Rund dreißig Ansichten des Dobratsch steuerte Sebastian Isepp zur Ausstellung der Neukunstgruppe 1911 bei. Bild: "Landschaft mit Föhre" (1905).

Foto: Graphisches Atelier Neumann, Wien

Für die Ausstellung der Neukunstgruppe um Egon Schiele 1911 in der Wiener Zedlitzhalle durfte kein Berg motivisch mehr herhalten als der Villacher Hausberg Dobratsch. Das lag an Sebastian Isepp. Der 1884 in Nötsch am Fuße des Dobratsch geborene Maler steuerte 29 Landschaften bei, verteilt auf einen "Wintersaal" und einen "Sommersaal".

Wer den nicht ungefährlichen Berg kennt, kann bis heute einzelne Baumkonstellationen identifizieren – aber dazu muss man ihn sehr gut kennen: Isepps Gemälde sind zum Teil so nahsichtig, als hätte er sich beim Malen stets die Zweige aus dem Gesicht halten müssen.

Unter den Künstlern des später so genannten Nötscher Kreises war er der Älteste, der Weltläufigste und vielleicht auch der Schwierigste. Er bewog den ebenfalls aus Nötsch stammenden Franz Wiegele zur Inskription an der Wiener Kunstakademie. Er knüpfte den Kontakt zu dem aus Mähren stammenden Mitstudenten Anton Kolig. Er war befreundet mit Oskar Kokoschka und vertraut mit Hugo von Hofmannsthal und verkehrte wohlgelitten in der Wiener Kunst- und Intellektuellenszene.

Sebastian Isepp "Ruten am Nötscher Bach" (1909/10).
Foto: Graphisches Atelier Neumann, Wien

Irgendwann im Verlauf des Ersten Weltkriegs versiegte der Malfluss plötzlich. Isepp verlegte sich auf das geliebte Lautenspiel, wurde Reisebegleiter und Kunstkaufberater (vor allem Hofmannsthals) und suchte seine Erfüllung in der Arbeit als einfühlsamer Restaurator. Österreich musste er 1938 wegen seiner jüdischen Ehefrau verlassen. Nach Nötsch kehrte er bis zu seinem Tod nicht mehr zurück.

Da die letzte Werkschau Isepps mehr als 40 Jahre zurückliegt, hat das Museum des Nötscher Kreises seit längerem eine Würdigung des Künstlers angestrebt, dessen Werke verstreut und teilweise leider verschollen sind. Heuer, zu dessen 20-Jahr-Jubiläum, ist es gelungen. Die von Kunsthistorikerin Sigrid Diewald kuratierte Schau folgt chronologisch den akademischen Anfängen über die Jugendstil-Phase bis zu den Landschaften. Den spektakulärsten Eindruck hinterlässt der vorletzte Saal: Als ob das Rad der Zeit stehen geblieben wäre, kann man hier noch einmal jenen "Wintersaal" erleben, der dem Künstler 1911 den Beinamen "Schnee-Isepp" eingetragen hat. (Michael Cerha, 17.8.2018)