Der Kabeljau ist einer der wenigen Fische, die gut abgelegen und gereift weit häufiger gegessen werden als frisch. Der Unterschied zwischen konserviertem, gereiftem und frischem Kabeljau ist ungefähr so wie jener zwischen rohem Schweinsbein und Prosciutto: Ein guter Bacalao ist angenehm wachsig, er hat mehr Biss, mehr Aroma und eine angenehme gereifte Note. Einige der besten Fish and Chips, die ich je essen durfte, wurden mir denn auch in einer kleinen Bar in Barcelona serviert – bloß dass sie dort Bacalao con Patatas Bravas hießen und aus eingesalzenem statt frischem Kabeljau gemacht waren.

Konservierter Kabeljau war jahrhundertelang eine der wichtigsten Eiweißquellen der Europäer und der von ihnen unterworfenen Welt: Er ist leicht zu transportieren, hält ewig und war sehr lange im Überfluss vorhanden. Bis heute zeigt sich das in seinem erstaunlichen Verbreitungsgebiet: In Europa reicht es vom Norden Norwegens bis in den Süden Italiens, selbst in den Tiroler Alpen ist er ein Festtagsgericht, weil er dort seit Jahrhunderten auf seiner Reise in den Süden über die Pässe getragen wurde.

Foto: Tobias Müller

Unterschiedliche Arten der Konservierung

Die ersten Siedler im Norden der USA verdankten ihm erst ihr Überleben und dann ihren Reichtum. Und er ist immer noch ein Grundnahrungsmittel an der Küste Westafrikas, in der Karibik und in vielen Teilen Südamerikas, wo ihn einst die Sklavenhändler und -halter als billiges Protein für ihre Opfer nutzten.

Der größte Unterschied zwischen den Kulturen liegt vielleicht in der Art der Kabeljau-Konservierung. Nordeuropa neigt zum bloßen Lufttrocknen. Das Ergebnis wird als Stockfisch oder Stockfisk verkauft und ist so geruchsintensiv, dass ich bei meinem kleinen Ausflug zu den Lofoten trotz großer Kabeljauliebe dann doch darauf verzichtet habe, einen in meinen Koffer zu stecken. Südeuropa hingegen, vor allem der Mittelmeerraum, bevorzugt eingesalzenen Kabeljau, der von Westspanien bis Istrien mehr oder weniger Bacalao heißt (nur die Franzosen, die ja auch "ordinateur" statt Computer sagen, nennen ihn "morue").

Er riecht deutlich weniger streng, fühlt sich wachsig-fleischiger an als der ziemlich harte Stockfisch und hat einen milderen, massentauglicheren Geschmack. Weil beide – Stockfisch und Bacalao – kaum Fett enthalten, werden sie oft mit fetten Saucen serviert. Die Béchamelsauce etwa wurde ursprünglich erfunden, um gesalzenen Kabeljau aufzupeppen.

Die größten Bacalao-Connaisseure finden sich bis heute dort, wo er wahrscheinlich zuerst gegessen wurde: im heutigen Spanien. Lange bevor Kolumbus Amerika entdeckte, sollen die Basken vor der Küste Labradors Kabeljau gefischt, eingesalzen und zurück nach Europa geschifft haben. Im Gegensatz zu dem geschwätzigen Genuesen erzählten sie bloß niemandem von dem Land auf der anderen Seite des Ozeans, weil sie die reichen Fischgründe nicht teilen wollten (Leseempfehlung: "Cod – A Biography of the Fish that Changend the World").

Es gibt keinen baskischen – oder katalanischen – Markt ohne Salzkabeljau-Fachgeschäft, in dessen Vitrinen sich beige-weiße Filets unterschiedlicher Dicke und Größe stapeln, und kein Beisl, das den Fisch nicht in der einen oder anderen Form auf der Karte hätte – sei es wie oben am Stück frittiert, zu Kroketten geformt oder mit viel Olivenöl zu einem cremig-fischigen Püree gerührt.

Überfischt

Seine enorme Beliebtheit ist dem Kabeljau zum Verhängnis geworden: In den 1990er-Jahren sind die riesigen Bestände vor der Küste Nordamerikas, die lange als unerschöpflich galten, nach Jahrzehnten der Überfischung kollabiert. Sie haben sich trotz Fangmoratoriums bis heute nicht erholt, und es ist nicht sicher, ob sie es jemals tun werden. Andere Bestände, vornehmlich in Nordeuropa, sind in etwas besserem Zustand. Wer Kabeljau, frisch oder gesalzen, kauft, sollte darauf achten, wo und von wem er gefangen wurde.

Es folgen zwei Rezepte, einmal eines für die dicken Filets mit Mangold und Rosinen, eine klassische salzig-süße katalanische Mischung; und eines für eine Creme aus den Abschnitten, die kurz blanchiert und mit Artischocken verrührt werden – eine hervorragende sommerliche Mischung. Beide stammen aus Colman Andrews wunderschönem Buch "Catalan Cuisine". Ich habe sie nur geringfügig adaptiert.

PS: Des Kabeljaus Eignung zur Konservierung ist ein Geschenk für Menschen ohne Meereszugang wie arme Österreicher, die kaum an anständigen Frischfisch kommen. Leider ist aber auch Bacalao in Österreich kaum zu finden. Fisch Gruber führt ihn zu einem stolzen Preis, günstiger ist er am Großmarkt bei Eishkeen Estate zu haben. (Meinen für diesen Blog verwendeten Bacalao hat mir der Herr S. aus Nordspanien mitgebracht – danke dafür!) Wenn Sie gute Quellen in Österreich kennen: Posten Sie sie doch bitte!

Bacalao, einmal gebraten, einmal als Püree

Die beiden Rezepte ergänzen sich sehr gut, wenn Sie ein schönes, großes Stück Bacalao ergattern können: Die dicken Filets können Sie erst braten, aus den Abschnitten machen Sie später Ihr Püree.

Foto: Tobias Müller

Als Erstes müssen Sie Ihren Bacalao in regelmäßig gewechseltem Wasser entsalzen. Im ländlichen Frankreich soll es einst üblich gewesen sein, den Fisch dafür eine Woche in den Spülkasten des Wasserklosetts zu legen. Das ist eine schlaue Idee, ich wässere meinen Bacalao dennoch lieber in einer Schüssel oder Pfanne im Kühlschrank.

Foto: Tobias Müller

Bedecken Sie ihn mit Wasser, das Sie mindestens zweimal am Tag wechseln, und lassen Sie ihn so drei bis fünf Tage weichen. Wenn Sie nicht sicher sind, ob er bereits genug entsalzt ist, kosten Sie einfach ein kleines Stück.

Bacalao gebraten …

2 dicke Bacalao-Filets

frischen Spinat oder Mangold

geröstete Pinienkerne

kurz eingeweichte Rosinen oder getrocknete Pflaumen

ein wenig Mehl

Die dicken Bacalao-Filets gut abtrocknen und kurz in Mehl wenden. In heißer Butter oder Olivenöl auf beiden Seiten braten, bis er außen schön braun, innen warm und glasig ist.

Foto: Tobias Müller

Aus der Pfanne nehmen und im 100 Grad warmen Ofen ziehen lassen.

In der gleichen Pfanne zwei, drei Hände Spinat oder grob gehackten Mangold braten, bis er zusammengefallen ist. Mit einer Handvoll Pinienkernen und einigen Rosinen oder gehackten getrockneten Pflaumen würzen, gut salzen und pfeffern und alles zwei, drei Minuten braten lassen.

Den Fisch auf dem süß-bitteren Gemüse servieren und kühlen Rosé dazu trinken.

Foto: Tobias Müller

… und püriert

Bacalao-Abschnitte, etwa 200 Gramm

eingelegte Artischocken, etwa 100 Gramm

ordentlich Olivenöl

ein Schuss Pernod

mindestens eine Zitrone

Geben Sie all Ihre Bacalao-Abschnitte (oder, wenn Sie keine Lust auf gebratenen Fisch haben, auch die Filets) in einen Topf, bedecken Sie sie mit Wasser und bringen Sie es zum Kochen. Nehmen Sie es von der Hitze und lassen Sie alles etwa zehn, 15 Minuten ziehen.

Geben Sie den gegarten Fisch und etwa halb so viele eingelegte Artischockenherzen (frische, kurz gekochte gehen natürlich auch) in eine Küchenmaschine. Gießen Sie ordentlich Olivenöl und etwas Artischocken-Einlegeöl, den Saft mindestens einer Zitrone und einen Schuss Pernod dazu, salzen und pfeffern Sie, und pürieren Sie alles, bis ein cremiger Brei entsteht. Wenn er zu trocken ist, hilft mehr Olivenöl.

Foto: Tobias Müller

Lassen Sie ihn am besten über Nacht durchziehen, bevor Sie ihn mit frischem Weißbrot, Oliven und zum Beispiel ein paar guten Fischkonserven genießen. Wenn Sie keine Zeit haben zu warten, dann schmeckt er frisch aus dem Pürierer natürlich auch. (Tobias Müller, 19.8.2018)

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