Griechische Küche, das sind sich unaufhörlich drehende Grillspieße und Souflaki. Das ist Tsatsiki in rauen Mengen, der mit Weißbrot getunkt wird. Und das ist der obligatorische Dorfsalat mit Feta, der sich am besten mit einem kräftigen Schluck Ouzo runterspülen lässt. Zinon Christofidis schüttelt entsetzt den Kopf. "Unsere Küche ist rein in ihren Aromen und voller Intensität. Einfach, aber raffiniert, mit frischen Zutaten, eine magische Kombination."

Seit einigen Wochen verantwortet der 39-Jährige das Restaurant Elemes, das zum neu eröffneten Boutiquehotel Abaton an Kretas Nordküste gehört. Beim Kochen ist er Patriot. Fetakäse in Filoteig, Zucchiniblüten auf Joghurtmousse, mit Raki glasierter Schweinsbraten. Alles ist köstlich und von irritierender Leichtigkeit, mit Ausnahme des Desserts, einer gigantischen Baklava mit Vanilleeis.

Restaurants mit Ambitionen

Hat man der griechischen Küche unrecht getan? Deren Exportschlager sind nicht gerade die subtilsten, Stichwort Gyros und Co. Lange Zeit galt in Griechenland die Devise "Masse vor Klasse". Neuerdings setzt aber eine Generation junger Gastronomen alles daran, das zu ändern – in Ferienregionen wie Kreta, aber natürlich vor allem in der Hauptstadt. Im mit zwei Michelin-Sternen dekorierten Funky Gourmet in Athen etwa vereinen sich lokale Produkte mit internationalen Techniken von Molekularküche bis zu New Nordic Cuisine.

Im Ein-Stern-Haus Hytra wird zwar technischer, aber nicht weniger hellenisch gekocht. Auf der Karte stehen Gerichte mit Spargel, Tannennadeln, Anis und der Käsespezialität Kariki oder Seebrasse mit Fischrogen und Orzo, einer reisförmigen Nudelsorte. In Sichtweite blitzt die Akropolis auf.

Ein Fleischspieß am Teller und dazu Pommes: leider noch immer häufig Realität in griechischen Lokalen.
Foto: Getty Images/iStockphoto/fermate

Tavernenkultur

In den ländlichen Regionen geht es noch bodenständiger, aber nicht weniger spannend zu. Wenn die Großfamilie etwas zu feiern hat, und sei es nur das Leben selbst, dann tut sie das in der Taverne. Die unweit von Gouves, einem Ort in Kretas Mitte, gelegene Taverna Maris macht schon von weitem durch Rauchzeichen auf sich aufmerksam. Senkrecht aufgespießte Fleischlappen brutzeln dort ihrer Verzehrfertigkeit entgegen, Antikristó heißt diese Zubereitungsart. In Hörweite plärrt die griechische Version einer Telenovela, in der Ferne iaht ein Esel.

Alles in allem also so, wie man sich eine Taverne vorstellt. Mit dem Unterschied, dass die Speisekarte weit mehr verspricht als Salat mit rohen Zwiebeln: rote Rüben, frittierte Zucchini, Tsatsiki, Moussaka und eine beachtliche Käseauswahl. Dazu wird krosses Gerstenbrot namens Paximadi serviert, aus dem mit Tomaten, Kräutern und etwas Käse die köstliche Vorspeise Dakos entsteht. Käse ist überhaupt ein wichtiges Produkt in Griechenland. Hierzulande wird meist zu Feta oder Halloumi gegriffen, dabei gibt es viel mehr zu entdecken: Kefalotyri zum Beispiel, eine leicht süßliche Variante aus Schaf- und Ziegenmilch, den in ganz Griechenland beliebten Graviera, den Ziegenfrischkäse Anthotyros oder die kretische Weichkäsespezialität Myzithra.

Spätestens am frühen Abend ist es dann Zeit für griechischen Wein. Kretischer Weinbau steht sinnbildlich für die gastronomische Entwicklung der ganzen Nation. Wenige Länder blicken auf eine derart lange Tradition zurück. Zeitweilig kam der Weinbau auf der mit knapp 8.300 Quadratkilometern größten griechischen Insel fast vollständig zum Erliegen. Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte ein zaghafter Neubeginn, allerdings mit fragwürdiger Qualität.

Noch heute wird ein Großteil der lokalen Trauben zu Tafeltrauben oder Rosinen verarbeitet, aber Hoffnung besteht. Auch hier sind es die jungen Winzer, die es anders machen wollen. Erste beginnen mit biologischem Anbau zu experimentieren.

Tavernen findet man in Griechenland überall. Bei der Qualität gibt es aber massive Unterschiede.
Foto: Abaton Island Resort & Spa

Destilliert

Klischee hin oder her: Zinon Christofidis schwört auf Ouzo. Bevor er beginnt, in der Küche seines Zweitrestaurants ein simples Mittagessen zuzubereiten, füllt er erst einmal die Gläser der Umstehenden randvoll mit dem Anisschnaps, der ganz okay schmeckt, jedenfalls nicht so, dass die Gesichtsmuskeln Sirtaki tanzen. Yamas, auf die Gesundheit! Nachdem er grüne Paprika mit einer Mischung aus Myzithra und Xinomizithra gefüllt hat, filetiert er einen Zackenbarsch, der hier Speziota heißt. Wie, kein Fleischgericht heute? "Es stimmt nicht, dass wir den lieben langen Tag Fleisch essen. Hier auf der Insel spielen Fisch, Meeresfrüchte und Gemüse die Hauptrolle. Und natürlich unsere Milchprodukte."

Dann geht alles sehr schnell: Fetapäckchen, kurz im Ofen gegarter Fisch, gefüllte Paprika, dazu ein leichter Weißwein. Nicht zu vergessen das Sauerteigbrot aus einer über hundert Jahre alten Kultur, getunkt in Seen aus Olivenöl. Herr Christofidis, was ist Ihr Lieblingsgericht? "Wenn ich als Kind im Sommer vom Meer zurückkam, machte meine Mutter selbstgemachte Pommes, frittiert in reinem Olivenöl, dazu gebackene Seebarbe und Bauernsalat mit frischem Brot." Darauf einen weiteren Schluck Gesundheit. Yamas! Und der sich unaufhörlich drehende Fleischspieß ist plötzlich ganz weit weg. (Eva Biringer, RONDO, 28.8.2018)

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Rezept: Griechische Dakos