So sieht das Krankenhaus Nord aus, dessen Bau Auslöser für eine Untersuchungskommission ist. Vollbetrieb soll ab September 2019 möglich sein – bei Kosten von 1,41 Milliarden Euro. Das ist viel später und teurer als ursprünglich geplant.

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Wien – Nachdem FPÖ, Neos und ÖVP am Montag in einer Pressekonferenz kritisierten, dass sie jene für die Untersuchungskommission angeforderten Unterlagen nicht oder nur unzureichend bekommen, war das auch bei der vierten Sitzung der Kommission Thema.

Die Geduld gegenüber dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) scheint auch bei den Vorsitzenden zu schwinden. Sie kritisierten das "Mauern" des KAV nicht nur einmal im Laufe der Sitzung.

Aus technischer Sicht "nicht optimal"

Dort beschäftigt war keiner der am Dienstag geladenen Zeugen – zumindest heute nicht mehr. Dennoch ließen ihre Aussagen Einblicke in die Arbeitsweise und den Projektablauf zu. Laut Wiener Neos seien einige "Ungereimtheiten" ans Licht gekommen. Unter anderem, dass es zu Mehrkosten von einer halben Milliarde Euro gekommen ist.

Zunächst ging es allerdings um die Grundstücksentscheidung: Aus technischer Sicht sei dieses "kein optimaler Standort", sagte Anton Plimon vor der Kommission aus. Plimon ist heute Geschäftsführer des Austrian Institute of Technology, zuvor war er Geschäftsführer eines Unternehmens, das mehrere Gutachten zu den möglichen Grundstücken verfasste.

Beim aktuellen Standort mit der Adresse Brünner Straße 68–70 in der Nähe der S-Bahn müsse man aufgrund der Akustik und der Vibrationen mit Mehrkosten rechnen, habe es 2008 im Gutachten geheißen. Warum man sich beim KAV dann für dieses Grundstück bei einem laut Rechnungshof an der oberen Grenze angesiedelten Kaufpreis entschied, könne er nicht beantworten, sagte Plimon. Nur so viel: "Ein Grundstück wird nicht nur aufgrund von technischen Kriterien ausgewählt."

Ein alternativloser Standort

Dass die Grenzwerte mittlerweile eingehalten werden, weil die notwendigen Maßnahmen dafür gesetzt wurden, davon gehe er aus. Diesbezügliche Messungen habe er aber nicht – das diesbezügliche Gutachten hat 2015 dann ein anderes Unternehmen erstellt.

Dass der Standort "quasi alternativlos" gewesen sei, sagte Alexandra Loidl-Kocher, ehemalige Projektleiterin beim KAV für das Krankenhaus Nord, aus. Sie kam 2007 auf Vorschlag der damals zuständigen Stadträtin Renate Brauner (SPÖ) zum KAV. Damals sei es eine riesige Koordinationsaufgabe gewesen, "ein Bau war ja noch in weiter Ferne", sagte die Personalentwicklerin.

Welches Gebäude in der Folge errichtet wird, war Teil der Befragung von Hans Lechner. Er war für den Architekturwettbewerb verantwortlich. Außerdem erstellt der Ziviltechniker und Architekt für den KAV Gutachten, unter anderem hinsichtlich der Projektsteuerung und der Generalplanung. Ziel sei es, dadurch Geld von Versicherungen zurückzubekommen. Mehrere Regressforderungen sind bekanntlich noch offen.

Ziviltechniker verteidigt Projekt

Dazu, wie hoch diese ausfallen, gibt es unterschiedliche Ausführungen. Der ehemalige KAV-Direktor Thomas Balazs sprach von 200 Millionen Euro. Lechner hält die Summe nicht für realistisch, er rechnet mit 30 Millionen.

Ganz allgemein verteidigte Lechner das Projekt und den ausgewählten Architekten, der keine Erfahrung im Spitalsbau hatte, aber. Das Endergebnis sei gut, "im Making-of gab es Probleme, ja". Dazu habe auch gehört, dass es nach dem Ausstieg des Konsortiums Porr-Siemens-Vamed zu Wissensverlust und einem Machtvakuum gekommen sei.

Ein lange erwarteter Zeuge

Alexandra Loidl-Kocher widersprach dieser Darstellung allerdings. 2013 verließ sie den KAV – zu einer Zeit, in der viele andere gingen oder deren Verträge nicht verlängert wurden. Der bei der letzten Sitzung geladene ehemalige KAV-Direktor Wilhelm Marhold bezeichnete diese Entscheidung – die laut ihm die damals zuständige Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) traf – als fatal. Vor allem dass der Vertrag des damals für das Spital Hauptverantwortlichen Maximilian Koblmüller nicht verlängert wurde, kritisierte er. Dem Projekt sei damals "der Kopf abgeschlagen worden".

Auch andere Zeugen beriefen sich bereits mehrmals auf Koblmüller. Sein Auftritt vor der Kommission wurde deswegen mit Spannung erwartet – er selbst sagte, er freue sich endlich, da zu sein.

Laut Wehsely zu alt für den Job

Zunächst zu seinem Ausstieg: Obwohl ihm zunächst immer signalisiert wurde, dass eine Verlängerung kein Thema sei, habe Wehsely damals kurz vor Ablauf der Frist Ende 2012 argumentiert, dass es dazu nicht kommen werde. "Sie hat mir eröffnet, dass ich das Projekt gut aufgestellt habe, ich aber zu alt für den Job sei." Koblmüller – heute 68 – habe das zur Kenntnis genommen und seine Übergabe vorbereitet. Es übernahm bekanntlich Thomas Balazs. Koblmüller blieb noch elf Monate als Berater, bekam den neuen Verantwortlichen aber kaum zu Gesicht.

Stimmt er der Darstellung Marholds zu, wonach diese Personal-Rochaden zum Nachteil für das Projekt wurden? So würde er es nicht sagen, sagte Koblmüller. Jeder sei ersetzbar, auch er. Allerdings sei man unter seiner Ägide noch im Zeit- und Kostenplan gelegen, danach sei es zu Verspätungen und Explosionen gekommen. "Das Projekt ist noch immer ein gutes, aber es ist viel zu teuer", sagt der jetzige Pensionist.

Was-wäre-wenn-Kosten

Diese Mehrkosten konnten in der Sitzung auch genau beziffert werden. 2013 habe er mit einer Fertigstellung Ende 2015 und einer Inbetriebnahme Anfang 2016 gerechnet – die Kosten wären dann bei 955 Millionen Euro gelegen. Aktuell wird mit Kosten von 1,41 Milliarden Euro gerechnet. Wenn noch die Opportunitätskosten hinzugerechnet werden – also dass Standorte, die ins Spital übersiedeln, an den alten Standorten noch für längere Zeit erhalten und gegebenenfalls adaptiert werden müssen – könne man mit Mehrkosten von 500 Millionen Euro rechnen.

Warum es nach seinem Abgang zu einer solchen Kostenexplosion habe kommen können, konnte Koblmüller nicht nachvollziehen. Er habe keinen Kontakt zu seinen Nachfolgern gehabt. Aber Bauverzögerungen seien natürlich immer teuer.

Den Standort, der bei Beginn seiner Verantwortung schon gewählt war, hält Koblmüller für "in Ordnung", man könne kein Krankenhaus auf einem Acker ohne Öffi-Anbindung bauen. Nach zehn Stunden war die vierte Sitzung vorbei. (Lara Hagen, 21.8.2018)