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Der moderne Brotweizen (Triticum aestivum) ernährt ein Drittel der Weltbevölkerung. Die nun vorgestellten Genom-Entschlüsselung stellt einen wichtigen Beitrag dar, um den künftigen Nahrungsbedarf zu decken.

Foto: Reuters/Calyxt

Bethesda/Wien – Mitte Juli haben Archäologen die Entdeckung der bislang ältesten bekannten Brotreste vorgestellt. Die verkohlten Fladen fanden sich an mehreren Feuerstellen im Nordosten Jordaniens und dürften bis zu 14.400 Jahre alt sein. Damals lagen die Anfänge der Landwirtschaft noch einige Tausend Jahre in der Zukunft. Wie dieser Fund jedoch zeigt, spielten wilde Süßgrasarten bereits eine wichtige Rolle unter den Jägern und Sammlern der heutigen Levante. Die Forscher identifizierten in den Überresten Mehl aus Wildformen von Gerste und Hafer – aber auch Einkorn, die urspünglichste Form des kultivierten Weizens.

Eine größere Bedeutung gegenüber anderen Getreidesorten gewann der Weizen in Europa erst ab dem 11. Jahrhundert, als das Weißbrot in Mode kam. Mittlerweile stellen Brotweizen (Triticum aestivum) und Hartweizen (Triticum durum) die mit Abstand wirtschaftlich wichtigsten Getreidesorten dar: Die Ernährung von etwa einem Drittel der Erdbevölkerung basiert auf diesem Korn, das fast 20 Prozent der Kalorien und Proteine ausmacht, die Menschen insgesamt verbrauchen. Weltweit werden derzeit rund 220 Millionen Hektar davon angebaut, gefolgt von Mais mit 180 Millionen Hektar und Reis mit 160 Millionen Hektar. Gerste liegt etwas abgeschlagen mit einer globalen Anbaufläche von 50 Millionen Hektar an vierter Stelle.

Weiter Weg bis zum modernen Industrieweizen

Was heute als Saatweizen eingesetzt wird, ist genetisch allerdings bereits ziemlich weit entfernt von den historischen Ursprüngen und geht auf zahlreiche Kreuzungen aus mehreren unterschiedlichen Getreide- und Wildgrasarten zurück. Einem internationalen Team aus über 200 Wissenschaftern aus 20 Ländern ist es nun gelungen, dieses unübersichtliche DNA-Konglomerat zu entschlüsseln.

13 Jahre hat es gedauert, ehe die Forscher im aktuellen Fachjournal "Science" die bisher umfangreichste Genkarte des modernen Brotweizens der Sorte Chinese Spring vorstellen konnten. Weitere auf den neuen Ergebnissen basierende Studien wurden zeitgleich ebenfalls in "Science" sowie in den Fachmagazinen "Science Advances" und "Genome Biology" präsentiert, was das große Gewicht dieses mit Spannung erwarteten Erfolges illustriert.

Hochkomplexes Genom

Das vom Internationalen Weizen-Genom-Sequenzierungs-Konsortiums (IWGSC) koordinierte Projekt sah sich dabei einer enormen Herausforderung gegenüber, immerhin ist das Genom von Weizen fünf Mal so umfangreich wie das des Menschen. Da auch modernste Sequenzierungstechniken das Erbgut nicht in einem Aufwasch decodieren können, konnten die Forschern immer nur mit einzelnen Fragmenten arbeiten. Für den korrekten Zusammenbau dieser Teilsequenzen entwickelte das Team spezielle Algorithmen, die schließlich klären konnten, welche Gene wo liegen, wie sie organisiert sind und welche Aufgaben einzelne Gene übernehmen.

Am Ende dieser Mammutaufgabe steht nun die Identifizierung von weit über 100.000 Genen und vier Millionen molekularen Markern auf 21 Chromosomen in drei Untergenomen. "Weizen hat ein unglaublich komplexes Genom, das ihn anpassungsfähiger als jede andere Nutzpflanze macht", sagt die IWGSC-Vorsitzende Kellye Eversole.

Waffe im Kampf gegen den Welthunger

Der praktischen Nutzen der nun vorliegenden Genkarte sei daher auch kaum zu unterschätzen. So soll sie etwa die Herstellung von Sorten erleichtern, die höhere und stabilere Erträge bringen und besser an den Klimawandel angepasst sind. Auch jene Gene wurden analysiert, die an Allergien beteiligt sind. Dies biete Hoffnung für Menschen mit Unverträglichkeiten, etwa gegen die Gluten-Proteine.

Die Forscher rechnen schon in zwei bis drei Jahren mit entsprechenden Effekten bei der Zucht neuer widerstandsfähigerer und nahrhafterer Sorten. Das sei auch dringen notwendig, schreiben die Experten: Um den Nahrungsbedarf der wachsenden Weltbevölkerung decken zu können, die den Prognosen zufolge bis 2050 bei 9,6 Milliarden Menschen liegen könnte, müsste die Produktivität des Weizenanbaus um mindestens 1,6 Prozent gesteigert werden. Damit dies nicht auf Kosten der Umwelt geht und neue Agrarflächen erschlossen werden müssen, könne das nur mithilfe neuartiger Getreidevarianten gelingen. Die Entschlüsselung des Weizengenoms sei dafür ein unverzichtbares Werkzeug, so die Wissenschafter. (tberg, 16.8.2018)