21. August 1968: Panzer auf den Straßen von Brno.

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50. Jahrestag des 21. August 1968, also des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen in die ČSSR. Ich bin Zeitzeuge. An diesem Tag war ich in der ČSSR, allerdings nicht sehr lange. Mit einem Freund und Studienkollegen fuhr ich am 11. August nach Prag. Wir übernachteten in einem Studentenheim, sahen uns Sehenswürdigkeiten an, besuchten die Laterna Magica – eine frühe Multimedia-Show –, hörten am Abend Musik in Jazzkellern. Eher zufällig waren wir am Hradčín dabei, als Nicolae Ceaușescu, damals ziemlich frisch gewählter Generalsekretär der KP Rumäniens, zu einem Besuch bei Alexander Dubček eintraf. Die Menge am Hradčín jubelte ihm zu, er wollte ja wie Dubček eine erweiterte politische Autonomie der Warschauer-Pakt-Staaten.

Eilige Abreise

Wir blieben bis 20. August in Prag, und wir hatten die ganze Zeit das Gefühl, dass es den Prager Frühling wirklich gab. Die Leute waren überall voller Hoffnung, offen und freundlich. Hinweise auf eine radikale Änderung der politischen Lage konnten wir nirgends entdecken. Mit diesem Gefühl fuhren wir am 20. August nach Brno und quartierten uns dort wieder in einem Studentenheim ein. Am Abend saßen wir dann noch länger mit einer Gruppe von Studenten aus der DDR beisammen und unterhielten uns recht gut.

Um etwa 4 Uhr früh klopfte es an unsere Zimmertür. Wir waren überrascht. Vor der Tür standen unsere neuen DDR-Freunde vom Abend davor. Sie sagten: "Die Russen kommen. Wir können ja nicht so einfach weg, aber wir glauben, dass ihr so schnell wie möglich heimfahren solltet." Wir packten also (sehr eilig) und fuhren in Richtung Grenze los.

Truppentransportflugzeuge über unseren Köpfen

Bei der Fahrt durch die Stadt mussten wir schon einige Male um Panzer herumfahren. Von der Stadt bis zur österreichischen Grenze fuhren wir etwa eine Stunde. Während der ganzen Fahrt flogen im Minutenabstand Truppentransportflugzeuge über uns. Der tschechische Grenzbeamte hat uns sehr freundlich und schnell abgefertigt. Der österreichische Grenzbeamte begrüßte uns mit den Worten: "Ihr seid wohl froh, dass ihr wieder daheim seid." Ceaușescu hat noch am 21. August den Einmarsch sehr deutlich verurteilt. Ich hüte immer noch meinen alten Pass mit Visum und Ausreisestempel als historisches Dokument.

Ein persönliches historisches Dokument.
Foto: Erich Neuwirth

Für meine Familie ging die Geschichte auch in Österreich noch weiter. Ein paar Monate später stand eine vierköpfige Familie aus der ČSSR – die Frau war eine Cousine meines Vaters – mit zwei Töchtern, elf und dreizehn, bei uns vor der Tür. Sie waren legal ausgereist und erklärten, in Österreich bleiben zu wollen. Sie suchten um Asyl an und bekamen Jahre später auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Um ihnen Traiskirchen zu ersparen, nahmen meine Eltern die Familie in der Wohnung auf. Ich half dem Mann, einem ausgebildeten Fotografen, bei der Jobsuche. Einige Jahre später machte er sich gemeinsam mit seiner Frau selbstständig und war wirtschaftlich angemessen erfolgreich. (Erich Neuwirth, 20.8.2018)