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Große staatliche Bauobjekte sind nach WM und Krim-Brücke zur Präsidentenwahl erst einmal passé.

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Die Schlagzeilen beherrscht der Kreml-Chef perfekt. Mit seinem Hochzeitsständchen bei Österreichs Außenministerin Karin Kneissl in der Südsteiermark und dem anschließenden, relativ unverbindlichen Plausch mit Kanzlerin Angela Merkel im brandenburgischen Meseberg war Putin am Wochenende in den Medien omnipräsent. Der Versuch, Russland zu isolieren, sei gescheitert, jubelte die Komsomolskaja Prawda.

Daheim gibt es weniger Grund zur Euphorie: Die von der Statistikbehörde vorgelegten Halbjahreszahlen sind ernüchternd. So ist das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozent gewachsen. Weniger als von Wirtschaftsministerium (1,7 Prozent) und Zentralbank, die sogar auf einen Wert zwischen 1,8 und 2,2 Prozent für das zweite Quartal gehofft hatte, erwartet.

Konjunktur flaut ab

Das größere Problem dabei ist, dass es sich womöglich nicht nur um eine Quartalsdelle handelt, sondern Indizien für ein weiteres Abflauen der Wirtschaft sprechen. Die Bedeutung der größten Wachstumstreiber des ersten Halbjahres jedenfalls nimmt deutlich ab. Gepusht wurde die Wirtschaft nämlich vom Export, dem Konsum, staatlichen Großaufträgen und der Fußballweltmeisterschaft.

Die WM ist vorbei. Alle großen staatlich finanzierten Bauten sind abgeschlossen. Auch der Konsum flaut wieder ab. Um drei Prozent war der Umsatz des Einzelhandels im Juni gegenüber dem Vorjahr in die Luft gesprungen. In Kauflaune zeigten sich nicht nur die zahlreichen ausländischen Touristen, sondern auch die Russen – euphorisiert vom überraschend guten Auftritt der Sbornaja.

Russen sparen beim Einkauf

Inzwischen plagen die Menschen im Land wieder alltäglichere Sorgen. Beispielsweise die nach wie vor stagnierenden Einkommen. Nach vier Jahren sinkender Reallöhne ging es in diesem Jahr zwar etwas nach oben, doch ist manches auf Einmaleffekte zurückzuführen. Beim Einkaufen wird daher nun wieder verstärkt gespart. Laut dem Umfrageinstitut Romir ist der durchschnittliche Betrag auf dem Kassenzettel im Juli auf 6,50 Euro geschrumpft. Das ist der niedrigste Wert seit zwei Jahren.

Viele Ausgaben haben die Russen zudem kreditfinanziert. 20 Prozent mehr Kredite als im Vorjahr hat die Bevölkerung aufgenommen. Die Gefahr einer Kreditblase nimmt damit deutlich zu. Erste Anzeichen gibt es bereits: 5,6 Millionen Russen haben heuer bereits Besuch vom Gerichtsvollzieher bekommen, eine Million mehr als 2017. Deren Schulden belaufen sich auf umgerechnet 26,3 Milliarden Euro. Die Ratingagentur Expert warnte daher vor einer neuen Bankenkrise.

US-Sanktionen belasten

Da auch die Industrieproduktion lahmt, hält allein der stabil hohe Ölpreis die russische Wirtschaft (mal wieder) auf Kurs. Nach der Einigung der Interessengemeinschaft Opec+ hat die russische Öl- und Gasindustrie die Anhebung des Förderlimits mit einer Aktivierung der Bohranlagen und Exportpipelines quittiert. Moskau will die aktuelle Konjunktur ausnutzen, zumal unklar ist, wie lange der Petrodollar noch so unbehelligt rollt.

Sorgen bereiten die verschärften US-Sanktionen. Anfang August kündigte Washington neue Sanktionen gegen Moskau an, die es mit der Skripal-Vergiftung begründete. Der Rubelverfall war die Folge.

Spekuliert wurde über ein Landeverbot der russischen mehrheitlich staatlichen Airline Aeroflot in den USA. Aber auch die Pipeline Nord Stream 2 rückt wieder ins Visier. Sollten die USA, wie schon einmal angekündigt, Investitionen in russische Pipelineprojekte unter Strafe stellen, könnten sich die europäischen Partner des Projekts, darunter die OMV, zurückziehen. Auf Gazprom kämen so zusätzliche Ausgaben und Risiken zu. Für Russlands Wirtschaft bedeutet die Unsicherheit den Verlust weiterer Investoren. (André Ballin, 21.8.2018)