeinschaft darauf achtet, dass nicht zu viele Menschen Wohnbeihilfe benötigen. Nebenbei: In den letzten zehn Jahren landete ein großer Teil der mehr als vier Milliarden dieser Subjektförderung "sozial treff sicher" (?!) bei sehr vermögenden Immobilienunternehmungen. Das Geld fehlt bei Pflege, Bildung, Sicherheit, Schaffung von Infrastruktur, etc..

Es wäre doch absurd, wenn Bund, Länder und Gemeinden einerseits durch die Infrastrukturausgaben (z.B. Errichtung einer U-Bahn) Wertsteigerungen umliegender Immobilien finanzieren und dann gleich nochmals Geld in die Hand nehmen müssen, um für die davongaloppierenden Mieten in Masse Beihilfen auszuzahlen; damit sich die zuziehenden Bewohner die hohen Mieten leisten können, die sie selbst auch durch ihre Steuer mittel, mit denen dann die U-Bahn gebaut wird, erst ermöglichen. Zudem profitieren gewerbliche und private Vermieter auch von den direkten Förderungen; allein in Wien stecken etwa 2,6 Mrd. Steuergelder aus der (in der Regel nicht rückzahlbaren) Sanierungsförderung in gewerblich vermieteten Zinshäusern.

Wiener Gründerzeitviertel

Hiltgartner beklagt, dass der Hauptmietzins in Wiener Gründerzeitvierteln mit dem Richtwert von 5,58 Euro/Quadratmeter begrenzt wäre, während die Durchschnittsmiete in diesen Vierteln etwa auch in einem in den 1960er-Jahren errichteten und seitdem nicht renovierten Gebäude in unmittel barer Nähe des Gründerzeithauses bei 15 Euro/Quadratmeter liegen würde. Das ist unrichtig. Abgesehen davon, dass sie offensichtlich den Richtwert, also den Hauptmietzins exklusive Betriebskosten und USt, mit dem Bruttomietzins inkl. Betriebskosten vergleicht, weist der Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer 2018 die frei vereinbarten und ortsüblichen Hauptmieten (ohne BK und USt) für solche Lagen bei einem mitt leren Wohnwert zwischen sieben und neun Euro pro Quadratmeter aus.

Hiltgartner kommt zum Schluss, dass "bei Richtwertzinsen die Erhaltung eines Gründerzeithauses zunehmend kaum mehr möglich scheint". Diese Argumentation ist nicht stichhältig; Bauträger, Immobilienmakler und Hausverwalter beziffern gegenüber Käufern und Eigentümern von Altbauwohnungen die zur Erhaltung und Verbesserung der Häuser notwendigen Rücklagen in der Regel mit ein bis 1,50 Euro pro Quadratmeter und Monat, also einem Bruchteil des Richtwerts.

Nimmt man das Ziel "leistbares Wohnen" ernst, muss sichergestellt sein, dass sich weite Teile der Bevölkerung die Mieten leisten können, ohne auf Beihilfen angewiesen zu sein. Eine faire Mietenregelung muss so gestaltet sein, dass sie für alle Wohnungen in Österreich, je nach der Qualität des Wohnraums (und nicht bloß bezogen auf ein Datum der Baubewilligung), klare Normen enthält, nach denen sich Vermieter und Mieter die jeweils zulässige Miete ohne Beiziehung von teuren Sachverständigen ausrechnen können. (Walter Rosifka, 13.8.2018)