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Horizon Europe soll Forschungen, die für die Öffentlichkeit relevant sind – zum Beispiel in Sachen Krebs – zielgerichtet fördern.

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Nicht weniger als 100 Milliarden Euro werden für Forschung und Entwicklung im Budgetvorschlag 2021 bis 2027 angepeilt. Viel mehr als bisher sollen Innovation und Risikobereitschaft im Programm Horizon Europe angekurbelt werden. Der Österreicher Wolfgang Burtscher hat diesen Vorschlag mitausgearbeitet.

STANDARD: Die EU-Kommission nennt ihren Vorschlag zur Forschungsförderung im nächsten Budgetrahmen bis 2027 das ehrgeizigste Programm, das sie je hatte. Was ist das Besondere daran?

Burtscher: Zunächst einmal ist das die Steigerung des Budgets von 76 Milliarden, die wir für den Zeitraum 2014 bis 2020 eingestellt hatten, auf insgesamt 100 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027. Man muss dazu auch sagen, dass diese 100 Milliarden für 27 EU-Mitgliedstaaten stehen, nicht für 28.

STANDARD: Also bereits ohne Großbritannien gerechnet, das im März 2019 austritt?

Burtscher: Genau. Das ist also eine massive Zunahme im Forschungshaushalt.

STANDARD: Großbritannien ist nicht nur generell ein starker Nettozahler, es hat – neben Deutschland – bisher auch als Nettoempfänger sehr vom gemeinsamen Forschungsetat profitiert. Heißt das, die Steigerungen fallen für die EU-Staaten nach dem Brexit sogar noch deutlich stärker aus als die nominellen 20 Prozent?

Burtscher: Das kann man so sagen. Deshalb kann man auch von einer massiven Zunahme sprechen. Das reflektiert das absolute Bekenntnis der Union zur gemeinsamen Forschung, auch in absoluten Zahlen.

STANDARD: Eine Expertengruppe um den früheren WTO-Chef Pascal Lamy forderte sogar eine Verdoppelung des EU-Forschungsetats angesichts der globalen Herausforderungen.

Burtscher: Na ja, natürlich hätte man immer gern noch mehr. Aber wir kennen alle die finanziellen Rahmenbedingungen bei Budgetverhandlungen. Die Mittel sind begrenzt und die Ausgaben folglich nicht unbeschränkt vermehrbar. Deshalb sind 100 Milliarden Euro für Forschung und Innovation ein schöner Erfolg, zumal auch noch andere Budgetposten wie die Strukturfonds erhebliche Mittel für Forschung und Innovation vorsehen. Natürlich wird es jetzt noch Debatten geben zwischen den Kogesetzgebern, dem Europäischen Parlament, das 120 Milliarden fordern will, und dem Rat der Mitgliedstaaten.

STANDARD: Worauf wird es ankommen bei diesen Verhandlungen?

Burtscher: Forschung und Innovation sind entscheidend für die Zukunft Europas. Darüber sind sich auch die Staats- und Regierungschefs einig, die sich beim informellen Europäischen Rat im Mai ausdrücklich mit diesem Thema beschäftigt haben. Nun gilt es, dieses Engagement in konkrete Budgetzahlen zu gießen. Die Kommission wird jedenfalls nicht müde werden, für einen angemessenen Forschungs- und Innovationshaushalt einzutreten.

STANDARD: 100 Milliarden sind dennoch nicht einmal zehn Prozent vom gesamten EU-Etat bis 2027. Für Landwirtschaft und Regionalförderung gibt es jeweils mehr als 300 Milliarden in sieben Jahren, obwohl die Regierungschefs dort kürzen wollen.

Burtscher: Die Europäische Kommission hat einen zukunftsorientierten Budgetvorschlag vorgelegt, mit einer erheblichen Steigerung der Mittel für Forschung und Innovation, aber auch zusätzlichen Mittel für ein digitales Europa, Außengrenzschutz und Sicherheit. Es gibt auch einen großen Unterschied etwa zu den Agrarsubventionen. Forschung und Innovation ist eine geteilte Aufgabe mit den Mitgliedstaaten. Die Mittel, die die EU für Forschung zur Verfügung stellt, machen ja nur 15 Prozent der europaweiten Ausgaben aus. 85 Prozent kommen von den Mitgliedstaaten direkt aus nationaler Förderung.

STANDARD: Bei der Landwirtschaft ist es eher genau umgekehrt.

Burtscher: Weil die Landwirtschaft weitgehend eine gemeinschaftliche Politik ist.

STANDARD: Im Vergleich zu China hinken die Europäer nach. Die Chinesen geben inzwischen mehr für Forschung aus als Europa, ähnlich wie Südkorea. Europa steht bei zwei Prozent. Fallen wir zurück?

Burtscher: Europa steht an sich nicht so schlecht da, wenn es um die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung geht. Wo wir stark nachhinken, sind die privaten Ausgaben, auch der Firmen, gerade im Vergleich zu China oder auch zu Korea und den USA. Es trifft zu, dass China inzwischen Europa überflügelt, auch weil wir unserem Anspruch, drei Prozent des BIP für Forschung auszugeben, nicht gerecht geworden sind. Wir liegen gegenwärtig bei zirka zwei Prozent, sind also noch weit von der angestrebten Drei-Prozent-Marke entfernt. Es gibt aber Mitgliedstaaten, die die Marke von drei Prozent schon gerissen haben, dazu gehören auch Österreich und Schweden.

STANDARD: Es sind eher die kleinen Länder?

Burtscher: Die Situation ist sehr heterogen, es gibt große Ungleichgewichte. Die neuen Mitgliedstaaten geben relativ wenig für Forschung aus, während andere Staaten doch erhebliche Mittel aufwenden. Insgesamt aber werden wir unseren Ansprüchen nicht gerecht, geraten ins Hintertreffen.

STANDARD: Kommen wir von den Zahlen weg. Was ist das Ehrgeizige, qualitativ Neue am Programmvorschlag Horizon Europe bis 2027?

Burtscher: Der Vorschlag trifft ein gutes Gleichgewicht von Bewährtem und Neuerungen. Evolution, nicht Revolution. Bewährt ist etwa die Pionierforschung im Rahmen des Europäischen Forschungsrats.

STANDARD: Sprich die Grundlagenforschung?

Burtscher: Genau. Andere bewährte Elemente sind die Förderung der Mobilität von Forschern und generell die kooperative Forschung über die Grenzen hinweg. Es gibt aber auch zwei wesentliche Neuerungen, die zum Ziel haben, die Wirkung der Forschungsaufgaben insgesamt zu steigern.

STANDARD: Welche sind das?

Burtscher: Da ist zunächst der Vorschlag einer verstärkten, missionsorientierten Forschung. Dahinter steckt der Wunsch, bestimmte Themenbereiche, die für die Öffentlichkeit besonders relevant sind, zielgerichtet und über die Grenzen von Fachbereichen, Sektoren und Akteuren hinweg zu fördern.

STANDARD: Wie kann man sich das konkret vorstellen, worum geht es dabei? Geht es dabei um gesellschaftspolitisch relevante Ziele?

Burtscher: Tatsächlich handelt es sich dabei um Themen von weitreichender gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Relevanz. Diskutiert werden gegenwärtig Beispiele wie eine pestizidfreie Landwirtschaft oder plastikfreie Ozeane. Auch der Gesundheitsbereich mit der Zunahme von Demenzkrankheiten oder Krebs als Anwendungsbereich würde sich für eine solche gezielte, missionsorientierte Forschung eignen. Jedenfalls geht um Themen, die für die Menschen wichtig sind. Das ist die Idee dahinter. Und deshalb sollen diese Missionen auch unter breiter Beteiligung aller Akteure definiert werden.

STANDARD: Gibt es dazu einen eigenen Budgettopf, oder geht das über das ganze Forschungsbudget?

Burtscher: Grundsätzlich sollen alle Förderinstrumente – die Grundlagenforschung genauso wie die anwendungsorientierte Forschung oder die neue Innovationsförderung – einen Beitrag zu den Missionen leisten. Schwerpunktmäßig sollen die Mittel dafür aber aus dem Pfeiler "Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit" kommen.

STANDARD: Was ist inhaltlich die zweite große Erneuerung im Forschungsprogramm?

Burtscher: Die betrifft die Schaffung eines Europäischen Innovationsrates. Hintergrund ist, dass wir uns in Europa seit Jahrzehnten darüber beklagen, dass wir zwar sehr stark sind im Bereich der Grundlagenforschung, der wissenschaftlichen Publikationen, es uns aber nicht gelingt, diese Ergebnisse zu verwerten, neue Produkte und Dienstleistungen zu schaffen. Das sind die Amazons und Googles der Welt, die in den USA entstanden sind, aber nicht in Europa.

STANDARD: Wie soll das verbessert werden?

Burtscher: Die Gründe, warum uns das nicht in dem Maße gelingt wie anderen Wettbewerbern, sind natürlich vielfältig. Aber ein Faktor ist sicherlich mitentscheidend, nämlich die Verfügbarkeit von Kapital, um exzellente Forschungsergebnisse in bahnbrechende und marktschaffende Innovationen umzusetzen. Dies ist vielfach mit hohem Risiko verbunden, und Einmalförderungen in Form eines verlorenen Zuschusses sind nicht das geeignete Instrument, um eine nahtlose Förderung von Forschung und Innovation zu bewerkstelligen – um das berüchtigte "Tal des Todes" zu überschreiten. Oft scheitern Projekte an der Anschlussfinanzierung. Wir wissen, dass man in Europa fünfmal weniger Risikokapital findet als in den USA. Banken sind auch nicht risikofreudig. Die neuen Finanzierungsinstrumente im Rahmen des Europäischen Innovationsrates sollen hier Hilfestellung leisten.

STANDARD: Da versucht die Union also einen neuen Pflock einzuschlagen? 13 Milliarden Euro für diesen Innovationstopf scheinen viel, wenn man bedenkt, dass für Grundlagenforschung rund 25 Milliarden zur Verfügung stehen.

Burtscher: In Anbetracht der Bedeutung dieser Frage für Europa scheinen diese Mittel angemessen. Zu bedenken ist auch, dass die Mittel für die Pionierforschung im Rahmen des Europäischen Forschungsrats erheblich angehoben worden sind und Grundlagenforschung ja nicht nur im ersten Pfeiler des Programms stattfindet.

STANDARD: Die Grundlagenforscher, insbesondere aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, fühlen sich oft benachteiligt. Was wird wichtiger, Grundlagenforschung oder angewandte Forschung?

Burtscher: Jeder "Forschungsförderer" muss sich mit dieser Frage auseinandersetzen. Ich glaube nicht, dass es eine exakte Methodologie gibt, um zu definieren, wie dieser Mix genau ausschauen soll. Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen diesen Kategorien immer stärker verschwimmen. Für Horizont Europa haben wir, davon bin ich überzeugt, einen guten Mix gefunden. Grundlagenforschung ist wichtig, sie füllt die Pipeline für zukünftige Innovationen. Deshalb haben wir vorgeschlagen, die Förderung der Grundlagenforschung von 13,3 Milliarden auf 16,9 Milliarden zu erhöhen. Sie ist die Pipeline für zukünftige Anwendungen. Aber die Öffentlichkeit erwartet von Forschung auch eine Wirkung, und deshalb haben wir diesen Aspekt ebenfalls gestärkt. Der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft, aber auch der Einbindung der Sozial- und Geisteswissenschaft kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

STANDARD: Zum Brexit: Großbritannien ist nicht nur ein großer Beitragszahler, sondern auch ein eminent wichtiger Forschungsstandort in der EU, die Universitäten von Oxford und Cambridge zählen zu den besten der Welt. Was bedeutet der EU-Austritt für die EU-27, für Forscher, für Studierende?

Burtscher: Nach unseren Kategorien zählt Großbritannien zu den europäischen Innovation-Leader, ist also führend bei der Innovation. Ein entscheidender Grund hierfür ist das überaus leistungsfähige Forschungssystem, das in Form von Kooperationsprojekten sehr stark mit dem Rest Europas vernetzt ist. Großbritannien ist sehr erfolgreich, was die Beteiligung an EU-Forschungsprojekten anlangt.

STANDARD: Und es ist weltweit gut vernetzt, Englisch ist Weltsprache.

Burtscher: Absolut. Insofern haben die Forscher auf beiden Seiten des Kanals den Brexit sehr bedauert, aber das ist nun eben ein Faktum. Über die Frage, was beim Ausscheiden des Landes aus der Union geschieht, möchte ich nicht spekulieren. Zuerst gilt es, im Herbst die Austrittsmodalitäten festzulegen, dann gilt es, die zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu definieren. Was die Forschung angeht, sind zwei Elemente bereits auf dem Tisch. Die Briten haben in ihrem Positionsdokument klar zum Ausdruck gebracht, dass sie daran interessiert sind, an das nächste Forschungsrahmenprogramm assoziiert zu werden. Die Europäische Kommission hat ihrerseits in ihrem Vorschlag generell die Voraussetzungen für eine Assoziation definiert.

STANDARD: Das würde bedeuten, die Briten würden einzahlen, aber auch profitieren wie bisher, ähnlich wie die Schweiz?

Burtscher: Ja, eine Assoziierung an das Rahmenprogramm beinhaltet Beitragszahlungen. Das ist gegenwärtig bereits der Fall für Staaten wie Israel und die Schweiz. Der Vorschlag für "Horizont Europa" sieht vor, dass im Falle der Assoziation einer bestimmten Kategorie von Staaten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen bestehen soll. Finanzielle Zuwendungen und Rückflüsse sollen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Das ist ein Kriterium, das bisher nicht so klar definiert war.

STANDARD: Und die zweite Vorgabe?

Burtscher: Assoziierte Länder können von Teilen des Programms ausgeschlossen werden.

STANDARD: Was ist das konkret?

Burtscher: Das ist vorab nicht konkret definiert und bleibt den Verhandlungen zwischen der EU und den assoziationswilligen Ländern vorbehalten.

STANDARD: Wir können nur spekulieren, ob es einen Vertrag für einen geordneten EU-Austritt geben wird oder einen harten Brexit. Sicher kann man aber schon jetzt sagen, dass ein Verbleib der Briten in den EU-Forschungsprogrammen für beide Seiten von Nutzen wäre, es darf nur keiner übervorteilt werden?

Burtscher: Wie gesagt, Forscher und Forschungseinrichtungen diesseits und jenseits des Kanals sind eng vernetzt und würden ein Ende der Forschungskooperation sehr bedauern.

STANDARD: Viele Forscher und auch Studierende fragen sich, was der Brexit für ihre konkrete Arbeit bedeutet, lässt sich das abschätzen?

Burtscher: Im Falle einer Assoziation würden die Kooperationsmöglichkeiten weiterhin bestehen, das liegt auf der Hand. Eine andere Frage ist, wie in diesem Zusammenhang die Mobilität der Forschenden gelöst wird. Das ist kein direktes Forschungsthema, sondern zählt zur Freizügigkeit von Personen, ein besonders sensibles Thema.

STANDARD: Jene Unis, die mit großem Abstand von den EU-Programmen profitieren, weit vor allen anderen, sind Oxford und Cambridge, die "big shots". Was bedeutet der Brexit für sie?

Burtscher: Ich weiß jetzt nicht genau, welchen Anteil europäische Forschungsmittel an der Gesamtfinanzierung britischer Universitäten ausmachen. Da britische Universitäten aber sehr erfolgreich am Rahmenprogramm teilnehmen, gehe ich davon aus, dass ein erheblicher Teil der Drittmittel daraus kommt. Fallen diese Mittel weg, ist natürlich der nationale Haushalt gefordert. Die Regierung in London hat bereits in Aussicht gestellt, dass sie für Kosten aus laufenden Horizon-2020-Projekten, wenn erforderlich, aufkommt.

STANDARD: Zu Österreich. Das Land steht gar nicht schlecht da, was die Ausgaben für Forschung betrifft, wo liegen die Stärken und Schwächen?

Burtscher: Zunächst sehe ich in meinem täglichen Arbeitsumfeld, dass österreichische Forscher und Forschungseinrichtungen, aber auch die Wirtschaft sehr erfolgreich am europäischen Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 teilnehmen. Die Erfolgsquote österreichischer Projekte liegt erheblich über dem europäischen Durchschnitt, und das spricht für die Exzellenz dieser Projekte.

STANDARD: Wie wird das berechnet, ist das der Prozentanteil an allen eingereichten Projekten?

Burtscher: Die Erfolgsquote ist generell nicht hoch, weil wir nicht unbegrenzt Mittel zur Verfügung haben. Von 100 eingereichten Projekten werden im Schnitt nur 13,6 gefördert. Die österreichische Erfolgsquote liegt bei 16,9 Prozent. Seit 2014 haben rund 2500 Forscher und Einrichtungen an Horizont 2020 teilgenommen, die in diesen vier Jahren etwa eine Milliarde Euro eingeworben haben.

STANDARD: Woran liegt das?

Burtscher: Zunächst einmal an der Qualität der Forschenden und ihrer Projekte. Das ist das Entscheidende. Österreich hat mit der Forschungsförderungsgesellschaft FFG aber auch eine Institution, die potenziellen Förderwerbern bei der Antragstellung wertvolle Hilfestellung leistet.

STANDARD: Liegt das auch daran, dass Österreich viele hochspezialisierte Klein- und Mittelbetriebe hat, die grenzüberschreitend tätig sind?

Burtscher: Wenn man sich die Zahlen anschaut, wird das bestätigt. Von dieser einen Milliarde, die ich genannt habe, gingen 33 Prozent der Mittel in die Wirtschaft, und davon wiederum ein wesentlicher Teil an KMUs. Konkret waren 557 Klein- und Mittelbetriebe erfolgreich, sie haben aus EU-Forschungsmitteln fast 200 Millionen Euro erhalten. Aber auch die Universitäten und Forschungseinrichtungen sind gut dabei, die TU Wien, die Universität Wien, die TU Graz oder das Austrian Institute of Technology, um nur einige zu nennen. Österreich ist die Beteiligung an der internationalen Forschung nach dem EU-Beitritt gut gelungen, das lässt sich generell sagen.

STANDARD: Was läuft schlecht?

Burtscher: Ein Thema ist, dass Österreich mit drei Prozent des BIPs bei den Forschungsausgaben durchaus führend in Europa ist. Schaut man sich aber das Innovation-Scoreboard der Union an, dann sieht man, dass Österreich nicht zu den Innovationsführern zählt. Da gehören Länder wie Schweden, Dänemark, Großbritannien oder die Niederlande dazu. Österreich steht gut da, hat es aber als sogenannter Innovation-Follower noch nicht zum Innovation-Leader geschafft.

STANDARD: Wie ist das zu erklären?

Burtscher: Da gibt es sicher viele Faktoren. Aber ein zentrales Element ist, dass wir wie auch andere europäische Staaten eine viel geringere Verfügbarkeit von Risikokapital haben. Die Unterstützung von bahnbrechender Innovation wird dadurch behindert. Was im Vergleich zum europäischen Schnitt auch auffällt ist, dass wir in Österreich einen massiv geringeren Exportanteil an Hightech-Produkten und Dienstleistungen haben. Große Fortschritte wurden in den vergangenen Jahren im Bereich der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft erzielt, ein Thema, das man ständig auf dem Radarschirm haben sollte.

STANDARD: Was empfiehlt sich also für eine österreichische Regierung zu tun in der Perspektive für die nächsten zehn Jahre?

Burtscher: Österreich hat in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung seiner Forschungs- und Innovationslandschaft gesetzt, zuletzt die steuerliche Begünstigung von unternehmerischen Forschungsausgaben. In den jährlichen "Länderberichten" der Europäischen Kommission sind auch Empfehlungen für spezielle Politikbereiche wie die Forschung enthalten. Empfehlungen für Österreich betreffen die mangelnde Verfügbarkeit von Risikokapital, die Förderung der Exzellenz der Grundlagenforschung sowie die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft, die noch besser unterstützt werden soll.

STANDARD: Also entgegen dem Trend zur Sicherheit müsste man in der Forschung das Gegenteil tun, sich mehr trauen. Weniger Sicherheit, mehr Risiko.

Burtscher: Absolut, gerade für neue, bahnbrechende Innovationen braucht man das absolut. (Thomas Mayer, 23.8.2018)