Schon spannend, die ersten Schultage. Diesmal besonders, wird das neue Schuljahr doch Wahrheiten ans Licht bringen und zum Beispiel zeigen, was Deutschförderklassen draufhaben. Apropos: Was mich an diesem Thema zunehmend interessiert, ist fernab der Diskussion rund um das Tempo des Fremdsprachenerwerbs. Ich hab's gern grundsätzlich:

Wie gehen wir mit der Individualität des Gegenübers um? Wie kann Achtung vor dem Fremden vorgelebt werden, wenn das andere nicht oder nur teilweise erkennbar sein darf? Wie viel Mut zur Wahrheit braucht lebendige Beziehung unter Kindern?

Vom Schuldiskurs mit Scheuklappen

Zugegeben: Die Diskussionen sind eher nicht so angenehm, tun sogar ein wenig weh, stoßen sie doch radikal auf die – während der vergangenen Jahrzehnte – harmonisch gewachsenen Scheuklappen des Schuldiskurses.

Womit wir – mit dem Unangenehmen – beim eigentlich Wesentlichen an Schulreformen wären; im Kern betrachtet, ist es doch wohl so: Es gibt keine per se guten Schulreformen. Ihr Wert hängt vom Menschen ab – und seiner Bereitschaft zum Aufbruch.

Zu einem, der Köpfe wenden lässt

Weise Schulpolitik macht Fesseln spürbar, lässt Köpfe wenden, nötigt zum Denken und führt – nicht ohne Anstrengung – ins Fragen:

1. Unter welchen Bedingungen lässt sich Inklusion in der Schule umsetzen, ohne die Idee an sich zu unterminieren? Lässt sich ein Prinzip verwirklichen? Wie gefährlich ist es, Zuneigung verordnen zu wollen?

2. Wodurch wird Schule 4.0 mit der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach sittlichen, religiösen und sozialen Werten als allgemeinem Bildungsziel vereinbar? An welchen Kriterien ist festzumachen, ob die Erziehung zum Wahren, Guten und Schönen auch bei gamebasiertem Unterricht im Blick bleibt?

3. Ist es zulässig, juristische Schritte – zum Beispiel bei Schulverweigerung – aus pädagogischer Perspektive zu beurteilen, oder stecken jene das Feld ab, auf dem Beziehung und Ermutigung möglich werden?

4. Können Konsequenzen die Freiheit kultivieren, sofern sie mit der Vernunft des Kindes rechnen, Einsicht wollen, die Bereitschaft zu autonomer Bindung an Werte und Normen zum Ziel haben, auf dass sie sich letztlich selbst erübrigen?

5. Wie viel "pädagogische Expertise" steckt hinter dem Angriff auf die Ziffernbenotung? Ist nicht die wesentliche Frage, wie Kinder lernen können, mit Beurteilung von außen umzugehen, und die eigene Individualität unabhängig von beurteilbarer Leistung zu lieben?

6. Gibt es pädagogische Antinomien? Oder ist es bloß ungewohnt, auf Schubladen zu verzichten?

7. Was wäre, wenn uns die Farben von Menschen (Pädagoginnen und Pädagogen) nicht mehr interessieren?

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Eine Vision von Schule: Tätowierte Typen im Anzug und fröhliche Frauen in bunten Tüchern greifen mit einer tanzenden Kinderschar in ein Fass voll Farbe, um Wände zu bemalen – und schaffen jenen Raum, in dem es möglich wird, Leistung zu beurteilen. (Andrea Vanek-Gullner, 4.9.2018)