Wie schwul muss man sein, damit einem das Innenministerium glaubt? Offenbar ist es Ermessenssache des Beamten, ob er einem Asylwerber dessen Homosexualität abnimmt oder nicht. "Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten", begründete ein Beamter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl den negativen Bescheid für einen jungen Afghanen. Hätte ein wenig Rouge auf den Wangen geholfen, eine wiegende Hüfte oder nur ein abgewinkelter kleiner Finger?

Der Fall hat auch international Wellen geschlagen, zahlreiche Medien berichteten über den skurrilen Entscheid und kommentierten hämisch bis empört die Asylpraxis in dem kleinen EU-Land. Die Österreicher stehen als Sexisten und Rassisten da, als fremdenfeindlich, schwulenfeindlich, hinterwäldlerisch, als heimtückisch, auch ein bisschen als blöde. Das verdanken wir – nicht nur, aber auch – unserer Regierung, die den Stoff dazu liefert.

Ein Stadtrat der FPÖ empört sich in dieser Woche über ein Werbeplakat der Bundesbahnen, auf dem zwei Männer mit einem Kleinkind zu sehen sind, der eine davon dunkelhäutig. Der FPÖ-Funktionär macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: "Das ist doch nicht normal! 2 vermeintliche Schwuchteln m Baby und davon noch ein Neger. Mir graust ...", schrieb er. Das ist sexistisch und rassistisch, grauslich ist es auch. Das ist hinterwäldlerisch, das ist bösartig. In der FPÖ aber offenbar normal. Der Herr war zum Stand Wochenende nach wie vor Stadtrat, die Partei, immerhin Teil der Regierung, sah keinen Handlungsbedarf. Rassismus und Sexismus werden zumindest geduldet.

Immanenter Rassismus

Die ÖVP? Schweigt dazu. Parteichef Sebastian Kurz findet das wahrscheinlich nicht so toll, sagt aber nichts. Das ist gefährlich. Der in der FPÖ immanente Rassismus scheint ansteckend zu sein und greift auf den Koalitionspartner über: Am Freitag war eine EU-Abgeordnete der ÖVP davon befallen. Nach einer scharfen Zurechtweisung ihres Delegationsleiters in Brüssel war sie immerhin selbst "erschüttert". Sie löschte ihr Posting und entschuldigte sich für ihre Vorurteile.

Ihre Auslassungen auf Facebook waren allerdings keine spontane Entgleisung, sondern ein langer und sorgsam verfasster Text, in dem sie ihren Rassismus unfreiwillig selbst sezierte. Kurz zusammengefasst: Der Afrikaner ist selbst schuld an seinem Unglück, er passt nicht nach Europa, er soll besser bleiben, wo er ist.

Das mögen viele unterschreiben, es ist in seiner klischeehaften Vereinfachung und in seiner argumentativen Abkürzung aber schlicht rassistisch.

Auch wenn das in der ÖVP weniger laut rülpsend und vulgär daherkommt als in der FPÖ, diese Herabwürdigung von Menschen und dieser Mangel an Respekt untergraben die Glaubwürdigkeit und Autorität der Regierung und zeichnen letztendlich ein Bild von Österreich, das zutreffend sein mag, aber zweifellos wenig schmeichelhaft ist.

Man muss nicht für offene Grenzen sein, man braucht kein "Willkommensklatscher" zu sein – was für eine dümmliche Zuschreibung übrigens -, man kann für strenge Regeln bei der Migration sein und über die Flüchtlingspolitik streiten: Ungeachtet dessen ist es ein Zeichen von Intelligenz, diesen Rassismus, wie er offenbar wieder salonfähig wird, an sich abprallen zu lassen, und es ist ein Zeichen von Anstand, dagegen aufzutreten. (Michael Völker, 17.8.2018)