Platz 10: Eine pralle Odaliske (Taxe 140.000-180.000 Euro) aus einer britischen Privatsammlung, wie sie für Fernando Botero nicht typischer sein könnte, verführte im Dorotheum bis zu 393.400 Euro.

Foto: Dorotheum

Beiboot aus der Vogelperspektive: In Neuseeland schipperte Friedensreich Hundertwasser mit einem solchen Dinghi durch die Mangrovenwälder. Inspiration für eine Serie von Dinghi-Bildern, zu der auch diese Mischtechnik von 1982 gehört, für die "im Kinsky" 449.000 Euro erzielte.

Foto: im Kinsky

Seine Beliebtheit verdankt der Faltstuhl der einfachen Handhabung für den Transport auf Reisen, im Kriegslager oder im Alltag ganz generell. Im Laufe der Geschichte betteten römische Kaiser darauf ebenso ihr Hinterteil wie später Bischöfe. Ein Möbeltyp also, der einst Würdenträgern vorbehalten war. In diesem Kontext wurde in der späten Ming-Dynastie (17. Jh.) ein besonderes Exemplar gefertigt: mit geschnitztem Landschaftsdekor, das sich an einer kaiserlichen Malerei aus dem 14. Jahrhundert orientierte. Demnach könnte dieser Faltstuhl ebenfalls kaiserlicher Herkunft sein.

Platz 1 im Ranking der höchsten Zuschläge: Ein in der späten Ming Dynastie gefertigter Faltstuhl, der im Juni bei Nagel in Salzburg 3,5 Millionen Euro erzielte. Preisbestimmend war das geschnitzte Landschaftsdekor, das sich an einer kaiserlichen Malerei aus dem 14. Jahrhundert orientierte, die sich im Bestand des Palastmuseum in Peking befindet.
Foto: Nagel Auktionen

Eine Vermutung, die im Juni in Salzburg zu einem Duell unter mehreren Telefon- und Saalbietern führte, bei dem sich, wenig überraschend, ein chinesischer Käufer durchsetzte. Der Schätzwert belief sich auf 10.000 bis 15.000 Euro, der unter tosendem Applaus erteilte Zuschlag auf 3,5 Millionen Euro (inklusive Aufgeld). Zur Freude des Verkäufers, ein italienischer Privatsammler, und des in Stuttgart ansässigen Auktionshauses Nagel, das 2017 in Salzburg eine Niederlassung eröffnete.

Leichter Umsatzrückgang

Anlass gaben das neue Kulturgutschutzgesetz in Deutschland (Mitte 2016) und die dort verankerten strikten Sorgfaltspflichten. In Österreich sei die Gesetzgebung laut Nagel weniger rigoros, weshalb man die Asiatika-Auktionen nach Salzburg verlegte. Der aktuelle Umsatz lag bei rund neun Millionen Euro, und damit setzte sich erwähnter Faltstuhl an die Spitze der zehn höchsten für Kunst und Antiquitäten (siehe Tabelle) erzielten Zuschläge seit Jahresbeginn.

Grafik: Standard

Platz zehn hält Fernando Boteros charakteristisch voluminöse und darob betont sinnliche L’Odalisque, die im Mai im Dorotheum für 393.400 Euro den Besitzer wechselte. Welchen Umsatz der heimische Marktführer seit Jänner verzeichnete, bleibt unbekannt. Dass solche Zahlen auch auf Anfrage nicht veröffentlicht werden, hat dort Tradition. An den Ergebnissen der beiden Auktionswochen (April, Mai) bemessen, lag man mit 30,88 Millionen Euro deutlich unter dem Vergleichswert des Vorjahres (35,48 Mio. Euro).

Bei "im Kinsky" summierten sich die Verkäufe seit Jänner auf etwa 13 Millionen Euro (2017: 13,5 Mio.). Den höchsten Zuschlag erteilte man für Friedensreich Hundertwassers 831, Tender Dinghi (1982) mit 449.000 Euro. "Ein Weltrekordpreis", jubelte man an der Freyung. Das stimmt allerdings nur bedingt: ja, "für ein Gemälde der 1980er-Jahre", nicht aber generell, denn da hält Ville vue d’au-delà du soleil (1955) mit 523.500 Euro (Dezember 2017, Christie’s Paris) den vorläufigen Künstlerrekord.

Ehrenrettung der Zukunft

Auffällig am aktuellen Ranking? Zeitgenössische Kunst dominiert, und Alte Meister glänzen durch Abwesenheit. Das ist, im Vergleich zu den Vorjahren, tatsächlich ungewöhnlich und war zuletzt 2009 der Fall. Die im ersten Halbjahr in dieser Sparte angebotene Qualität verführte demnach nicht zu Höhenflügen.

Artemisia Gentileschis Gemälde "Lucretia" war über Jahrhunderte in Privatbesitz und gibt im Oktober im Dorotheum ein Auktionsdebüt. Der Schätzwert beläuft sich auf 500.000 bis 700.000 Euro. Laut dem verantwortlichen Experten sei das eher moderat, den Marktwert wähnt er deutlich darüber.
Foto: Dorotheum

Zur Ehrenrettung ihrer Zunft tritt im Oktober nun Artemisia Gentileschi an, wenn ihre Lucretia im Dorotheum ihr Auktionsdebüt gibt. Das auf 500.000 bis 700.000 Euro taxierte Gemälde zeigt den Moment, nachdem die römische Aristokratin von Tarquinius geschändet worden war und bevor sie sich erdolchte. Ein mythologisches Thema, das für Artemisia aus persönlichen Gründen besondere Bedeutung hatte. Im Alter von 16 Jahren war sie von ihrem Lehrmeister Agostino Tassi vergewaltigt worden.

#MeToo-Bewegung

Entgegen den damaligen Gepflogenheiten ließ sie den Vorfall nicht auf sich beruhen und zog vor Gericht. Im Zuge eines Prozesses wurde ihre Aussage dann unter Folter überprüft und eine entwürdigende gynäkologische Untersuchung veranlasst. Eine Wehrhaftigkeit, die Jahrhunderte später noch beeindruckte, als die die feministische Bewegung der 1960er-Jahre die Künstlerin aus der Vergessenheit hievte. Aus gegenwärtiger Sicht symbolisiert Artemisia Gentileschi gewissermaßen das historische Postergirl der #MeToo-Bewegung. (Olga Kronsteiner, 7.9.2018)