Kräuter präsentierte am Dienstag die Jahresstatistik der Volksanwaltschaft.

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St. Pölten – Die Volksanwaltschaft hat 2017 in Niederösterreich 580 Beschwerden im Bereich der Landes- oder Gemeindeverwaltung bearbeitet und 84 Kommissionsbesuche durchgeführt, davon 17 in Pflegeheimen und 16 in der Jugendwohlfahrt. Bei der Präsentation der Jahresstatistik warnte Volksanwalt Günther Kräuter einmal mehr vor der drohenden "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe.

Seit Jahren trete die Volksanwaltschaft für bundeseinheitliche Regeln und Qualitätsstandards ein, sagte Kräuter bei in einer Pressekonferenz am Dienstag in St. Pölten. Eine "Verländerung" würde die – in einem Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Thema "Kinder in öffentlichen Einrichtungen" festgehaltenen – "erheblichen" Unterschiede zwischen den Bundesländern weiter verschärfen. Das würde bedeuten, dass der Bund nicht mehr für die Rahmengesetzgebung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zuständig sein würde.

Nicht nur die Volksanwaltschaft, sondern auch zahlreiche Experten im betreffenden Bereich versuchen seit Monaten, gegen die geplante Gesetzesänderung mobil zu machen. Gebe es gar keine bundesweit einheitlichen Mindeststandards, könne es zu einem "Jugendhilfe-Tourismus" zwischen den einzelnen Bundesländern kommen, befürchtet etwa Hubert Löffler, der Geschäftsführer des Dachverbands der österreichischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen.

Auch Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) sieht die Pläne kritisch. Sie äußerte sich in diesem Zusammenhang folgendermaßen: Der anstehenden "Strukturbereinigung" stehe man zwar grundsätzlich positiv gegenüber, im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sehe man aber "die Übertragung der Gesetzgebung und Vollziehung in die alleinige Zuständigkeit der Länder kritisch." Kräuter forderte eine breite Diskussion im Parlament in Form einer Enquete mit Experten und Vertretern von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen.

Missstände in Wohngemeinschaften

Missstände hat die Volksanwaltschaft außerdem im Zusammenhang mit den Wohngemeinschaften der Therapeutischen Gemeinschaften (TG) festgestellt, darunter psychische und physische Gewalt seitens des Personals, aber auch unter den Jugendlichen. Durch Unterbesetzung oder auch Überforderung der Aufsichtspersonen seien einzelne Jugendliche vor körperlichen und sexuellen Übergriffen durch andere nicht ausreichend geschützt worden. Permanent habe Personalnotstand geherrscht, die Fluktuation sei groß gewesen, Betreuern hätte die Qualifikation gefehlt. Weiters habe es unter anderem unzulässige pädagogische Maßnahmen und Medikation sowie erniedrigende Sanktionen gegeben. Die Aufsichtsbehörde des Landes sei zum Teil informiert gewesen, habe aber lange Zeit nichts oder wenig unternommen.

Kräuter sprach von "unhaltbaren Zuständen", weshalb die Schließung der Einrichtungen "unvermeidlich" gewesen sei. Die Vorgehensweise im März sei allerdings "sehr problematisch" gewesen, kritisierte der Volksanwalt, da die Kinder nicht entsprechend auf die Übersiedlung vorbereitet worden seien und die Räumungen zweier Standorte im Beisein der Polizei Ängste ausgelöst hätten. Seitens des Landes sei bezüglich des Prozedere von Schließungen Besserung gelobt worden.

Im Gegensatz zu anderen Landtagen gebe es in Niederösterreich keine Möglichkeit zu berichten, appellierte Kräuter an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), hier einen demokratiepolitischen Impuls zu setzen. Laut Geschäftsordnung stünde den Ausschüssen sogar frei, die Volksanwälte einzuladen. (red, APA, 21.8.2018)