Wenngleich der Gendergap unter den Wählerinnen und Wählern rechtsextremer und (rechts-)konservativer Parteien in Österreich immer niedriger wird, haben mit 52 Prozent deutlich weniger Frauen als Männer (62 Prozent) die aktuelle Regierung gewählt (Sora/ISA). Gerade Frauen und frauenpolitische Organisationen bekommen jedoch die negativen Auswirkungen der türkis-blauen Geschlechterpolitik zu spüren. Beunruhigende Auswirkungen lassen unter anderem die Aufwertungen von Zweigeschlechtlichkeit und heteronormativen Familienvorstellungen, die Einführung von (Zwangs-)Beratungen vor Schwangerschaftsabbrüchen, sozialpolitische Maßnahmen sowie die Streichung existenzsichernder Förderungen für Frauenprojekte befürchten.

Frauenprojekten wird das Budget gekürzt.
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"Die Besonderheit beider Geschlechter"

Obgleich das Kapitel "Frauen" im Programm der türkis-blauen Regierung "Zusammen. Für unser Österreich" nur knapp zweieinhalb der insgesamt rund 180 Seiten umfasst, bleiben auch Frauen nicht von ihren besorgniserregenden Vorhaben verschont. So steht beispielsweise die Vorstellung eines biologistisch konstruierten und komplementär gedachten Geschlechterdualismus, der einzig "Männer" und "Frauen" (versehen mit naturgegebenen Wesensmerkmalen und Unterschieden) als mögliche Identitätsentwürfe zulässt, im Kapitel zu "Fairness und Gerechtigkeit" festgeschrieben: "Die Besonderheit beider Geschlechter macht den Mehrwert für die Gesellschaft sichtbar. Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden."

Hinter dieser Formulierung verbirgt sich die nicht nur im Rechtsextremismus weit verbreitete Überzeugung, wonach Männer und Frauen "gleichwertig, aber nicht gleichartig" seien. Entgegen allen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen wie auch rechtlichen Entwicklungen werden Unterschiede damit nicht als sozial konstruiert – und damit auch veränderbar – verhandelt. Die (Re-)Etablierung dieser geschlechterpolitischen Vorstellungen seitens der Regierung als gesellschaftliches Leitbild zielt nicht zuletzt auf die Wiederherstellung einer vermeintlich natürlichen Geschlechterordnung und der damit verbundenen Geschlechterrollen ab. Unmittelbar damit verbunden sind nicht nur die Exklusion und Abwertung anderer Lebensentwürfe, die diesen normativen Vorstellungen nicht entsprechen, sondern auch eine zunehmende Beschränkung der erweiterten Möglichkeiten für Frauen sowie der Versuch, sie (wieder) in traditionelle, einschränkendere Rollen zurückzudrängen. Kaum verwunderlich, dass Frauen im Regierungsprogramm in erster Linie als Mütter (oder als Frauen mit Migrationshintergrund) angesprochen werden.

Exklusive Familien und Sprache

Ein ähnlicher antiquierter Zugang lässt sich auch an dem im Regierungsprogramm festgeschriebenen Familienbegriff ablesen, der "Familie" einzig "als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern" definiert. Dadurch werden Alleinerziehende, Patchworkfamilien und Familien mit gleichgeschlechtlichen Paaren, die seit geraumer Zeit zur selbstverständlichen gesellschaftlichen Realität geworden sind, bewusst ausgeschlossen und stattdessen die durch die politischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte (Ehe für alle, Adoptionsrechte et cetera) in Frage gestellte traditionelle, heteronormative, bürgerliche Kleinfamilie mit ihren starren Geschlechterstereotypen aufgewertet.

Obgleich politische Maßnahmen für homosexuelle Menschen im Regierungsprogramm gänzlich ausgespart werden, verbirgt sich hinter der Propagierung heteronormativer Familienbilder auch ein homofeindlicher Backlash gegen die steigende Akzeptanz für alternative Lebensformen und Familienkonstellationen. Diese Bestrebungen könnten langfristig zu einer erneuten Verschlechterung – vorerst auf der symbolischen, möglicherweise langfristig aber auch der rechtlichen Ebene – führen.

Im Regierungsprogramm steht außerdem festgeschrieben, dass geschlechtergerechte Sprache "nicht auf Kosten der Verständlichkeit praktiziert werden" dürfe, was unter anderem von Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) bereits sehr wörtlich genommen wurde. Obgleich es nie eine verbindliche Regelung für das österreichische Bundesheer gegeben hatte, führte er in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" aus, dass "feministische Sprachvorgaben [...] die gewachsene Struktur unserer Muttersprache bis hin zur Unlesbarkeit und Unverständlichkeit" zerstören würden und er daher das Binnen-I wieder abschaffen wolle.

Auch Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) positioniert sich eher ambivalent. So meint sie in verschiedenen Interviews einerseits, "Gendern schafft Awareness", andererseits spricht sie aber auch davon, dass es teilweise "nicht die Verständlichkeit" fördere und sie es dann "nicht für sinnvoll" erachte.

Pragmatische Feministin

Die Frauenministerin inszeniert sich zudem als "pragmatische Feministin", die die Dinge einfach angehen wolle. Davon ist jedoch bislang abseits ihres pragmatischen Umgangs mit dem sehr geringen Budget, das für ihr Ressort vorgesehen ist, und dem Einsatz für den "Familienbonus", den sie als "Riesenschritt" bewertet, wenig zu merken. Wie inzwischen hinlänglich bekannt wurde, hilft der von der Regierung hochgepriesene Steuerbonus von 1.500 Euro pro Kind ausgerechnet jenen am wenigsten, die es am dringendsten benötigen würden, da er ein relativ hohes Mindesteinkommen voraussetzt, um überhaupt davon profitieren zu können. Auch das Frauenvolksbegehren 2.0 wollte die ÖVP Politikerin nicht unterschreiben, ihr gingen die 50-Prozent-Geschlechterquote sowie die Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden zu weit. Damit ist sie nicht alleine, da auch die weiteren Ministerinnen und Minister der Regierung die Initiative nicht unterstützten.

Insgesamt lässt sich aus dem Regierungsprogramm sozial- wie auch wirtschaftspolitisch kein Verbesserungspotenzial für die Situation von Frauen ablesen. Zwar findet sich darin unter anderem ein Bekenntnis zur Frauenförderung in der Berufswelt, abseits von einer angestrebten "Einkommenstransparenz" jedoch keine weiteren Maßnahmen, um Einkommensunterschiede von Männern und Frauen zu reduzieren oder Frauen vor Diskriminierung (am Arbeitsplatz) zu schützen.

Juliane Bogner-Strauß, Ministerin für Frauen, Familie und Jugend.
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Arme Frauen?!

Insbesondere auch die angekündigten Einschränkungen und Streichungen von Sozialleistungen, von denen Frauen in der Regel stärker abhängig sind, werden erhebliche Auswirkungen für Frauen mit sich bringen und insbesondere Alleinerzieherinnen oder sozioökonomisch benachteiligte Frauen weiter in die Armut bzw. Armutsgefährdung treiben. So betreffen beispielsweise die angedachte Reduzierung von Ruhezeiten sowie die Zumutung längerer Anfahrtswege für Teilzeitkräfte insbesondere Frauen. Auch von der neuen Mindestpensionsregelung profitieren in erster Linie Männer, da Frauen ab ihrem 20. Lebensjahr bis zum regulären Pensionsantrittsalter ohne Unterbrechungen gearbeitet haben müssten, um die dafür nötigen 40 Pensionsjahre zusammen zu bekommen. Zwar sollen Kinderbetreuungszeiten angerechnet werden, dem Umstand, dass Frauen gerade im Alter bessere finanzielle Absicherung benötigen würden weil sie ganz besonders von Altersarmut betroffen sind und der Aufbau von Pensionszeiten mit deutlich mehr Schwierigkeiten für Frauen verbunden ist, wird nicht Rechnung getragen. So scheint auch eine Unterhaltssicherung für Alleinerziehende wieder in weitere Ferne zu rücken.

In einem schriftlichen Interview mit dem feministischen Magazin "an.schläge" ließ die Frauenministerin außerdem wissen, dass "[e]ine gesetzliche Neuregelung der Fristenlösung derzeit [...] kein Thema" sei. Damit legt sie die Vermutung nahe, dass sich daran noch etwas ändern könnte. Zum Thema Abtreibung beziehungsweise Schwangerschaft wird im Regierungsprogramm festgehalten, dass schwangere Frauen "besonderer Unterstützung" bedürften. Damit ist aber nicht gemeint, dass sie in ganz Österreich selbstbestimmt und ohne finanzielle Hürden über den weiteren Verlauf der Schwangerschaft entscheiden dürfen. Als Maßnahme wollen FPÖ und ÖVP im Gegenteil eine "medizinische und soziale Beratung vor geplanten Schwangerschaftsabbrüchen" einführen. Diese sind jedoch weniger als Unterstützung, sondern vielmehr als zusätzliche Hürden zu verstehen, da Frauen an – im schlimmsten Fall verpflichtenden – Beratungen teilnehmen sollen, bevor sie eine Abtreibung auf legalem Wege in Anspruch nehmen können. Das würde für Frauen in ländlicheren Bereichen, wo die Versorgung schlecht ist, eine große organisatorische, aber auch finanzielle Herausforderung bedeuten. Auch präventive Maßnahmen, um ungewollte Schwangerschaften zu reduzieren, sind nicht weiter vorgesehen.

Instrumenteller Gewaltschutz

Ähnlich beunruhigend sind auch die im Regierungsprogramm angekündigten Maßnahmen zur Gewaltprävention. Sie richten den Fokus auf "zugewanderte, geflüchtete Frauen" und betrachten Gewalt gegen Frauen in erster Linie als Problem von Migrantinnen und Migranten. So ist der Einsatz von Außenministerin Karin Kneissl, sich auch außenpolitisch für die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen zu wollen und eine Million Euro Aktivitäten gegen weibliche Genitalverstümmlung (FGM) zu widmen, zwar sehr löblich. Gleichzeitig lässt die Regierung kein Interesse für eine Vielzahl von Gleichstellungs- und Benachteiligungsfragen erkennen, die die österreichische Mehrheitsgesellschaft betreffen sowie Männergewalt innerhalb ebendieser. Dadurch wird die rassistische Externalisierung von Gewalt als vorwiegend in migrantischen Communities anzutreffendem Problem fortgesetzt.

In eine ähnliche Kerbe, Geschlechtergerechtigkeits- und Gewaltschutzthemen zu ethnisieren, schlägt auch das angedachte Kopftuchverbot bei unter zehnjährigen Mädchen. Die angekündigten 100 zusätzlichen Plätze für von Gewalt betroffene Frauen in den nächsten vier Jahren werden hingegen von Gewaltschutz-Expertinnen und -Experten sowie Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Gewaltschutzeinrichtungen als "zu wenig" eingeschätzt. Auffallend ist außerdem, dass die Regierung in diesem Zusammenhang stets von Notunterkünften, nicht jedoch von Frauenhäusern spricht.

"Gewaltschutz als neuer Schwerpunkt" des Frauen- beziehungsweise Familienministeriums wird neuerdings auch als "Argument" angeführt um die massiven finanziellen Kürzungen von frauenpolitischen Förderungen zu legitimieren. Umso verwunderlicher, dass gleichzeitig zahlreiche Maßnahmen aus dem Gewaltschutzbereich von Kürzungen aus dem Innenministerium betroffen sind, wie beispielsweise Schulungen von Polizistinnen und Polizisten durch Trainerinnen aus den Frauenhäusern, Beratungen von Familien in Krisensituationen, bei denen Gewalt ebenfalls ein häufiges Thema ist oder auch die Finanzierung der Ringvorlesung "Eine von Fünf" an der Uni Wien, die Themen rund um häusliche beziehungsweise geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen aufgreift und Studierenden näher bringt.

Insgesamt, so wurde kürzlich bekannt, wurden feministischen und frauenpolitischen Vereinen, Projekten aus dem Kunst-, Kultur- und Bildungsbereich, Zeitschriften, Beratungs- und Interventionsstellen sowie dem Klagsverband für betroffene von Diskriminierung rund 700.000 Euro gestrichen. Zwar handelt es sich oftmals nur um "kleinere Beträge", die aber gerade für viele kleinere Vereine existenzsichernde Auswirkungen hatten. Dass die Kürzungen erst im Laufe der letzten Wochen bekannt wurden, bringt zudem viele Vereine in Notlagen, da Förderungen bereits eingeplant wurden.

Solidarität ist gefragt

Die auf Bundesebene gesetzten Maßnahmen verdeutlichen nicht zuletzt, mit welchem Tempo die Regierung versucht, frauenpolitische Arbeit zu verunmöglichen, Frauenprojekte einzuschüchtern und die feministischen Verbesserungen in Hinblick auf Gleichberechtigung, die teilweise von den ebenjenen Vereinen (mit-)erkämpft wurden, wieder rückgängig zu machen. Bleibt zu hoffen, dass sich die betroffenen Projekte nicht einschüchtern lassen und zumindest der Status Quo durch alternative Finanzierungsmöglichkeiten aufrecht erhalten werden kann.

Oberösterreichische Parallel-Regierung: Protestaktion der Initiative "Ohne uns viel Spaß" 2016.
Foto: ohneunsvielspass.at/Kamila Kolanska

Gerade das Beispiel Oberösterreich, wo sich feministische und frauenpolitische Organisationen bereits seit 2015 mit einer schwarz-blauen Landesregierung auseinandersetzen müssen, hat gezeigt, dass feministische Vereine nicht so einfach klein zu kriegen sind. Ende 2017 wurde dort die Streichung sämtlicher Fördergelder für einige Frauenorganisationen mit der Begründung, die Tätigkeit dieser "nach den neuen Förderkriterien nicht mehr zum Kerngeschäft des Frauenreferats" gehöre, bekannt. Unter den Hashtags #OhneUnsVielSpaß oder #frauenlandretten wurden in Oberösterreich wichtige Initiativen geschaffen, um feministischen Anliegen Gehör zu verschaffen und dafür auch gesellschaftliche Solidarität zu erhalten, die nun auch auf Bundesebene gefragt ist. (Judith Goetz, 20.8.2018)

Judith Goetz ist Literatur- und Politikwissenschaftlerin und Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit sowie des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus. Im Herbst 2017 erschien der von ihr mitherausgebene Sammelband "Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremem 'Identitären'".