Ich habe Jugoslawiens scheinbar "goldene Jahre", die Widersprüche der Tito-Ära und den Untergang des Vielvölkerstaats nicht nur persönlich erlebt, sondern diese dramatische Entwicklung als Auslandskorrespondent und Autor auch für deutsch- und englischsprachige Leser beschrieben und kommentiert. Deshalb bin ich skeptisch, oft sogar misstrauisch, wenn plötzlich viele Spieler sich zum Teil hinter den Kulissen, zum Teil im Scheinwerferlicht der TV-Kameras mit Plänen über den Austausch von Territorien zwischen Kosovo und Serbien beschäftigen: den von Serben dominierten und von Belgrad kontrollierten Norden des Kosovo mit der Stadt Mitrovica offiziell Serbien zu überlassen und dafür die von 80.000 Albanern bewohnten an Kosovo grenzenden südserbischen Bezirke Presevo, Bujanovac und Medvedje zu erhalten.

Bereits in seinem Buch "Jugoslawiens Erben" (2001) schrieb der 2014 verstorbene Jugoslawien-Kenner Viktor Meier: "Solche Träume sind ohne jede reale Grundlage, denn hier müsste man wirklich internationale Grenzen ändern, und außerdem wäre es nicht nur für Serbien, sondern auch für Mazedonien und Griechenland ein Albtraum, wenn diese wichtige Nord-Süd-Verbindung plötzlich durch albanisch beherrschtes Gebiet führen würde." Nun scheint der serbische Präsident Aleksandar Vucic bereit zu sein, diesen strategisch bedeutsamen Korridor für die Aussicht einer späteren EU-Mitgliedschaft aufzugeben. Die gleiche Hoffnung auf einen Durchbruch zur Mitgliedschaft nicht nur in der EU, sondern auch in der Uno scheint den Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaçi, zu motivieren, nicht nur das Prinzip der territorialen Einheit, sondern auch die Trepca-Bergwerke und einen für die Wasserversorgung wichtigen Staudamm im Norden aufzugeben. Bei der innerserbischen Opposition gegen den Gebietsaustausch spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass in Mittel- und Südkosovo noch immer tausende Serben leben.

Es geht aber um viel mehr als um den möglichen Einfluss eines solchen Paktes auf die Machtposition der beiden Hauptprotagonisten. Ich teile die Warnungen von kompetenten Beobachtern, so auch von drei ehemaligen Hohen Repräsentanten für Bosnien, dass ethnisch bestimmte Grenzänderungen eine Büchse der Pandora, vor allem in Bosnien-Herezegovina und Mazedonien, öffnen könnten. Der prorussische Führer der bosnischen Republika Srpska, Milorad Dodik, möchte den Staat sprengen und sich Serbien anschließen. Die kroatischen Nationalisten in Herzegovina blicken sehnsüchtig nach Zagreb. In Mazedonien, wo die Albaner rund ein Viertel der Bevölkerung bilden, könnten albanische Extremisten den Prozess der innen- und außenpolitischen Stabilisierung torpedieren.

Bundeskanzlerin Merkel warnte kürzlich und hoffentlich rechtzeitig vor dem brandgefährlichen Spiel mit Grenzänderungen auf dem Balkan. Der gefährlichste Brandstifter der Weltpolitik sitzt jedoch in Washington. Nach dem Debakel in Korea gab nun Trumps Sicherheitsberater, im krassen Kontrast zur langjährigen US-Balkanpolitik, grünes Licht für ein neues riskantes Experiment, diesmal mit einem anderen Pulverfass. (Paul Lendvai, 3.9.2018)