Ob Debian, Ubuntu oder Fedora: Die meisten großen Distributionen nutzen mittlerweile Gnome als Default-Oberfläche. Eine entsprechend zentrale Rolle nimmt das Projekt in den Bemühungen rund um den Linux-Desktop ein. Nun gibt es das Ganze in einer neuen Version.

Gnome 3.30

Mit Gnome 3.30 haben die Entwickler des Projekts eine neue Ausgabe ihrer Softwaresammlung veröffentlicht. Im Vergleich zu so manch anderen Releases davor liest sich die Liste der Neuerungen eher kurz, darunter befindet sich aber durchaus die eine oder andere äußerst signifikante Verbesserung. Zentrales Merkmal der neuen Version sind Optimierungen an der Gnome Shell, also der Desktopoberfläche selbst. Der Desktop soll dadurch nicht nur schneller laufen, sondern auch weniger RAM als bisher verbrauchen – wovon also alle User profitieren.

Flatpaks

Die Zukunft der App-Auslieferung sehen die Gnome-Entwickler beim neuen Paketformat Flatpak, das vor einigen Wochen in der Version 1.0 veröffentlicht wurde. In die Gnome-Softwarezentrale ist dieses schon länger integriert, mit dem Update wird diese Kooperation noch vertieft. So können Flatpaks nun automatisch aktualisiert werden. Auch bereitet Gnome Software einer der nervigsten Eigenheiten ein Ende: Künftig werden verfügbare Updates umgehend angezeigt. Bisher wurde damit gewartet, bis sie komplett heruntergeladen waren, was zu Inkonsistenzen mit einem Update-Check über die Kommandozeile geführt hat.

Die neue Podcasts-App von Gnome 3.30.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Beim Dateimanager Nautilus gab es einige Verbesserungen an der Usability: So gibt es etwa eine neue Pfadanzeige, ein überarbeitetes Toolbar-Design und auch Optimierungen an der Icon-Darstellung. Für all jene, denen der mit Gnome 3.28 entfernte Desktopmodus fehlt, noch ein Tipp: Es gibt mittlerweile eine eigene Gnome-Shell-Erweiterung der Nautilus-Entwickler, die diese Funktionalität zurückbringt.

Podasts und Web

Ein Neuzugang im Set an Gnome-Anwendungen ist "Podcasts" – wie der Name schon verrät, eine simple Anwendung für den täglichen Podcast-Bedarf. Beim Webbrowser Epiphany ist hingegen ein Reader-Mode hinzugekommen, der Texte also auf das Wesentliche reduziert und unnötige Elemente ausblendet.

Sharing

Gerne wird übersehen, dass Gnome Boxes nicht bloß eine Virtualisierungslösung darstellt, sondern auch als Remote-Desktop-Client verwendet werden kann. Bisher war dies auf VNC-Verbindungen beschränkt, nun unterstützt man aber auch Microsofts RDP-Format. Die Einrichtung solcher Verbindungen ist über ein URL-Format allerdings nicht sonderlich nutzerfreundlich ausgefallen. Und wenn wir schon beim Thema sind: Screen-Sharing wurde nun tiefer in den Desktop integriert, sodass jetzt im Panel angezeigt wird, wenn eine solche Verbindung aufrecht ist. An dieser Stelle wird dann auch gleich die Möglichkeit geboten, den Zugriff zu beenden.

Der Reader-Mode von Epiphany/Web.
Grafik: GNOME

Ganz auf Retro-Gaming konzentriert sich die Games-App von Gnome. Diese lässt sich nun komplett mittels Gamepad steuern, zudem ist es aber auch möglich, das Gamepad via Tastatur zu emulieren. Zudem gibt es jetzt mehr Details zu den einzelnen Spielen, und das zugehörige Flatpak umfasst nun vier weitere Emulatoren.

In den Systemeinstellungen ist ein neuer Eintrag für das Management von Thunderbolt-Geräten hinzugekommen. Zudem werden solche von der Hardware abhängigen Menüs nun nur mehr dann dargestellt, wenn sie für den eigenen Rechner auch relevant sind. Die Datenträgerverwaltung Gnome Disks kann nun auch mit mittels Veracrypt verschlüsselten Datenträgern umgehen, und die Notiz-App Notes bietet mehr Style-Möglichkeiten und Zoomkontrollen als bisher.

Die Games-App von Gnome wurde ausgebaut.
Grafik: GNOME

Toolkit

Die Basis für alle Gnome-Anwendungen bildet das Toolkit GTK+. An dessen Version 4 wird derzeit gerade eifrig gearbeitet, was eigentlich heißt, dass sich die 3er-Reihe im Wartungsmodus befindet. Für Gnome 3.30 macht man nun aber eine Ausnahme, so gibt es mit GTK+ 3.24 noch ein letztes Feature-Update für diese Serie. Dieses speist sich aus ausgewählten Verbesserungen von GTK+4, darunter eine bessere Schriftenauswahl – es werden nun variable Open Type Fonts unterstützt – oder ein neuer Dialog zum Einfügen von Emojis.

Ausblick

Die Release Notes für Gnome 3.30 enthalten aber auch einen interessanten Ausblick in die Zukunft, werden damit doch die Design-Guidelines für den Desktop überarbeitet. Und das soll sich dann im nächsten Release niederschlagen: Mit Gnome 3.32 wird nämlich die Trennung des Applications-Menüs vom jeweiligen Programm wieder aufgehoben. Bisher findet sich dieser Eintrag im Panel. Das soll nun ein Ende finden und die entsprechenden Punkte wieder zum Anwendungsfenster selbst zurückkehren. Damit reagiert man nicht zuletzt auf seit Jahren anhaltende Kritik an der aktuellen Lösung. Zudem wird mit Gnome 3.32 aber auch ein neuer Icon-Stil für den Desktop eingeführt, bei dem man ebenfalls hofft, dass er von Drittentwicklern übernommen wird.

Download

Gnome 3.30 steht in Form des Quellcodes der einzelnen Komponenten von der Seite des Projekts zum Download. Zudem wird die neue Version schon bald in die Entwicklungsversionen diverser Distributionen einfließen. Außerdem sollten einige der Anwendungen in Kürze als Flatpak über Flathub erhältlich sein, womit sie dann etwa unter Fedora oder Linux Mint auch auf älteren Ausgaben des Desktops problemlos installiert werden können. (Andreas Proschofsky, 5.9.2018)