Salzburg – "Obwohl ich nie zurückgekehrt bin, kehrt Palästina zu mir zurück": Die Sopranistin des Stücks Looking for Palestine ist das Alter Ego von Autorin Najla Said. Deren Vater Edward W. Said gründete 1999 zusammen mit Daniel Barenboim und Bernd Kauffmann das West-Eastern Divan Orchestra. Geboren in Boston, ist Said "palästinensisch-libanesisch-amerikanische Christin, aber als Jüdin in New York aufgewachsen". Ihr Stück Palestine legte Komponist David Robert Coleman seiner musikdramatischen Miniatur zugrunde.

Politisch bewusst "neutral" schildert Looking for Palestine die Erschütterung einer Erzählerin, die aus der Badeurlaubs-Idylle in den Krieg gerissen wird. Der Komponist ist um Distanz zu Kriegsmalerei bemüht. Er setzt auf den Wechsel von gesprochenen, rezitierten und wenigen gesungenen Passagen, die Sopranistin Elsa Dreisig brillant realisiert. Eine kleine, aber wichtige und vom Publikum bejubelte Feierstunde.

Größer dimensioniert ist Anton Bruckners Symphonie Nr. 9 d-Moll WAB 109. Deren ersten Satz legt Daniel Barenboim wie die Untermalung eines Mount Everest-Films an, an dessen Ende der Alpinist seinen Gott geschaut und trotzdem überlebt hat. Das hervorragende West-Eastern Divan Orchestra ließ sich bereitwillig auf Wanderung führen. Das Thema im dritten Satz ließ Barenboim aufblühen, Abgründe wie die berühmte Generalpause wurden mit nur wenig Schreck ebenso feierlich bewältigt. (Heidemarie Klabacher, 17.8.2018)