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Viktor Orbán (Dritter von rechts) im Kreis zentralasiatischer Präsidenten. Links von ihm der kirgisische Gastgeber Sooronbai Schejenbekow.

Foto: Presidential Press Service via AP

Tscholponata – Ungarns nationalkonservativer Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich am Montag bei einem Präsidententreffen in Kirgisistan zur Verankerung seines Landes im Osten bekannt. "Früher galt es als Beleidigung, wenn man die Ungarn als das westlichste östliche Volk in Europa bezeichnete", sagte er im illustren Kreis von Staatschefs wie dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan und dessen Amtskollegen aus Kirgisistan, Usbekistan, Kasachstan und Aserbaidschan. "Doch angesichts der fantastischen Erfolge der Turkvölker ist es heute eine Ehre, wenn die Ungarn als östliches Volk bezeichnet werden."

Orbán nahm im kirgisischen Badeort Tscholponata am Kooperationsrat turksprachiger Länder teil. Dabei handelt es sich um einen lockeren Staatenbund, den die Türkei 1992 aus der Taufe gehoben hatte, um wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf die zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu nehmen. Ungarn hat mit diesen Ländern eigentlich nichts gemein.

Es ist aber eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Manie der extremen und nationalistischen Rechten in Ungarn, eine gemeinsame, glorreiche Vergangenheit mit den turkstämmigen Reiter- und Nomadenvölkern der Tiefen Asiens zu konstruieren. Anhänger dieses obskuren "Turanismus" sind auch im engsten Umfeld Orbáns zu finden. Orbán selbst behauptete am Montag zum ersten Mal, Ungarisch sei eine Turksprache und nicht – wie wissenschaftlich erwiesen – eine finno-ugrische.

Weltfestspiele der Nomaden

Anlass für Orbáns Teilnahme am Turkvölker-Gipfel in Tscholponata am malerischen See Yssykköl war die Eröffnung der Weltfestspiele der Nomaden. Dabei messen sich Sportler in Disziplinen wie Bogenschießen, Reiten, Ringen oder Rodeln. Wie ein Bild von Orbáns Facebook-Seite zeigte, nahm daran auch eine ungarische Abordnung teil. Beim Einzug der Sportler trugen diese wie in einer Filmkulisse lange Roben, Lederjoppen, Kettenhemden und Fellmützen.

Für den Machtpragmatiker Orbán ist die "turanische" Ideologie nur insofern interessant, als dass sie ein bestimmtes Segment der Rechtsextremen an sein System bindet. Für den EU-Kritiker zählt hingegen alles, was seinen außenpolitischen Spielraum zu vergrößern verspricht. Dazu gehört die Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin, den er zur Monatsmitte in Moskau besuchen wird, ebenso wie jene zu Erdoğan oder zum aserbaidschanischen Staatschef Ilham Aliyev.

"Aufstrebender Osten"

In der kirgisischen Präsidentenrunde fand Orbán für die Anwesenden schmeichelhafte Worte. "Die alte Weltordnung, laut deren Dogma Kapital und Wissen von Westen nach Osten strömen, ist zusammengebrochen", tönte er. "Die neue Weltordnung wird grundlegend von der Entwicklung der aufstrebenden Staaten des Ostens bestimmt."

In Wirklichkeit sind die genannten Länder charakterisiert durch Unterdrückung der Opposition, Gängelung oder Liquidierung freier Medien, ungehemmte Korruption und einbetonierte Macht der Herrschenden. Orbáns Begeisterung gibt eine Ahnung davon, in welche Richtung er sein eigenes Land weiterentwickeln möchte. (Gregor Mayer, 3.9.2018)