David Groß besucht mit seinem Kastenwagen die Menschen hinter den Kleinanzeigen.

Foto: Servus TV

Antonia sucht Mitstreiter für eine Pensionisten-Kommune, Ex-Profiboxer Esperno Postl hat Pokale abzugeben, Polizist Walter bietet Hochzeitstauben an, Tina Muster versucht sich ganz atemlos als Helene-Fischer-Double: Es sind illustre Persönlichkeiten, die Filmemacher David Groß (40) wöchentlich auf Servus TV porträtiert. "Groß- und Kleinanzeigen" heißt sein Format, die erste Staffel endet kommenden Samstag (19.40 Uhr). Ab 21. September geht die Reihe mit 13 neuen Folgen (jeweils Freitag, 22.15 Uhr) in die Verlängerung.

Gefunden hat Groß seine Protagonisten via Kleinanzeigen, regelmäßig durchforstet er dafür Zeitungen wie den "Bazar", die "Goldgrube", den "Falter" oder auch Online-Inserate und besucht dann Menschen hinter diesen Anzeigen mit seinem Kastenwagen. "Schon als Jugendlicher habe ich mich gefragt, was das für Leute sind und welche Geschichten hinter diesen Kleinanzeigen stecken. Es geht ja oft um mehr als darum, irgendetwas zu verkaufen oder zu tauschen", sagt Groß im Gespräch mit dem STANDARD. Und die Kleinanzeigen seien "teilweise so hinreißend – manchmal auch mit schweren Rechtschreibfehlern – geschrieben. Fast wie ein Gedicht."

Gleichgewicht zwischen Komik und Information

Groß war mit "Groß am Land" schon von 2005 bis 2011 für den Servus-TV-Vorläufer Salzburg TV tätig. Später entwickelte er die "Wastecooking"-Reihe – darin kocht er mit Lebensmitteln, die andere wegschmeißen –, die auf Arte und im ORF lief, und startete in Salzburg das Projekt Refugee TV. "Groß- und Kleinanzeigen" ist eine Auftragsproduktion von Servus TV, Regie führt Chris Weisz.

"Mir ist es wichtig, dass die Leute nicht vorgeführt oder ausgestellt werden. Es soll schon lustig sein, aber ich will mich dann genauso lächerlich machen, wie die Leute manchmal erscheinen, wenn sie etwas Komisches tun", sagt Groß, der sich in der Sendung auch selber auf die Schaufel nimmt, wenn er etwa recht ungelenk mit dem Helene-Fischer-Double ein Liebeslied singt. "Wenn die Leute sehen, dass ich unsicher bin oder mich deppert anstelle, bekommt das etwas Ausgeglichenes." Wichtig sei vor allem der Schnitt, hier gelte es das Gleichgewicht zwischen informativen Geschichten und komischen Situationen zu finden.

Seine Lieblingsfolge bisher ist jene, in der der Steirer Wolfgang Gobetz versucht, ein ganzes Feriendorf zu verkaufen. Eine abenteuerliche Mischung aus Freilichtmuseum, Indianersiedlung und Jesus-Tempel, die Gobetz selber gebaut hat.

Ein Stück österreichische Geschichte

In der zweiten Staffel will der Filmemacher das spezifisch Österreichische noch stärker herausarbeiten. Viele Gegenstände, die mittels Kleinanzeigen angeboten werden, hätten historische Bezüge. Groß: "Ich finde die Momente spannend, bei denen man ein Stück österreichische Geschichte über den Gegenstand oder die Menschen mitbekommt oder natürlich auch eine ganz spezielle Mentalität." Und er will zeigen, dass Kleinanzeigen oft auch der Versuch sind, mit der Welt in Kontakt zu treten. Für die Drehs bereitet er sich wie auf ein Interview vor, überlegt sich Fragen, "ich versuche dann aber, sie wieder zu vergessen. Damit ich in der Situation offen bin für das, was sich ergibt. Und das Gespräch funktioniert nur, wenn es mich selber interessiert."

Die bei den Besuchen erworbenen Dinge hebt er in seinem Kastenwagen auf, der platzt inzwischen aus allen Nähten. In der letzten Folge der ersten Staffel trifft er am Samstag eine Ordnungsberaterin, die ihm dabei helfen soll, das Zeug wieder loszuwerden. Funktioniert das? "Nein, ich kann mich nicht trennen von Dingen, die mir etwas bedeuten. Zum Beispiel der Pokal von Postl. Es macht zwar keinen Sinn, den zu behalten. Aber es ist für mich eine Erinnerung an diese Begegnung."

Spiras "Alltagsgeschichten" als Aha-Moment

Als ein Vorbild nennt er Elizabeth T. Spira, ihre "ungeschönten Österreich-Porträts" waren für ihn eine "wichtige Anregung, wie man ein echtes, authentisches Bild ins Fernsehen bringen kann". Groß: "Für mich waren die 'Alltagsgeschichten' vor 20 Jahren ein Aha-Moment. Ich habe Österreich zuvor noch nie so gesehen. Aber genau so ist es doch, die Donauinsel in Wien zum Beispiel ist mir immer genau so vorgekommen, wie es die Spira gezeigt hat." (Astrid Ebenführer, 24.8.2018)