Boote am Strand von Gaza: Die Fischereizone wurde von Israel im Rahmen der ersten Etappe einer Waffenruhe von drei auf neun Seemeilen ausgeweitet.

Foto: AFP / Said Khatib

Krieg oder Waffenstillstand im Gazastreifen: Schien vergangene Woche das Pendel in die Richtung eines neuen Konflikts zwischen Israel und der Hamas auszuschlagen, so gehen die Nachrichten ein paar Tage später wieder in die andere Richtung. Zwischen offiziellen Dementis, anonymen Stellungnahmen und Gerüchten über Details, wie eine Abmachung aussehen könnte, wird das Ringen um eine längerfristige Vereinbarung – "umfassend" ist dann stets das Wort – erkennbar. Allerdings hat der Aufmarsch palästinensischer Demonstranten auch am Freitag wieder mit Gewalt geendet: Zwei Palästinenser sind tot, mehr als 200 verletzt.

Hauptort der neuen Gaza-Diplomatie ist Kairo, sie steht unter Ägide der Uno, namentlich des Sondergesandten für den Nahost-Friedensprozess, Nickolay Mladenov. Aber die Ägypter sind nicht nur Gastgeber, sondern ebenso Vermittler. Geheimdienstchef Generalmajor Abbas Kamel war diese Woche in Tel Aviv und wurde dort offenbar auch von Premier Benjamin Netanjahu empfangen, was diverse Medien zu optimistischen Titeln wie "Ägypten finalisiert Details der langfristigen Waffenruhe Hamas-Israel" veranlasste.

Was aber noch völlig fehlt, ist die Bestätigung, dass es Ägypten gelungen wäre, einen Deal mit der Hamas auch in Ramallah schmackhaft zu machen. Es geht ja im Grunde um zwei Schienen: Israel-Hamas und Ramallah-Hamas. Denn völlig ohne Unterstützung der palästinensischen Behörde beziehungsweise der Fatah unter Präsident Mahmud Abbas wird es nicht funktionieren.

Alarmglocken in Ramallah

Aus Ramallah heißt es immerhin, dass Fatah-Vertreter nächste Woche an den Gesprächen in Kairo teilnehmen könnten. Laut arabischen Diplomaten sieht Abbas das, was jetzt geschieht, als gefährliche Zementierung der Herrschaft der Hamas über den Gazastreifen – und somit der innerpalästinensischen Spaltung. Denn, so schreibt auch Haaretz, der jetzt geplante Deal sieht offenbar nicht vor, dass die Palästinenserbehörde die Kontrolle über den Gazastreifen übernimmt, wie das etwa im letzten, nicht umgesetzten Hamas-Fatah-Versöhnungsabkommen der Fall gewesen war.

In Ramallah läuten auch deshalb die Alarmglocken, weil vermutet wird, dass der Gaza-Deal Teil eines größeren Projekts ist: des "Big Deal", mit dem US-Präsident Donald Trump Israelis und Palästinenser befrieden will. Obwohl zuletzt von US-Seite versichert wurde, dass keine Seite – weder die Israelis noch die Palästinenser – eine reine Freude mit dem Trump-Friedensplan haben werden, so erwarten doch vor allem die Palästinenser davon nichts Gutes.

Märkte im Gazastreifen wieder bestückt

Das palästinensische Misstrauen wird von der tatsächlich erstaunlichen Tatsache befeuert, dass Israel, wenn auch nicht direkt, mit der Hamas verhandelt. Bisher gibt sich die israelische Regierung schweigsam, man redet höchstens von der Rückkehr zum Status quo vor der aktuellen Eskalation, die Ende März mit den Aufmärschen vor der 70-Jahr-Feiern zur israelischen Unabhängigkeit begann.

Aber laut Medienberichten geht es um mehr als nur um eine Rückkehr zu den Arrangements, die nach dem letzten Gaza-Krieg 2014 geschlossen wurden. Die angestrebte Abmachung sieht mehrere Etappen vor. Der allererste Teil wäre mit der Einstellung der Gewalt durch die Hamas sowie der Öffnung des Grenzübergangs Kerem Shalom durch Israel für den Import von Gütern in den Gazastreifen am Mittwoch bereits umgesetzt. Auch die Ausweitung der Fischereizone von drei auf neun Seemeilen gehört dazu, am Mittwoch waren die Märkte im Gazastreifen erstmals wieder mit reichlich Fisch bestückt, berichten Augenzeugen.

Mehrphasenplan

Das ist aber nur der Beginn einer ersten Phase, die sich nach einem Jahr in einen längeren Waffenstillstand verwandeln sollte. In dieser Zeit sollen die Bewohner des Gazastreifens die dringend benötigte humanitäre Hilfe erhalten und die harte Blockade gegen den Gazastreifen gelockert werden, immer unter der Voraussetzung, dass der Gewaltverzicht hält. Der nächste, sehr schwierige Schritt, über dessen Details angeblich bereits gesprochen wird, ist ein Gefangenenaustausch. Danach käme ein breit angelegter Wiederaufbau im Gazastreifen, wobei auch immer wieder von einem See- und einem Flughafen die Rede ist. Aber das ist wirklich Zukunftsmusik.

Interessant ist dabei auch der Einbezug eines arabischen Spielers, der eigentlich momentan seine eigenen Sorgen hat. Als Geldgeber wird immer wieder Katar genannt: was Saudi-Arabien nicht gefallen dürfte, das Katar gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und eigentlich auch Ägypten ja völlig boykottiert. Aber Katar hat durch seine guten Beziehungen zu den Muslimbrüdern eben auch einen Draht zur Hamas.

Im israelischen Sicherheitskabinett gibt man sich bedeckt, Kritik kommt jedoch aus der nationalreligiösen Koalitionspartei Habayit Hayehudi. Da immer wieder Neuwahlen in der Luft liegen, kann Netanjahu einen Krieg mit der Hamas, der auch die Menschen in Südisrael in Mitleidenschaft ziehen würde, nicht brauchen. Aber auch ein Handel mit der Hamas könnte hohe politische Kosten für ihn haben. (Gudrun Harrer, 17.8.2018)