An der ersten schwarz-blauen Koalition war nicht alles schlecht. Sie war kaum im Amt, als sie eine der besten Entscheidungen ihrer Misserfolgsgeschichte traf: Sie entfernte freiwillig zwei freiheitliche Minister wegen offensichtlicher Unzurechnungsfähigkeit aus dem Amt. Oft wird gefragt: Kann man aus der Geschichte lernen? Ja, das ist möglich, aber man muss es wollen. In diesen Tagen, in denen einer gleichen Koalition sich eine gleiche Entscheidung aufdrängt, ist festzustellen, dass der Wert der Historie für das politische Leben geringer geschätzt wird denn je. Eine Außenministerin, die weltweit Zweifel an der Konsistenz österreichischer Außenpolitik anheizt, wird gepriesen für den Werbeeffekt, den sie knicksend der südsteirischen Weinstraße beschert, und ein Pferdenarr, dessen originelle Amtsführung die Sicherheit Österreichs gefährdet, indem sie ausländischen Geheimdiensten die Zusammenarbeit verleidet, wird vom Vizekanzler als der beste Innenminister, den Österreich je hatte, gelobt.

Der scheidet also einmal aus, wenn es darum geht, so etwas wie Verantwortung für den Schaden zu übernehmen, der da angerichtet wurde. Hat auch niemand erwartet von einem, der Faschisten und antisemitische Autokraten auf seiner kirchlichen Hochzeit sehen will, spekulierend, der Empfang des Sakraments könnte seinen Ruf, wenn schon nicht als Demokrat, dann wenigstens als Sportminister retten.

Die Erwartung, der Bundeskanzler könnte einspringen, wo politische Verantwortung gefragt ist, war trotz der Heilsversprechen, mit der er sein Amt antrat, schon angesichts des Koalitionspartners nicht hochgeschraubt. Der garantiert ihm schließlich dieses Amt, was mit Narrenfreiheit schon bei der Besetzung der Ressorts abzugelten war. Jetzt, wo sich deren Folgen innerhalb der Regierung abzuzeichnen beginnen, hätte man allerdings schon ein klärendes Wort des Kanzlers, ob und wie es die nächsten Jahre weitergehen soll, erwartet.

Politische Gesamtverantwortung

Doch der verdrückt sich, wie er sich bisher immer verdrückt hat, wenn Unangenehmes angestanden ist. Nun kann in Österreich der Bundeskanzler einem Minister seiner Regierung nicht einfach anschaffen, was er zu tun hat, was nicht heißt, dass er zur Inkarnation der Richtlinieninkompetenz erstarren muss. Es gibt auch so etwas wie eine politische Gesamtverantwortung, vor der man sich nicht in Luft auflösen kann. Mit dem Märchen, wie süß und segensreich für das Land türkis-blaue Zusammenarbeit funktioniert, ist es jedenfalls vorbei, so wie sich der Innen- und der Justizminister öffentlich aneinander abputzen.

Von diesen beiden will keiner die Verantwortung für den Überfall auf das BVT übernehmen. Doch irgendwer wird es müssen, und es wird nicht damit getan sein, im Nationalrat die Misstrauensanträge der Opposition niederzustimmen.

War das mit der Verantwortung doch einfach, als man noch sagen konnte, die Juden sind an allem schuld. Die Abwandlung dieses Generalkonzepts hat Türkis und Blau zusammengebracht: Nun sollten es die Flüchtlinge sein. Gegen sie sei der Rechtsstaat ohne Rücksicht auf humanitäre Duselei zu verteidigen. Damit gewinnt man eine Wahl. Auf Dauer wird es nicht reichen. (Günter Traxler, 30.8.2018)