Margarete Schramböck ist augenscheinlich politisch und legistisch unerfahren.

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Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck unterliegt einer gravierenden Fehleinschätzung. Ob das von ihrem Haus vorgelegte Standortentwicklungsgesetz verfassungsrechtlichen Mindeststandards gerecht wird oder doch eher einer "Orbánisierung" des Umwelt- und Verfahrensrechts gleichkommt, ist keine Frage von progressiv oder konservativ. Es ist schlicht eine Frage des Rechtsstaats. Ein solcher zu sein, darauf war Österreich immer stolz, der Umstand trug maßgeblich zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts bei.

Automatische Genehmigung nach Fristablauf

Unter dem Vorwand, ebendiesen attraktivieren und Behördenverfahren beschleunigen zu wollen, packte die Regierung die ganz große Keule aus, um besonders komplexe Umweltverfahren für Großprojekte nach Vorbild der dritten Flughafenpiste auszuhebeln. Automatische Genehmigung nach Fristablauf – auch wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht abgeschlossen wurde – und ohne öffentliche Verhandlung, das muss einer Regierung erst einmal einfallen.

Das Vorhaben dürfte so wohl nicht mehr gelingen. Zu vernichtend sind die Reaktionen, insbesondere Verfassungs- und Verwaltungsjuristen sehen Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte in Gefahr.

Dieses Gesetz wird niemals gut werden

Und was macht die politisch und augenscheinlich auch legistisch unerfahrene ehemalige Telekom-Managerin? Statt den Entwurf zu kübeln, lässt die Ministerin ihr Haus, das nicht einmal über eine Fachabteilung für Umweltrecht verfügt, weiter herumdilettieren. Dabei wird dieses Gesetz niemals gut werden. Zu fragwürdig ist es in seiner Grundsubstanz.

Der Gipfel ist, dass sich die ÖVP-Ministerkollegen und -kolleginnen für Justiz und Umwelt als Verschlimmerer hervortun. Josef Moser, der sonst so auf Korrektheit erpichte frühere Rechnungshofpräsident, erspart sich und dem Verfassungsdienst die Veröffentlichung einer profunden Expertise mit der fadenscheinigen Begründung, das Gesetz werde ohnehin überarbeitet.

Das Amtsgeheimnis wird ausgebaut

Das Umweltministerium unter Elisabeth Köstinger wiederum hält seinen offensichtlich kritischen Kommentar unter Verschluss, um die Digitalisierungsministerin nicht zu desavouieren. Diese Art von Solidarität ist falsch und rechtswidrig, sie gibt Zeugnis, wes Geistes Kinder diese Regierungsmitglieder sind. Nicht saubere Gesetze und Regelungen sind das Ziel, sondern Klientelpolitik unter der Tuchent und Veröffentlichungen nach Gutsherrenart. Das Amtsgeheimnis, dessen Abschaffung jede Oppositionspartei predigt, wird de facto ausgebaut. Damit ist Österreich eines von wenigen Ländern in der westlichen Welt, in denen der aus Steuergeld finanzierte Staat dem Steuerzahler Rechenschaft schuldig bleibt. Öffentlich finanzierte Studien bleiben unter Verschluss. Ihrer Informationspflicht kommen Behörden in ihrem Kontrollwahn und ihrer vorgeblich "evidenzbasierten" Politik erst nach, wenn sie von Gerichten dazu gezwungen werden.

Eine schallende Ohrfeige

Vor diesem Hintergrund kommt der Appell des Presserats einer schallenden Ohrfeige gleich. Das streng und stets besonnen agierende Gremium ermahnt Journalisten (und nicht nur sie), Informationen von Regierungsstellen nicht ungeprüft zu übernehmen, weil sie – wie bei den 160 Dienstwagen der Sozialversicherungen, die sich als Dienstautos für Beitragsprüfer und Krankenbesuche entpuppten – nicht immer ausgewogen seien. Mehr ist dazu nicht zu sagen. (Luise Ungerboeck, 23.8.2018)