Wien – Der Duft täuschte nicht. Es war ein Hotdog, und er roch so, wie ein Hotdog eben riechen muss. Seelenruhig und von den anderen Fahrgästen unbeirrt knabberte der Mann am Freitag um 10.30 Uhr an seiner Käsekrainer, die mit Ketchup und Senf im Weißbrot steckte. Er saß auf einer weißen, noch unbefleckten Sitzbank in der U6-Station Westbahnhof. Über seinem Kopf prangte ein niegelnagelneues Plakat der Wiener Linien mit der Aufschrift "Ihr Essen riecht so kriminell, dass der Verzehr in der U6 jetzt verboten ist. Bitte essen Sie geruchsintensive Speisen nur draußen."

"Nicht drinnen: Essen in der U6", heißt es künftig für die Fahrgäste.
APA / Herbert Neubauer

Der Mann mit dem Hotdog tat genau das, was das Plakat von ihm verlangte. Das Odeur der Käsekrainer machte sich dennoch in der U-Bahn-Station breit.

DER STANDARD

Am Samstag tritt das von der Stadt Wien verhängte Essverbot aller Speisen in der U6 in Kraft. Das Lustige an der Sache: Der Mann mit dem Hotdog, der lieber essen als reden wollte, könnte auch weiterhin auf seiner Bank sitzen, sich der Käsekrainer hingeben und Düfte verströmen. Denn der Bann aller Speisen gilt nur in den Zügen selbst.

Auch bei den Stiegenaufgängen am Westbahnhof wird auf das Essverbot hingewiesen.
APA / Herbert Neubauer

Die Stadt nimmt das Essverbot mit einer breit angelegten Infokampagne jedenfalls ziemlich ernst: So weisen Piktogramme in der U6 auf das Verbot hin. Die zweite Zeile der Anzeigetafel, die bis dato die Zeit bis zum Einfahren des übernächsten Zugs anzeigte, unterrichtet die Fahrgäste nun ebenso vom Essverbot. Dazu kommen ein Kinospot und mehrere Plakate, die sich dem "Tatort Leberkäs", der "Pizza Kriminale", dem Döner als "klare Scharftat" oder dem "Nudelfall ungelöst" widmen.

Eines der vier Sujets der Plakatserie.
Andy Urban

Der Hotdog kommt auf den Plakaten nicht vor und wird unter den geruchsintensiven Speisen diskriminiert. Er ist aber seit 1. September ebenso wie alle anderen Speisen auch verboten.

"Sinkende Schamgrenze"

Die Wiener Linien seien keine Pioniere, sagt Geschäftsführerin Alexandra Reinagl zur Vorschrift. "Ein Essverbot in Öffis gibt es in vielen anderen Städten auch." Bei Fahrgastbefragungen in Wien sei Essen in den Öffis und damit einhergehend die Geruchsbelästigung sowie verschmutzte Steh- oder Sitzplätze immer ein "Topthema" gewesen.

Öffi-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) sieht sich mit dem Verbot "auf dem richtigen Weg". So sei in den letzten Jahren eine "sinkende Schamgrenze in den U-Bahnen" festgestellt worden: Teilweise hätten Fahrgäste "ganze Abendessen im Zug verdrückt". Ab 15. Jänner 2019 gilt das Essverbot dann in allen U-Bahnen.

Ab Samstag gilt das Essverbot in der U6. Ab 15. Jänner 2019 wird der generelle Bann aller Speisen auf alle Wiener U-Bahnen ausgeweitet.
Andy Urban

Kontrolliert wird das generelle Verbot von den Sicherheitsmitarbeitern der Wiener Linien. Gestraft wird vorerst aber nicht, auch wenn Fahrgäste nicht von ihrem Kebab oder ihrer Pizza lassen können. Klappt das Konzept des guten Zuredens nicht, will sich die Stadt das Nichtstrafen in einem halben Jahr überlegen. Im Raum stehen laut Wiener Linien Geldbußen in Höhe von 50 Euro. Nicht ausgeschlossen ist auch, das Verbot auf alle Öffis auszudehnen.

Rauchen verboten, Alkohol verboten und Hunde an die Leine hieß es schon bisher in den Wiener U-Bahnen. Mit dem Essverbot kam ein neues Piktogramm dazu.
Andy Urban

Einen Tag bevor der Essensbann in Kraft trat, lud eine privat organisierte Veranstaltung via Facebook zum Protestmahl: Auf der Seite "Das letzte Mal Falafel / Döner essen in der U6" posteten seit Freitagnachmittag zahlreiche User Fotos und Erlebnisse. "Am Schluss hat mir ein leiwander Fahrgast, der im Bilde war, einen Kaugummi angeboten, und wir sind in ein nettes Gespräch gekommen", hieß es etwa.

Der Kebabladen Mangalet bei der U6-Station Josefstädter Straße kündigte als Partner des Protestessens an, ein Drittel des Tagesumsatzes der sozialen Einrichtung Wiener Tafel zu spenden. Dabei spricht sich Lokalinhaber Abdullah Ünal für das Essverbot in der U-Bahn aus. "Das ist schon okay. Ich bin so erzogen worden, dass man nicht auf der Straße isst." (David Krutzler, 31.8.2018)