Eines der beklemmendsten Bilder der Krise 2015: der Kühl-Lkw auf der Autobahn bei Parndorf und die Tatortermittler, die erst nach und nach das Ausmaß der Tragödie enthüllen.

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Das Jahr 2015 hat Europa her-, um nicht zu sagen durchgebeutelt. Die dazugehörigen Bilder haben sich ins kontinentale Gedächtnis gebrannt. Allen voran der Kühl-Lkw auf der A4 bei Parndorf. Die burgenländische Polizei hat darin 71 tote Menschen gefunden. Vier Kinder darunter. Das aber war erst der Auftakt. Die Geschichte dieses Fanals – das ein zumindest seit dem Frühjahr laufendes Vor- und in den Winter hinein andauerndes Nachspiel hatte – ist hundertfach schon erzählt worden. Die Schlüsse, die daraus gezogen worden sind – so oder so -, beherrschen bis heute die politische Debatte.

Helmut Marban hat dieser europäischen Geschichte unlängst einen neuen Aspekt hinzugefügt: den der polizeilichen Kommunikation in Krisenzeiten, da einem die Ereignisse davonzulaufen scheinen mit der Gefahr, viele Menschen mitzureißen. Im gelungenen Fall kann die polizeiliche Kommunikation mithelfen, die öffentliche Ruhe aufrechtzuerhalten. 2015 war das nicht immer zu garantieren.

Krisenkommunikation

Helmut Marban war in diesen turbulenten Tagen Pressechef in der Landespolizeidirektion in Eisenstadt. Nach einem Zwischenspiel als Sprecher des Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil ist der Oberstleutnant nun wieder in dieser – mittlerweile wieder beschaulichen – Position. Vor kurzem hat er auf der FH Wiener Neustadt – wo Polizeioffiziere berufsbegleitend akademisch graduieren können – eine Bachelorarbeit vorgelegt, die sich ausführlich mit diesem Jahr 2015 beschäftigt. Und damit, welche Lehren daraus zu ziehen wären. Marban unterscheidet drei voneinander geschiedene und doch ineinanderhängende Zeiträume. Im Frühjahr und Frühsommer gab es eine stetig wachsende Zahl von Aufgriffen "unrechtmäßig aufhältiger Fremder". Im Rückblick erscheint das als Art Normalbetrieb.

Dann kam der 27. August. Ein Kriminalfall, der die internationale Presse auf den Plan nach Eisenstadt gerufen hat. Da galt es unter anderem, so Marban, Interviews auf Englisch zu führen. Reuters, CNN, Al Jazeera, die "New York Times" mussten serviciert werden. Marban selbst tat das, empfiehlt aber, geeignete Mitarbeiter vorsorglich auszubilden. Man sollte sich "keinesfalls auf 'Amateur'-Interviews einlassen". Die Gefahr einer Fehlinterpretation sei hoch. Krisen beginnen stets mit einer "Chaosphase". Gerade da aber gelte es das Vertrauen der Medien jedenfalls nicht zu verlieren. "Für polizeiliche Krisenkommunikation muss gelten: Alles, was gesagt wird, muss absolut wahr und nachprüfbar sein." Tödliches Gift wäre das Spekulieren.

Auf den 27. August folgte der 4. September. Der Auftakt zu einem September, in dem 180.000 Menschen die Grenze passierten, und einem Oktober, in dem das 102.000 taten, wahlweise in Nickelsdorf und Heiligenkreuz. Überall hatten Ansprechpartner da zu sein. Und alle sollten alles tatsächlich Sagbare sagen.

Soziale Medien

Die Medien selbst, so Marban, hatten durchaus dieses Gefühl. Und zwar umso mehr, als die Krise sich verschärfte. Hielten bis zum 27. August 22 Prozent der Journalisten die Kommunikation für sehr gut, so waren es ab dem 27. 45 und ab September 47. Das lag wohl auch daran, dass sich das Krisenmanagement eingespielt hat im Lauf der Zeit.

Gefehlt habe der Auftritt in den sozialen Medien. Das stehe ganz oben auf Marbans To-do-Liste. 2015 ist das "nicht nur im Burgenland erst am Beginn der Einführung in die Polizeiarbeit gestanden". Facebook und Twitter wären gerade in Krisenzeiten, da die Dinge sich ständig ändern, ein geeignetes Instrumentarium. (Wolfgang Weisgram, 23.8.2018)