Zürich – Maniok ist einer der wichtigsten Stärkelieferanten, zum Beispiel für die Papierherstellung und für die Lebensmittelverarbeitung. Die Pflanze ist ziemlich anspruchslos und verträgt Trockenheit besser als Kartoffel oder Mais. Allerdings muss man die Stärke für die industrielle Anwendung aufwendig aufbereiten: Sie besteht zu einem großen Teil aus Amylopektin und einem kleineren Teil aus Amylose. Letztere wird für den industriellen Einsatz in energieaufwendigen Schritten entfernt, denn Amylose-freie Stärke wird für viele Anwendungen bevorzugt.

Diese Aufbereitungsschritte könnten künftig wegfallen dank einer neuer Maniokvariante, die Forscher der ETH Zürich mit Kollegen der Universität Lüttich erzeugt haben. Mit der Genschere Crispr/Cas9 entfernten sie zwei Gene, die für die Amylose-Produktion zuständig sind, und erhielten dadurch Maniokknollen, deren Stärke nur noch aus Amylopektin bestehen.

So sehen Maniokstauden im Feld aus.
Foto: Hervé Vanderschuren/ ULiège

Schwierige Zucht, die Geduld erfordert

Ein Problem bei der klassischen Züchtung von Maniok ist, dass die Pflanze im Freiland nur selten blüht und Samen produziert, im Gewächshaus sogar fast nie, wie die ETH Zürich mitteilte. Gewöhnlich vermehrt man die Pflanze durch Stecklinge, die genetisch identische Klone der "Mutterpflanze" sind. Die klassische Pflanzenzucht basiert jedoch auf genetischer Durchmischung verschiedener Pflanzenindividuen.

Um dieses Problem zu beheben fügten die Wissenschafter dem Pflanzengenom ein Gen der Ackerschmalwand ein, das die Maniokpflanzen vermehrt zum Blühen anregte. Durch diese Veränderung ließ sich die neue Sorte somit leichter klassisch züchten. Das erlaubte den Forschern auch, durch Kreuzung der erzeugten Pflanzen Nachkommen zu erhalten, die zwar Amylose-freie Stärke produzierten, aber keinerlei Fremdgene mehr enthielten.

Video: Wie Maniok zu seiner verbesserten Stärke kommt.
ETH Zürich

Schneller per Crispr/Cas9

Durch klassische Zucht habe man zwar bereits Amylose-freie Maniokpflanzen erzeugt, räumt die ETH ein. Dies dauerte jedoch mehrere Jahre und brauchte Tausende von Pflanzen. Die Forscher um Simon Bull von der ETH zeigen mit ihrem Ansatz daher in erster Linie, dass sich Zeit und Aufwand durch Einsatz der Genschere Crispr/Cas9 drastisch reduzieren lassen. Sie brauchten nur wenige Monate und ein paar wenige Pflanzen. Ihre Methode lasse sich zudem auch auf andere Nutzpflanzen übertragen, betonen die Autoren der im Fachjournal "Science Advances" erschienen Studie.

Bisher wachsen die modifizierten Maniokpflanzen ausschließlich im Gewächshaus, jedoch seien sie dabei, über Freilandversuche zu diskutieren, sagte Bull. Erst nach umfangreichen Tests könnten die Pflanzen Landwirten zur Verfügung gestellt werden. Dabei dürfte sich auch herausstellen, ob die neue Sorte Vorteile gegenüber den klassisch gezüchteten Varianten hat.

Das begehrte Endprodukt: Amylosefreie Stärkekörner aus Maniok unter dem Elektronenmikroskop.
Foto: Simona Rodighiero, ScopeM, ETH Zürich

Kritik von mehreren Seiten

Unter welchen Bedingungen und wo Feldversuche stattfinden können, ist allerdings derzeit fraglich. Zuletzt sah sich die ETH mit Vorwürfen konfrontiert aufgrund von Freilandversuchen in Nigeria zu einer anderen Manioksorte, deren Stärkeertrag dank Gentechnik erhöht wurde. So kritisierte die Hilfsorganisation Swissaid, dass Einsprüche von 88 nigerianischen NGOs nicht ausreichend geprüft worden seien, bevor der Freilandversuch bewilligt wurde.

Kritiker der Gentechnik fürchten, dass sich manipulierte Gene unbeabsichtigt in der Umwelt verbreiten könnten. Befürworter weisen jedoch darauf hin, dass sich nur die Herstellungsmethode (klassische Zucht oder Genschere Crispr/Cas9) unterscheide, das Resultat jedoch identisch sei. Bedenken bestehen jedoch auch aufgrund der kommerziellen Vermarktung neuer gentechnisch erzeugter Sorten, die Landwirte in neue Abhängigkeiten treiben könnte. (APA, red, 8.9.2018)